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Brasilien, Indien oder die Türkei hautnah – mit der Studentenorganisation AIESEC ins Ausland

Was sich die Augsburger Studentin Stephanie Möller vor ein paar Monaten noch nicht hätte träumen lassen, tut sie jetzt Tag für Tag: Sie arbeitet bei einer brasilianischen Blindenorganisation. Aufgrund der Unterstützung durch die Augsburger AIESEC-Gruppe ging es mit ihrem sechsmonatigen Praktikum ganz schnell. Die globale Studentenorganisation verlangt zwar keine Mitgliedsbeiträge, eine Vermittlungsgebühr von 250 Euro musste die Medien- und Kommunikationsstudentin für ihr Auslandpraktikum bei Centro Braille aber doch zahlen, bevor es im August losging. Ohne sprachliche Vorkenntnisse, aber mit großer Entschlossenheit kam die Wahl-Augsburgerin in der Stadt Campinas, die im brasilianischen Bundesstaat Sao Paulo liegt, an, wo sich auch ihre Praktikumstelle befindet.

Von Jennifer Stanzl

Bei der Organisation ihres Auslandsaufenthaltes unterstütze Stefanie nicht nur die Augsburger AIESEC-Gruppe, sondern besonders deren brasilianische Schwesterorganisation. Zur Einstimmung gab es einen kulturellen Vorbereitungsworkshop und einen Sprachkurs. Die ersten Tage in der fremden Stadt übernachtete Stephanie bei einem Mitglied der Organisation. Die brasilianische Studentin nahm die Deutsche auch gleich zum Familiengrillabend und auf eine Sambaparty mit. „Ich genoss es, dass ich gleich zu Beginn in Berührung mit den Brasilianern und ihrer Kultur kam“, berichtet die 23-Jährige. So sei ihr das fremde Land schnell zur Heimat geworden.

Grenzenlos: Neu-Delhi, Warschau, Istanbul

Auch die Augsburger BWL-Studentin Franziska Bölke zog es in die Ferne. Im dritten Semester trat sie der Studentenorganisation bei und meldete sich gleich für eine internationale AIESEC-Konferenz in Indien an. Wenige Monate später saß Franziska im Flugzeug nach Neu-Delhi. Fünf Konferenztage mit Workshops und Diskussionsrunden über Themen wie AIDS, Religion oder die Ureinwohner in Neuseeland folgten. „Es berührt dich hautnah, wenn dir eine Kenianerin von ihrem Land und den Problemen mit AIDS erzählt; es ist ein ganz anderes Gefühl als wenn du nur in der Zeitung darüber liest“, erzählt Franziska. Sie war auf dem Treffen eine von 400 Teilnehmern aus der ganzen Welt. Trotz Magenproblemen und ihrer ersten Konfrontation mit Massenarmut, war die BWL-Studentin von ihrer Reise nach Indien begeistert: „AIESEC vereint unterschiedliche Welten an einem Ort.“ Weitere AIESEC-Konferenzen folgten für die 24-Jährige in Warschau und in Istanbul, wo sie immer wieder bekannte Gesichter traf.

Was vor 60 Jahren mit sieben Studenten aus sieben europäischen Ländern begann, ist heute, nach eigenen Angaben, die größte internationale Studentenorganisation mit etwa 23.000 Mitarbeitern in 100 Staaten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es das Ziel der Gründer der „Association Internationale des Estudiants en Sciences Economiques et Commerciales“ soziale und politische Grenzen in Europa zu überwinden. Dieser Grundgedanke des Vereins ist geblieben: „Die Ausbildung von verantwortungsbewussten jungen Menschen, die heute und in zukünftigen Führungspositionen einen Beitrag zur Gestaltung der Gesellschaft leisten sollen.“ So lautet auch die Vision der Augsburger AIESEC-Gruppe, die rund 40 ehrenamtliche Mitarbeiter hat. Jeder der Studierenden ist in einem Ressort wie Marketing, Praktikantenbetreuung, Personalabteilung oder Finanzen untergebracht. Diese Teams zu leiten und zu motivieren ist die Aufgabe des jährlich neu gewählten Präsidenten und seiner fünf Vorstände. So kann sich jeder Ehrenamtliche neben der Teamarbeit auch bei der Organisation eines Projekts engagieren und sich dabei weiterbilden.

„Die persönliche Entwicklung eines jeden Mitarbeiters steht bei uns im Mittelpunkt“, erklärt Roland Mayer, der Präsident von AIESEC Augsburg. Dass hierzu auch viel Arbeit und Zeitaufwand, die Auseinandersetzung mit unmotivierten Mitarbeitern und viel Verantwortung gehören, sehe er eher als Herausforderung und nicht als Frustrationsquelle, erklärt Roland. „Durch AIESEC bin ich in meiner Arbeitsweise kreativer geworden und auch beim Zeitmanagement und dem Umgang mit Menschen habe ich dazu gelernt“, sagt der BWL-Student. Investiert würde in die Mitarbeiter aber auch finanziell. Da der gemeinnutze Verein immer eine schwarze Null anstrebt, würde der jährliche Gewinn in die Reisekosten der Mitarbeiter oder die Gebühren für Konferenzen und Workshops gesteckt. Finanzielle Hauptquelle von AIESEC ist der jährliche Beitrag der sieben Firmen aus dem Förderkreis.

Ehrenamtliches Engagement zahlt sich aus

Zwar werden die Mitarbeiter für ihr Engagement nicht mit barer Münze honoriert, stattdessen würden die engagierten AIESEC-ler mit einer „Tasche voller Erfahrungen“ belohnt werden, findet zumindest Florian Demmler, der zu AIESEC kam, um seine beruflichen Qualifikationen zu erweitern. Schnell wurde der Arbeitslehredidaktik-Student Leiter des Projekts „Networking Dinner“, bei dem im Januar internationale Manager in Augsburg über Führungsqualitäten referieren werden. „Neben organisatorischen Fähigkeiten, lerne ich viel über Teamführung und Teammotivation“, weiß der 24-jährige Projektleiter zu berichten. Das sind die berühmten Soft Skills, die ihm im Studium nicht vermittelt werden.

Max Keller, Vorstand von Keller & Hosp drückt es noch etwas drastischer aus: „Die Zeit bei AIESEC war das Einzige aus meinem Studium, was mir wirklich etwas für das Berufsleben gebracht hat“. Der ehemalige Präsident der Studentenorganisation ist auch heute noch der Organisation als Mitglied im beratenden Kuratorium verbunden.

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