Cosi fan Kartoffelsalatschlacht

Weshalb die neue Intendantin des Theaters Augsburg, Juliane Votteler, selbiges nicht für elitär hält und raus aus dem Schauspielhaus will

presstige: Frau Votteler, Sie sind nun schon seit einiger Zeit neue Intendantin am Theater Augsburg. Spüren Sie noch die langen Schatten Ihres Vorgängers, Ulrich Peters?

Juliane Votteler: Nein, von langen Schatten kann nicht gesprochen werden. Herr Peters hat alles getan, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Es ist ja auch nicht so, dass es böses Blut gegeben hätte. Schließlich ist er an ein sehr gutes Haus (Münchner Gärtnerplatztheater – Anm. der Red.) gewechselt. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass in Augsburg eine „Früher war alles besser“ – Einstellung herrscht.

Von Dominik A. Hahn; Foto: Natalie Stanczak

presstige: Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit den hiesigen Politikern und auch Bürgern gemacht? Schließlich hat Ihr Vorgänger das Theater wieder mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit gebracht. Standen sie Ihnen skeptisch gegenüber?

Juliane Votteler: Natürlich sind die Leute kritisch, aber ich denke, dies ist bei einer neuen Intendanz auch völlig normal. Es ist hier in Augsburg aber schon so, dass viele Kritiker ihren Unmut sehr deutlich kundtun. Aus Stuttgart bin ich diese direkte Art nicht gewohnt. Insgesamt muss ich aber festhalten, dass ich überwiegend positives Feedback bekommen habe. Die bisherigen Premieren kamen gut beim Publikum an, auch die Eröffnungsveranstaltung, zu der alle Augsburger eingeladen waren, um das neue Team kennen zu lernen, war ein Erfolg. Im Übrigen wurde ich auch einstimmig durch den Stadtrat gewählt. Es ist also nicht so, dass ich gegen allerlei Widerstände nach Augsburg gewechselt bin.

presstige: Apropos Stuttgart. Zuvor arbeiteten Sie als Chefdramaturgin an der dortigen Staatsoper. Warum nun ausgerechnet die schwäbische Provinz?

Juliane Votteler: Das kann ich nun gar nicht verstehen. Die Augsburger sollten endlich ihren Minderwertigkeitskomplex ablegen und stolz auf das sein, was sie haben. Das ist eine wunderschöne Stadt, die zugleich überschaubar und dadurch auch liebenswert ist. Immer wird davon geredet, dass sich Augsburg endlich emanzipieren soll. Aber keiner unternimmt etwas! Aber um auf Ihre Frage zu antworten: Trotz meiner zahlreichen Engagements ist die Übernahme einer Intendanz noch einmal eine ganz spezielle Herausforderung. Ohnehin war es mein Traum, für ein Drei-Sparten-Haus zu arbeiten, so wie es nun in Augsburg der Fall ist.

presstige: Was ändert sich unter Ihrer Intendanz? Welche neuen Ideen werden verwirklicht?

Juliane Votteler: Ich glaube der größte Unterschied zu meinen Vorgängern ist die veränderte Regiehandschrift, die aber jeder Wechsel in der Regie nach sich zieht. Wir versuchen, bei jedem Stück stets den Bezug zur heutigen Zeit und aktuellen Problemen und Fragestellungen herzustellen. Das sind wir den Leuten schuldig. Sie zahlen schließlich Eintritt. Da kann ich kein Stück darbieten, mit dem der Zuschauer nichts anfangen kann, da keine Identifikation möglich ist. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass wir aus einem Don Giovanni einen Dieter Bohlen machen, nur um neu oder hip zu wirken. Das zwanghafte Überstülpen möglichst moderner Interpretationen, die aber mit dem Inhalt des Stückes nichts zu tun haben, halte ich für völlig unangebracht. Wichtig ist eher, das Stück auf seine Bedeutung für die heutige Zeit zu hinterfragen. Wobei ich damit nicht sagen will, dass wir alles besser machen. Theater ist schließlich keine Competition.

presstige: Im Rahmen Ihrer Intendanz haben Sie eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Augsburger Hochschulen angekündigt. Wie sieht die konkret aus?

Juliane Votteler: Prinzipiell lautet unser Motto „Raus aus dem Theater“. Wir wollen mit den Bürgern, und speziell mit den Studenten, in Kontakt kommen. So beschäftigen sich zum Beispiel Studenten der Fachhochschule mit einer Plakatserie zu unseren Schauspielstücken. Des Weiteren werden wir die bereits bestehende Kooperation, zum Beispiel bei Rap goes Romeo and Juliet, mit dem Jugendkulturhaus Kosmos in der nächsten Spielzeit zu einem Schauspielprojekt ausbauen. Daneben kann man seit dem 07. Dezember auch die Ausstellung „Szenenwechsel“ im Wandelgang des Großen Hauses begutachten. Dafür haben sich Studenten der Fachhochschule Gedanken über eine mögliche Corporate Identity gemacht. Eine Auswahl der besten Arbeiten ist dann im Theater zu sehen. In Kürze soll es außerdem möglich sein, Karten für das Theater über den AStA zu erwerben.

presstige: Das Theater hat ja nicht unbedingt den Ruf einer Jugendbastion. Welche Altersgruppen kommen denn Ihrer Ansicht nach zu den Vorstellungen?

