Nepper, Schlepper, BaföG-Empfänger

Law and Order-Paradies Bayern: Falschangaben im BAföG-Antrag können die Karriere ruinieren

Von Michael Sentef

Law and Order-Paradies Bayern: Falschangaben im BAföG-Antrag können die Karriere ruinieren

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein ist stolz auf seine Kriminalstatistik: Im Jahr 2004 wurden in Bayern bei „sonstigen Sozialleistungen“ knapp 5.000 Betrugsfälle mehr aufgedeckt als 2003. Die extreme Steigerung von 627 Prozent sei größtenteils auf die verbesserten Nachweismöglichkeiten des BAföG-Betruges zurückzuführen, sagte Beckstein im März bei einer Pressekonferenz.

Niedrige hohe Kante

Derzeit dürfen BAföG-Empfänger höchstens 5.200 Euro auf der hohen Kante haben, ansonsten wird das Vermögen auf die Ausbildungsförderung angerechnet. Wer BAföG beantragt, muss daher detaillierte Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen machen. Bis zum Jahr 2002 vertrauten die Ausbildungsförderungsämter diesen Angaben. Nur bei besonderen Auffälligkeiten oder einer Anzeige seien Betrüger aufgeflogen, berichtet Katharina von Saucken-Griebel, Öffentlichkeitsreferentin des Studentenwerks Augsburg und zugleich Rechtsberaterin des „b!st“ (Beratung im Studentenwerk).
Doch eine Untersuchung des Bundesrechnungshofes zeigte, dass zahlreiche Antragsteller geschwindelt hatten. Seither werden rückwirkend bis ins Jahr 1998 die Angaben überprüft. Das Bundesamt für Finanzen teilt den Ausbildungsförderungsämtern mit, wie hoch die Zinserträge der BAföG-Empfänger gewesen sind. Der Datenabgleich förderte in Bayerisch-Schwaben, dem Zuständigkeitsbereich des Studentenwerks Augsburg, allein für das Jahr 2001 rund 900 zu überprüfende Fälle zutage. In knapp 700 dieser Fälle wurde Geld zurückgefordert, im Mittel jeweils rund 5.400 Euro, in Extremfällen bis zu 25.000 Euro. Für 2002 wurden bisher etwa 400 Verdachtsfälle nach Augsburg gemeldet, die Aufarbeitung ist noch in vollem Gange. Ist die Rückzahlung erfolgt, geht in Bayern jeder Fall automatisch an die Staatsanwaltschaft – zur Überprüfung eines möglichen Strafverfahrens.

Betrüger statt Staatsdiener

Der Regensburger Rechtsanwalt Jürgen Linhart vertritt derzeit etwa 50 Mandanten in Sachen BAföG-Betrug. Das Strafverfahren und die damit verbundene Geldstrafe (oder Auflage bei Verfahrenseinstellung) überrasche manchen Studenten, sagt Linhart. „Sie meinen, dass sie mit der Rückzahlung die Sache bereits vom Tisch hätten.“ Besonders hart kann es angehende Staatsdiener treffen. Ab einer Geldstrafe von 91 Tagessätzen ist man vorbestraft – und die Karriere, zum Beispiel als Lehrer, ist beendet, ehe sie begonnen hat. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) enthält zwar eine eigene Ordnungswidrigkeitennorm, also die Möglichkeit, BAföG-Missbrauch mit Bußgeld statt mit Strafe zu ahnden. „Die Staatsanwaltschaften und Gerichte, insbesondere in Bayern, wenden jedoch strikt den Betrugstatbestand an“, so der Rechtsanwalt. Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel will im Gespräch mit presstige von „hartem Durchgreifen“ nichts wissen: So seien die Verwaltungsbehörden gesetzlich zur Meldung von Verdachtsfällen verpflichtet. Und die Staatsanwaltschaften und Gerichte arbeiteten schließlich unabhängig.

Erste Bürgerpflicht: Anständig dank Oma

Es geht auch sorgenfrei: Nichts zu befürchten haben zum Beispiel jene, deren Oma fleißig – und heimlich – auf ein Sparbuch eingezahlt hat. „Wenn diejenigen persönlich keinen Freistellungsauftrag erteilt haben, passiert gar nichts“, versichert von Saucken-Griebel. Pikante Note am Rande: Wer bisher zwar zu viel Vermögen hatte, jedoch auf den Freistellungsauftrag zur Steuerersparnis verzichtet, fiel beim Datenabgleich nicht auf und kassiert weiter unbehelligt und unrechtmäßig BAföG. Dennoch ist Vorsicht geboten: Zum 1. April 2005 trat das „Gesetz zur Steuerehrlichkeit“ in Kraft, das heimliche Kontoabfragen durch Behörden ermöglicht. Damit kann man auch diesen BAföG-Betrügern auf die Schliche kommen.

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