Mein schönstes Semestererlebnis

Die Gänge des Labyrinths bauen sich vor mir auf bis unter die Decken, zu beiden Seiten geben Regale voller Wissen und Weisheit den Weg bis zur nächsten Gabelung vor. Es gilt vier Bücher aus den unendlichen Tiefen der Universitätsbibliothek ans Licht zu holen.

Von Tanja Thomsen

Ich habe vorsorglich ihre geheimnisvollen Signaturen notiert. An den Stirnseiten der Regale sind die Nummern der Fachbereiche angebracht. Eigentlich ganz leicht, doch wieso fehlt zwischen der 50 und  der 53 die 52? Nach einigen Gabelungen gerate ich an eine Wand ohne Bücher. Dort hat man dann endlich eine Labyrinth-Schatzkarte angebracht. 52 befindet sich also in einem völlig anderen Gebäude.

Der ersten Signatur bin ich auf der Spur. Da ist das Regal, da ist der Buchstabe – nur an der Stelle, wo mein Buch als Präsenzbestand angekündigt war, klafft ein großes Loch. Freitag, Wochenendausleihe!

Nicht aufgeben, zweite Signatur, zweites Buch. Das ist knifflig, die Bücher im Regal haben so schmale Rücken, dass ich jedes herausziehen muss, um die Signaturen zu lesen. Diesmal keine Lücken – aber auch nicht mein Buch. Stattdessen zwischen Nietzsche und Kant eine zerfledderte Ausgabe von Harry Potter. Wie kommt der denn hierher?

Dritter Versuch, dritte Signatur. Ich verlaufe mich kurz zwischen Philosophie und Theologie. Dann halte ich ihn in der Hand, den Schatz. Doch scheinbar waren Schatzräuber am Werk, denn die einzige für mich relevante Seite fehlt!

Vierte Signatur, viertes Buch. Ich glaube nicht mehr an den Erfolg der Mission. Unmotiviert streift mein Zeigefinger an den Buchrücken entlang. Wieder nix. Am Ende der Reihe finde ich dann wieder einen Titel mit falsch zusortierter Signatur. Es ist… Signatur eins! Ich küsse das Buch, herze es, eile – erst in der völlig falschen Richtung – zum Schalter. Eingescannt, eingepackt, Seminararbeit gerettet!

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