Die Mutterrolle genießen

Studieren mit Kind ist eine echte Herausforderung

Ein Erstsemester kämpft mit vielen Problemen. Eine Wohnung muss gefunden, ein Stundenplan erstellt werden. Das Geld ist immer knapp, und leider kocht und putzt es sich nicht von alleine. Außerdem strengen die vielen Studentenpartys enorm an.
Lilia, die im ersten Semester Medien und Kommunikation studiert, hat ganz andere Probleme: Die 28-Jährige ist Mutter von zwei Söhnen, Edwin (4) und Oliver (2). Wenn ihre Kommilitonen ausgehen und feiern, bleibt sie daheim.

Von Katharina Buri, Tamara Specht

Tagsüber halten die Jungs sie auf Trab, zum Lernen bleiben nur die Nächte. Deswegen passiert es schon mal, dass sie in einer Vorlesung einschläft. Trotz allem kann sie auch die Sorgen kinderloser Studenten nachvollziehen: „Man hat doch immer genug zu tun, egal ob mit oder ohne Kind.“
Nach einer Ausbildung zur Fachangestellten für Systemgastronomie arbeitete Lilia ein Jahr lang, bevor sie ihre Söhne bekam. „Beide Kinder waren Wunschkinder. Ich genieße meine Mutterrolle“, meint Lilia. Da sie aber ihren Söhnen ein gutes Vorbild und nicht nur Hausfrau und Mutter sein wollte, entschloss sie sich, zu studieren.

Immer Ärger mit dem Wonneproppen

Doch bevor das Semester losging, musste zunächst die Frage der Kinderbetreuung geklärt werden, da ihr Mann ganztags arbeitete. Bei Edwin stellte das kein großes Problem dar, er ging in den Kindergarten. Was aber tun mit Oliver, dem damals 18 Monate alten Nesthäkchen? Auf Grund eines Missverständnisses bekam der Kleine keinen Platz in der studentischen Eltern-Kind-Initiative „Frechdachs“. Daraufhin wandte sich Lilia erfolgreich an die Tagesmuttervermittlung des Augsburger Kinderschutzbundes. Mit dieser Lösung ist sie heute sehr zufrieden: „Die Betreuung durch die Tagesmutter kostet nicht viel und ist flexibler als zum Beispiel „Frechdachs“. Denn dort sind die Betreuungszeiten gerade für mein Studium sehr ungünstig.“ Obwohl sie selbst mit Studium und Kindern voll ausgelastet ist, möchte Lilia gerne ihre Erfahrungen an andere Studenten weitergeben, die vor dem Problem stehen, Studium und Kind unter einen Hut zu bringen.

Nach der Geburt sank der IQ

Nina ist ebenfalls 28 Jahre alt, verheiratet und hat eine Tochter, die zweijährige Kim. Ein Geschwisterchen für die Kleine ist bereits unterwegs. Mutter Nina konnte bereits Studienerfahrungen sammeln. Sie absolvierte ihren Bachelor im Fach „Medienpräsentation“ in den USA, schloss dem noch eine Ausbildung an und arbeitete eine Zeitlang als Selbstständige.
Nachdem das Wunschkind Kim auf der Welt war, merkte Nina schnell, dass die Mutterrolle allein sie nicht ausfüllte. „Ich hatte gelesen, dass der IQ nach einer Schwangerschaft rapide sinkt. Und das fiel mir auch bei mir selbst auf.“ Deswegen suchte sie nach einer Beschäftigung, bei der das Kind nicht zu kurz kommen sollte. Sie beschloss, ihrem Bachelor-Studium einen Master in „Medien und Kommunikation“ anzuhängen. Die Betreuung der kleinen Kim stellte kein Problem dar, denn Ninas Mutter erklärte sich bereit, auf ihre Enkelin aufzupassen. Finanziell brauchte sich Nina auch keine Sorgen zu machen, denn auch ihr Mann ist berufstätig.
Nach gut anderthalb Jahren Studium resümiert sie: „Man muss sehr gut organisiert sein und viel planen.“ Gelernt wird abends, wenn Kim schläft; zu Referatsvorbereitungen und Sprechstunden nimmt Nina ihre Tochter immer mit. Weggehen ist nur ab und zu möglich, wenn der Vater oder die Oma das Kind hüten. Genügend Schlaf bekommt die junge Mutter eigentlich nie, aber sie sagt: „Früher waren lange Kneipenabende ein Grund für zu wenig Schlaf, heute ist es eben das Kind.“
Heute führe sie zwei Leben: Einerseits das Studium, andererseits die Rolle als Mutter. „Kim hat aber immer Priorität. Zum Glück ist sie sehr brav. Also kein Problem, Kind und Studium zu vereinbaren.“

Schon 17 und immer noch ein Zwergenparadies

In einem Punkt sind sich Lilia und Nina einig: Studieren mit Kind ist wesentlich einfacher als Arbeiten mit Kind. Dem stimmt auch Barbara Ehneß, Diplompädagogin und Mitbegründerin der studentischen Eltern-Kind-Initiative „Frechdachs“ zu: „Im Grunde genommen ist das Studium kein schlechter Zeitpunkt, um Kinder zu bekommen. So flexibel kann man seinen Alltag nicht mehr gestalten, wenn man an einen Job gebunden ist.“ „Frechdachs“ gibt es seit 1989. Seit 2001 tummeln sich im hellen, großzügigen Neubau der Krippe täglich 60 Kinder, die in fünf Gruppen aufgeteilt sind. Die Eltern können dabei für einen Monatssatz von 133 Euro zwischen Vormittags- und Nachmittagsbetreuung auswählen. Dass die Kinder, die zwischen einem und 3 Jahren alt sind, nicht den ganzen Tag über bei „Frechdachs“ bleiben können, leuchtet ein: Sie sind noch zu klein, um den ganzen Tag ohne Eltern zu sein. Doch wenn das Studium richtig stressig wird, gibt es noch den Frühdienst und die verlängerte Gruppe. Das Konzept, das hinter „Frechdachs“ steht, ist außergewöhnlich: Der Verein wird komplett von Studenten geführt. Neben administrativen Tätigkeiten putzen die Eltern im Wechsel die Räume. Die regelmäßig stattfindenden Elternabende sollen neben dem Informationsaustausch auch die Kontakte der Eltern untereinander fördern. Partizipation wird groß geschrieben; „Frechdachs“ ist kein Hort, in den man sein Kind einfach „abschiebt“. „Wir verstehen uns als Familien ergänzende Einrichtung“, heißt es.
Das Konzept scheint sich zu bewähren: Die Wartelisten für einen Betreuungsplatz sind lang.

Anlaufstellen für studierende Eltern:
Lilia steht gerne für Fragen zur Verfügung: beierle.lilia@freenet.de
Frechdachs im Netz: www.kindergruppe-frechdachs.de
Tagesmüttervermittlung unter www.kinderschutzbund-augsburg.de

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