Die andere Hochschulkantine

Die Kantine in der früheren Reese-Kaserne serviert Studenten seit fünf Jahren Indie

Freitag abends um halb zwölf reiht sich eine Schlange vor der Kantine in der ehemaligen Reese-Kaserne. Draußen prasselt ein Lagerfeuer und drinnen wird zu „Mr. Brightside“ von The Killers getanzt. Während unter dem Riesenkraken Cocktails gemixt werden, trifft man sich zu einer Partie Tischfußball am Kicker. Es gibt zwar keine Currywurst mit Pommes für 1,50 Euro wie in der Mensa, dennoch steht „Fast Food“ auf dem Programm. Für vier Euro Eintritt bekommen die Gäste Independent-Musik à la carte geboten.

 

Von Nadya Khan

Am 31. März feierte die Kantine ihren fünften Geburtstag. Die Betreiber Sebastian Karner und Jürgen Luphart bauten die ehemalige Kasernenkantine eigenhändig um und statteten siemit einem einzigartigen Look aus. Von der militärischen Atmosphäre ist nichts mehr zu merken, denn die Kantine wurde zu einem Live-Club mit Disco umgestaltet. „Von der Einrichtung ist vieles aus dem Siedlerhof und der Haifischbar wie die Cocktailtheke mit dem Kraken. Die Couchen sind zum Teil gebraucht gekauft und die Deko haben wir von Flohmärkten. Das verleiht der Kantine das Aussehen eines schon ewig bestehenden Clubs!“, weiß der Promoter und Booker Jürgen Endres (34). Er organisiert bereits seit viereinhalb Jahren die Konzerte für den Indie-Club, kümmert sich um die Pressetexte und legt nebenbei als DJ auf.

Ein Herz für Newcomer

Sehr beliebt sind die Konzerte der Kantine, die in Augsburg einer der größten Konzertveranstalter ist. „Pro Woche gehen an die vierzig Bandbewerbungen ein, weil wir auch Bands auftreten lassen, die keinen Mainstream spielen. Wir hatten schon oft Konzerte von Bands, die ansonsten um Süddeutschland einen großen Bogen machen, weil sich kein Veranstalter traut sie zu nehmen. Aber wir holen sie nach Augsburg!“, berichtet Jürgen stolz. Auch Nachwuchs- und Lokalbands bekommen eine Chance als Support der Großen wie „Napalm Death“, „JAMX“ und „Anajo“ zu spielen. Partys wie „Titty Twister“ und „Lovepop“ sowie die Discoveranstaltungen sind über die Grenzen Augsburgs hinaus bekannt. Besonders am Freitagabend finden sich Besucher aus Nürnberg, Ulm, München und dem Allgäu ein. „Gespielt wird Musik aus dem Independent-Bereich wie Punk, Metal und Elektro-Punk, also Underground-Sound an der Schwelle zum Kommerz. Samstags steht neben Drum & Bass und Rock`n`Roll auch Reggae und Cosmic auf dem Programm.“

 

Versetzung ins Casino

Schon lange ist der Umzug der Kantine im Gespräch, denn die ehemalige Reese-Kaserne wird zu einem Kulturpark umgestaltet. Bis Oktober sollen auf dem Gelände von einem Hektar Mieträume für Bands, Tanzgruppen und Vereine sowie Ateliers, Werkstätten und Gebäude für andere Kulturveranstaltungen entstehen. Jetzt steht fest, dass auch die Kantine Teil des „Kulturpark West“ sein wird. „Wir ziehen im Grunde nur ein paar Häuser weiter in das ehemalige Offiziercasino“, freut sich Jürgen, „und alles an Einrichtung, was den Abbau überlebt, zieht mit um. Die Kantine präsentiert sich in Zukunft zweistöckig, wobei auf jedem Floor eine andere Musik gespielt wird.“ In der neuen Kantine soll für über 400 Gäste Platz sein. Auch der Outdoor-Bereich mitsamt Biergarten bleibt bestehen. Insgesamt ist noch viel zu renovieren und auszubauen, denn die Partylaune und die gemütliche Atmosphäre in der Kantine sollen auf alle Fälle erhalten bleiben. „Geplant ist der Umzug bis Ende 2007. Mal schauen, ob wir es bis dahin schaffen“, meint Jürgen. Offensichtlich ist, dass sich die Kantine mit 3000 bis 5000 Gästen pro Monat auch bei Studenten großer Beliebtheit erfreut. „Die Kantine ist der Schuppen für die alternative Szene in Augsburg. Angenehm ist das gemischte Publikum. Da ist zwischen 18 und 35 alles vertreten“, weiß Diplom-Mathe- Student Andreas Meister (24). Auch Miriam Weidenbacher (23), Pädagogik-Studentin, tanzt gerne freitags in der Kantine. „Das einzige Problem ist die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel. Da legt man schon mal einen kleinen Fußmarsch zurück, bis man zur Bahn kommt.“ Wer sich also seine Füße vertreten und die alte Kantine vor dem Umzug noch einmal live erleben will, dem wird bei einem Bierpreis von 2,50 Euro sogar noch Geld für die Heimfahrt mit dem Taxi bleiben.

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