Juliane Votteler: Nun, hauptsächlich besuchen Schüler und ältere Menschen das Theater. Es stimmt, dass noch ein großes Potenzial bei der studentischen Zielgruppe, aber auch bei den 30- bis 45-Jährigen vorhanden ist. Wir müssen auf jeden Fall alles dafür tun, diese Menschen ins Theater zu locken. Natürlich sind wir uns bewusst, dass oftmals finanzielle Zwänge ausschlaggebend sind. Andererseits liegt es auch an der bisher noch geringen Vernetzung. Ziel ist es, bestimmte Themen nicht allein hier am Haus, sondern auch in den unabhängigen Kinos und an der Uni zu behandeln, um so thematische Verbindungen zu schaffen.

presstige: Kann man immer noch behaupten, das Theater ist ein Medium für Hochgebildete?

Juliane Votteler: Ach, das ist doch ein längst verbrauchtes Vorurteil. Unser Spielplan ist derart breit gefächert, dass für jede Bevölkerungsschicht etwas dabei ist. Wobei ich doch festgestellt habe, dass der Elite-Gedanke im Zusammenhang mit der bildenden Kunst Augsburgspezifisch ist. Aber schauen Sie nur einmal nach Berlin: Dort finden Sie Stücke, die so gar nicht Elite sind. Sie sehen da auch niemanden, der sich mit einem Rüschenkleid ins Theater setzt, weil er ohnehin damit rechnet, etwas von der dort inszenierten Kartoffelsalatschlacht abzubekommen. Insgesamt müssen wir aber dennoch darauf bedacht sein, die vorhandenen Hemmschwellen gegenüber dem Theater weiter abzubauen. Augsburg ist in diesem Zusammenhang wie jede andere Stadt auch. Wir bemühen uns, die Menschen, die hier leben, kennen zu lernen.

presstige: Ein bekannter Münchner Politiker nannte Augsburg wegen der ständigen schwäbischen Quengeleien vor kurzem „Augsburg an der Jammer“. Ein Hindernis bei Projektverwirklichungen für Sie?

Juliane Votteler: Davon, dass alle Augsburger ewige Nörgler sind, habe ich auch schon gehört, kann diesen Eindruck aber nicht bestätigen. Ich frage mich auch, warum das der Fall sein sollte. Augsburg ist eine sympathische Stadt mit einer sehr hohen Lebensqualität. Übrigens habe ich auch schon sehr viele getroffen, die diese Stadt ebenso toll finden wie ich. Und bei der Verwirklichung von Ideen sind mir bisher noch keine Steine in den Weg gelegt worden. Ganz im Gegenteil: Die Augsburger sind für Neues durchaus offen.

presstige: In den vergangenen Jahren wurde immer wieder über ein neues Schauspielhaus spekuliert. Derzeit sind aber einige Umbaumaßnahmen am Theater im Gange. Ist damit die Diskussion beendet?

Juliane Votteler: Das Thema ist – zumindest für mich – durch. Wir haben derzeit mit dem Theater und der Komödie in der Altstadt zwei große Baustellen. So wird am Haupthaus das Dach renoviert, da es in den Backstage-Bereich, der ohnehin von Grund auf saniert werden muss, hineinregnet – ein unerträglicher Zustand für unsere Schauspieler. Daneben werden die Simse erneuert. Es steht also eine Menge Arbeit an. Da würde in Projekt in einer solchen Dimension, wie es ein Neubau wäre, eine furchtbare Last bedeuten.

presstige: Was schaut sich eine Theater-Intendantin eigentlich im Kino bzw. auf DVD an?

Juliane Votteler (lacht): Ach, wissen Sie, ich gehe wahnsinnig ungern ins Kino. Ich verliere mich da immer komplett in den Film und damit den Bezug zur Realität. Während meines Lebens habe ich sicher nicht mehr als 80 Stück gesehen. Vor allem vor Horror-Filmen habe ich eine Heidenangst. Ich lasse mich da sehr leicht erschrecken. Was ich mir aber unbedingt noch anschauen will, ist „Löwen und Lämmer“ mit Robert Redford. Auf DVD lief bei mir zuletzt das Singspiel „Im Weißen Rössl“ mit Johannes Heesters.

presstige: Frau Votteler, vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Zur Person

Juliane Votteler, Jahrgang 1960, studierte Alte und Neue Deutsche Literaturwissenschaft, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft und Philosophie auf Magister an den Universitäten Erlangen, Wien und Frankfurt am Main.

Vor ihrem Engagement in Augsburg war die in Stuttgart geborene und in Braunschweig aufgewachsene Votteler unter anderem in Mannheim, Basel und Hannover tätig. Zuletzt arbeitete sie elf Jahre für die Staatsoper Stuttgart als Chefdramaturgin und Direktorin für künstlerische Koordination.

Votteler konnte sich im Werksausschuss des Stadtrats einstimmig gegen drei Mitbewerber durchsetzen: den Ingolstädter Intendanten Peter Rein, Christian Carlstedt vom Theater an der Wien und Michael Grosse, Generalintendant und Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters und Sinfonieorchesters. Votteler ist auch Hochschulratsmitglied der Fachhochschule Augsburg.

 

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