Feinschmecker abseits des Mainstreams

Das unabhängige Kino in Augsburg brummt

Hollywood-Kost mit Pommes rot-weiß

„Es muss was passieren in der Kinobranche“, betont Jonathan Rosenwanger, Theaterleiter des CineStar in Augsburg. Mit dem „Hollywood-Scheiß“, der derzeit den Filmmarkt überflutet, kann sich der junge Theaterleiter nicht identifizieren.

Von Jennifer Stanzl

Eine Filmfortsetzung folgt der anderen. SAW 2 sägt gewaltig an den Nerven. Rosenwanger erläutert, dass die großen “Multiplexe abhängig von der Produktion aus Hollywood und den Filmverleihern“ sind. Deshalb sind dem Chef des Filmpalasts die Hände gebunden. Rosenwanger hat sich den Gesetzen des Marktes von Angebot und Nachfrage zu fügen: „Multiplexe sind wie übergroße McDonalds geworden: vorne rein, hinten raus!“ Schmackhafte, aber nicht wirklich gesunde Unterhaltung fürs Kurzzeitgedächtnis! Hat das Kino bereits seine Final Destination (3) erreicht?

Vom Sterben keine Spur: Bissige Kleine

In den drei Spielstätten des Kinodreiecks in Augsburg ist immer etwas los. „Wir bieten anspruchvolles Kinoprogramm in gemütlicher Atmosphäre!“, erläutert Wolfgang Schick, einer der drei Leiter des Kinodreiecks. Das Erfolgsrezept der Kleinen: Auf den sechs Leinwänden von Mephisto, Thalia und Savoy finden internationale Filme, teils in Originalsprache, und kleinere Produktionen eine Leinwand. „Die Mainstream-Filme sind so vorhersehbar, im Gegensatz zu den Unbekannteren aus dem Kinodreieck,“ empfindet Veronica Günther, Fan des unabhängigen Kinos. „Sie bieten definitiv mehr Diskussionspotential für späte Stunden im Thalia-Café,“ bestätigt Freundin Maren Bochinger. Abseits glitzernder Hollywood-Star und stupider Unterhaltung: Filmperlen gibt es auch außerhalb Kaliforniens!

Teurer Spaß: Gegen den Strom

Doch zahlt sich Individualität und thematische Vielfalt wirklich aus?
Die Verleihmiete für eine Filmkopie frisst in der ersten Woche die Hälfte der Einnahmen auf. Erst ab der dritten Woche geht der Kopiepreis auf ca. 38% runter. „Unabhängig von allen Abgaben und den Personalkosten müssen wir bei den kleinen Filmperlen wie z.B. Exil oder Die große Reise drauf zahlen“, beteuert Schick. Auch junge deutsche Filme wie 3 Grad kälter bringen das Kinodreieck nicht in die schwarzen Zahlen. Popcorn und Cola verkaufen sich zwar gut, aber verglichen mit den Multiplexen erbringt der Nebenumsatz nur wenig Geld.

Solidarisch: Wie der Rubel rollt

Wie überlebt dann ein kleines Kino?
„Die gut laufenden Filme wie Match Point, Elementarteilen oder Gernstls Reisen finanzieren die „kleinen“ Filme“, so Schick. Außerdem werden die Filme nicht wie „Wegwerfartikel“ behandelt. Wie einem guten Wein wird ihnen Luft und Zeit zum Atmen gegeben. Das oscarnominierte Drama Wie im Himmel des schwedischen Regisseurs Kay Pollak hat sich in den ersten Wochen sehr schwer getan. „Im Februar und März gehörte der Film zu den stärksten Arthausfilmen und hat nun fast 800.000 Zuschauer in Deutschland“, beschreibt der Schick die erstaunliche Entwicklung.
Das Jahr 2005 brachte Hits wie Sophie Scholl oder Die Geschichte des Weinenden Kamels. Ob die Widerstands-Legende oder eine Nomadenfamilie in der Mongolei thematisiert werden – eines eint all diese Filme: der Anspruch auf Unterhaltung und Bildung zugleich! Auch 2006 hatte bereits einiges zu bieten. Einer der Favoriten ist die humorvolle italienische Tragikkomödie Der Tiger und der Schnee (gestartet Ende März). Mit entwaffnender Naivität und viel Humor wird eine Liebesgeschichte in die Zeit des Irakkrieges gebettet. „Filme bewirken etwas“, schwärmt Kinobetreiber Schick. Eine visuelle Entführung in eine andere Welt: Erkunden fremder Kulturen und anderer Perspektiven.

Das Ende von Hollywood?

Hollywood-Schinken, nein danke! Das wäre eine falsche Devise, meint Schick. „Wenn es einen guten Film gibt, dann zeigen wir den auch.“ Und ganz so hoffnungslos sieht Hollywood auch nicht aus. 7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug und Fluch der Karibik 2 scheinen definitives Lachpotential zu haben, trotz Fortsetzungscharakter. Ist also das Ende des Kinozeitalters in Sicht? Nein! Die Wunderwelt des Films lässt sich nicht so einfach beerdigen. Aber jeden Dreck akzeptiert sie auch nicht. Also Klasse statt Masse bitte – mit einer Prise Salz.

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