Studenten auf Abwegen

Alternativen zum Taxifahren: Trotz Studium in den Traumjob

Vom Lehramt in die Tiefen der Meere, vom Zoo zur Agentur für Arbeit, vom Vatikan in die Lokalredaktion der Augsburger Allgemeinen.
Jeder Student kennt diese plagenden Fragen: Was mache ich hier? Wieso studiere ich überhaupt? Und was will ich eigentlich werden? Gedanken, die sich auch Florian Guthknecht, Susanne Bock und Alois Knoller am Anfang ihrer Karrierelaufbahn machten. Alle drei gingen einen ungewöhnlichen Weg.

Von Jannina Jessen

Inspiration unterm Sternenhimmel

Da Florian Guthknecht nach dem Abi auf die Frage „Was soll ich werden?“ keine rechte Antwort wusste, ist er erst einmal mit seinem Freund Christian verreist, um sich inspirieren zu lassen. Nach längeren Beratungen fiel unter dem jugoslawischen Sternenhimmel die Entscheidung für ein Lehramtsstudium in Deutsch und Geschichte in Augsburg. Nach dem Schulpraktikum stellte sich schnell heraus, dass der Lehrerberuf für Guthknecht nicht in Frage kam. Ein Schicksal, das viele Lehramtsstudenten teilen. „Bei Geschichte gab es ein Stipendium für Florenz, für das ich mich bewerben wollte. Der Professor meinte, dass meine Chancen schlecht stehen: keine Italienisch Kenntnisse und schlechte Noten…“ Das Glück musste nachhelfen. Es bewarb sich niemand für das Stipendium, Guthknecht konnte nach Florenz. Aus Italien kehrte er mit einer neuen Berufsidee zurück und bewarb sich bei allen großen Tageszeitungen für Praktika. Es hagelte Absagen.

Mit Vitamin B unter Wasser

Zufällig traf Florian eine Bekannte seines Freundes Christian. Sie hatte Kontakte zum Südwestdeutschen Rundfunk (SWR). Die zweieinhalb Monate beim Fernsehen wurden zum Schlüsselereignis für Guthknechts Leben. Nach einer weiteren Hospitanz beim Bayerischen Rundfunk (BR) wurde er freier Mitarbeiter. Ab dem sechsten Semester war die Gewichtung klar: Ein Tag studieren, vier Tage Beiträge machen. Nach zehn Semestern machte Guthknecht seinen Magisterabschluss. Beim SWR arbeitete er für das Magazin „Zeiträume“ und für den BR drehte er historische Filme. Prof. Bernhard Schimmelpfennig von der Uni Augsburg betreute einige dieser Projekte und ist außerdem dafür verantwortlich, dass Florian Guthknecht seit 1999 an der Uni Dozent für Fernsehjournalismus ist. Ein Jahr später gründete Guthknecht seine eigene Unterwasser-Filmproduktion Flowmotion-Film in München. Ohne sein Studium wäre Florian heute nicht da, wo er ist. Im Journalismus ist ein Studium mittlerweile ein Muss: „Ich habe das Studium nie bereut. Ich habe gelernt, strukturiert zu denken. Man ist auf sich allein gestellt und lernt zu selektieren. Und im Endeffekt mache ich heute dasselbe wie für eine Hausarbeit: recherchieren.“

Vom Affenhaus ins Arbeitsamt

Da es keine Ausbildung oder Studium mit dem Namen „Zoodirektor“ gibt (vielleicht kommt ja bald der entsprechende Master…), musste Susanne Bock nach Alternativen suchen. Nach dem Abitur wurde gefüttert, geschrubbt, Scheiße weggemacht. Nach drei Monaten Arbeit im Zoo begann Bock auf Ratschlag der Arbeitsamt-Beraterin, in Ulm Biologie zu studieren: „Nach dem vierten Semester wusste ich: Mikroskopieren oder Vögel beobachten ist nicht meins.“ Trotzdem wollte sie das Studium durchziehen. In den Semesterferien arbeitete sie weiterhin im Zoo. Doch auch dort holte sie irgendwann die Wirklichkeit ein. Wer Zoodirektor werden will, muss seinen Doktor machen. Das Thema stand schon fest, aber es gab kein Geld, keine Stelle. Und dazu der Druck der Eltern: „Heute bin ich ihnen dankbar, sonst hätte ich nur weiter rumgeeiert.“ Doch was kann man eigentlich als Diplom-Biologin werden? Es bestand die Auswahl zwischen einer Arbeit im Labor und der Pharmabranche. „Ich schickte einfach ein paar Bewerbungen raus. Nach dem Motto: Dann probieren wir halt mal, eine Stelle zu bekommen.“ Schnell bekam sie eine Stelle als Pharmareferentin bei einem Stuttgarter Unternehmen: zwei Jahre Außendienst. „Irgendwann hatte ich die Nase voll, verkaufen ist nicht jedermanns Geschichte. Mir lag die Beratung und der Umgang mit Menschen.“ Bock erfuhr, dass Berufsberater für Abiturienten gesucht werden. Es folgten neun Monate Ausbildung. Den Job hätte sie ohne abgeschlossenes Studium nicht bekommen. Mit Biologie hat ihr Beruf zwar nichts mehr zu tun, aber durch Studium und die ersten Berufserfahrungen hat sie ihre wahre Berufung „Beratung“ gefunden.

Mit Ratzinger Mittagessen

Die Internetseite des Augsburger Priesterseminars informiert: „Bei diesem Beruf geht es um Berufung; um Sein – nicht bloß um Funktionieren.“ Alois Knoller fühlte sich berufen. In Augsburg begann er, katholische Theologie zu studieren und trat ins Priesterseminar ein. Das bedeutete: 6:30 Uhr Frühmesse, dann Uni, Essen, Uni, Abendgebet, Essen. „Das war eine Lebensform, die ich nicht kannte. Bei meinen Eltern war ich frei, und das Seminar war wie ein Internat.“ Der geregelte Tagesablauf prägte den jungen Studenten. Nach Ende des ersten Semesters verließ Knoller wieder das Seminar. Es folgte der Zivildienst: „Das hat mir für meine persönliche Reife viel geholfen. Zwischen Abitur und Uni braucht man eine Pause für sich selbst, um Erfahrungen zu sammeln.“ Im fünften Semester fühlte Alois Knoller sich wieder zu etwas berufen: „Ich hatte die fixe Idee: Du musst nach Rom.“ Er bewarb sich beim deutschen Priesterkolleg im Vatikan für einen Platz und wurde genommen. Ein Jahr lang lebte Knoller im Vatikan mit Blick auf den Petersdom, aß mit Kardinal Ratzinger zu Mittag und studierte an der Università Gregoriana. Als er zurückkam, schlug er sich mit Wechselgedanken herum. Nach Alternativen suchend, bewarb er sich bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung für ein Volontariat. Seit mehr als 20 Jahren ist Knoller nun schon Redakteur. Er schreibt für die Campusseite und das Kultur-Ressort.

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