Ein Bibliothekar liest nicht!

Zumindest sagt das Silvia Ludwig, die vier Wochen lang in der Unibibliothek ein Praktikum absolviert.
Stattdessen muss sie Fragen beantworten, viele Fragen.

Von Tanja Thomsen

Zumindest sagt das Silvia Ludwig, die vier Wochen lang in der Unibibliothek ein Praktikum absolviert.
Stattdessen muss sie Fragen beantworten, viele Fragen.
Fragen, die man von angehenden Akademikern nicht unbedingt erwarten würde: “Wo ist der Kopierer?” (eigentlich steht er – unüberhörbar – zwei Schritte weiter), “Können Sie Geld wechseln?” (eigentlich klebt ein neongelbes Schild auf dem Tresen: “Kein Wechselgeld!”), “Ich suche ein Buch!” (darauf wäre ich nie gekommen), oder: “Wo sind die Toiletten?” (gehört so etwas tatsächlich auch in den Aufgabenbereich einer Bibliothekarin?). “Das nervt schon manchmal”, sagt Silvia. Auch die Hartnäckigkeit einiger Studenten, wenn das Buch nicht im Regal zur Abholung bereit steht, verlangt Drahtseilnerven. “Die glauben wohl, dass ich das Alphabet nicht kenne. Wenn ich das Buch im Regal nicht finde, dann ist es auch noch nicht da.” Manchmal hängt von Silvia Ludwig eine ganze Karriere ab, wie neulich, als ein Student seine Diplomarbeit fast nicht hätte fertig stellen können, weil sein Benutzerzugang gesperrt war (alte Bücher nicht zurückgegeben, Mahngebühren nicht bezahlt usw. usf.). Solcher verlorenen Seelen nimmt sie sich dann mütterlich an und findet eine Lösung, die es erlaubt, auch die allerletzte Fußnote noch zu überprüfen. Nein, ein Bibliothekar liest nicht – dazu hat er gar keine Zeit!

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