Interview mit Walther Seinsch vom FC Augsburg

Walther Seinsch ist Vorstandsvorsitzender des FC Augsburg. Neben dem Fußball engagiert sich der ehemalige Textilunternehmer sozial: Seine Stiftung Erinnerung will helfen, die Nazizeit historisch-wissenschaftlich aufzuarbeiten.

Von Christopher Große

Walther Seinsch ist Vorstandsvorsitzender des FC Augsburg. Neben dem Fußball engagiert sich der ehemalige Textilunternehmer sozial: Seine Stiftung Erinnerung will helfen, die Nazizeit historisch-wissenschaftlich aufzuarbeiten.

press |tige: Herr Seinsch, finden Sie es normal, als Vorstandschef mit im Fanblock zu stehen?

Natürlich, da stehe ich ja immer. Ich habe zwanzig Jahre lang im Fanblock gestanden. Dort ist Fußball am schönsten.

press |tige: Die Fans loben das Verhältnis zum Verein – ihre Belange würden ernst genommen.

Für mich ist das selbstverständlich. Die Fans tragen den Club – sie sind eigentlich der FCA: Nicht der Vorstand, die Spieler oder der Trainer. Bei den Fans lebt der Fußball – und überhaupt: Da lebt das Leben.

press |tige: Dass der Verein noch lebt, sei Ihr Verdienst, heißt es immer wieder.

Mein Beitrag war unbedeutend. Wir mussten die Gläubiger überzeugen, auf einen großen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Und das hat auch funktioniert. Uns half damals eine große Spendenaktion, bei der wir über 1.000 Einzelspenden bekommen haben. Jetzt ist mein Beitrag, dass ich pro Woche im Schnitt 50 Stunden unentgeltlich für den FCA arbeite.

press |tige: Der FCA ist also kein FC Seinsch, der von dessen Spenden abhängt?

Das ist alles kalter Kaffee. Ich habe das schon hundertfach dementiert. Die Sau wird immer mal durchs Dorf getrieben, daran kann ich nichts ändern.

press |tige: Seit Jahren setzen Sie sich für ein neues Stadion ein, das in Haunstetten gebaut werden soll.

Jeder weiß, dass man ohne ein modernes Fußballstadion im Profifußball nicht bestehen kann. Eng gebaut, ohne Laufbahn, damit die Leute nah am Geschehen sind und Stimmung aufkommt: Ein wunderbares Erlebnis. Man kann damit aber auch höhere Einnahmen erzielen. Der Plan, ein neues Stadion zu bauen, ist wirtschaftlich sinnvoll und auch gut für die Fans. Wir können das aber nur machen, wenn wir aufsteigen.

press |tige: Die Stadtoberen stehen hinter dem Plan?

Am Anfang hat man mich für verrückt erklärt. Man hat gesagt: Wo hat man den denn laufen lassen – der kommt in der Bayernliga mit einem neuen Stadion. Ich habe lange Zeit Argumente vorgetragen, Beweise vorgelegt. So konnte ich den wirtschaftlichen Vorteil für die Region und die Stadt nachweisen. Die Stadt hat das eingesehen, ihre Zusage gegeben, und an die Zusage halten sich die Damen und Herren. Darüber bin ich sehr froh.

press |tige: Das Stadion ist für die erste Bundesliga konzipiert.

Es ist unwirtschaftlich, ein Stadion zu bauen, und dann – sollten wir in die erste Liga aufsteigen – noch einmal neu zu bauen. Wir werden allerdings in zwei Phasen bauen. Die erste Phase reicht für die zweite Liga allemal. In der zweiten Phase werden wir dann die endgültige Größe von etwa 45.000 Plätzen haben.

press |tige: Themenwechsel: Dreimal hat der FCA den Aufstieg ganz knapp verpasst – vergangene Saison am letzten Spieltag gegen Regensburg. Mal im Ernst: Haben Sie nie darüber nachgedacht, alles hinzuwerfen?

Nach jeder schmerzlichen Niederlage denke ich das mindestens fünf Minuten lang. Wenn die fünf Minuten vorbei sind, schauen wir wieder nach vorne – nach dem Regensburg-Spiel waren die fünf Minuten vielleicht ein bisschen länger.

press |tige: Der Mensch Walther Seinsch hat sein Unternehmertum auch immer mit sozialem Engagement verbunden.

Schon als junger Mann habe ich mich für deutsche Geschichte interessiert. Später habe ich viel über die Nazizeit gelesen. Jahrzehntelang fand in Deutschland kaum eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit statt. Erst in den letzten 15 Jahren ist wahnsinnig viel passiert. Meine Stiftung Erinnerung will helfen, die Nazizeit historisch-wissenschaftlich aufzuarbeiten.

press |tige: Mancher in ihrem Alter würde die Beine hochlegen und seinen wohlverdienten Ruhestand genießen. Sie nicht. Was sagt die Familie zu ihrer Umtriebigkeit?

Was die Fitness anbelangt, biete ich meinen Kindern noch Paroli. Jeden Sonntag erkläre ich ihnen beim Frühstück: Ich bin fitter als ihr. Darüber können sie dann nur lächeln. Aber im Ernst: Jeder, der das möchte, soll auf der Couch liegen. Ich finde ein aktives Leben wunderbar – und auch eine Ehe funktioniert übrigens besser, wenn Mann und Frau sich nicht immer sehen.

press |tige: Wagen Sie eine Prognose, wo der FCA in zwölf Monaten steht – und wo in fünf Jahren?

Das ist schwer. Wir geben alle unser Bestes. Der FCA hat einen guten seriösen Trainer und wir sind immer noch schuldenfrei. Wir wollen aufsteigen, aber Garantien gibt es nicht. Sollten wir es dieses oder nächstes Jahr packen, sind wir in fünf Jahren in der ersten Liga.

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