Der Nächste bitte … Speeddating im Test

Auf der Suche nach der Liebe fürs Leben, oder zumindest nach einem netten Abend – der presstige-Speeddating-Praxistest

Schenkt man den Worten meiner Oma Glauben, so befinde ich mich derzeit in einem Zustand, der fast mit einer nur schwer heilbaren und tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen ist. Ihre Äußerungen kommen meist in Form einer unschuldigen Frage ebenso unvorhersehbar aus dem Nichts geschossen, unverblümt und hüllenlos, als würde sie meine Frisur kritisieren. „Schatz, hast du denn immer noch keinen neuen Freund …?“ Äh, nein, und so schlimm finde ich das auch gar nicht. Lieber frei sein, als eine Beziehung nur aus Gewohnheit zu führen, selbst wenn man manche Blicke meiner vergebenen Freundinnen euphemistisch als bemitleidend bezeichnen könnte.

Von Martina Wengenmeir

Hitch lässt grüßen

Nichtsdestotrotz konnte ich nicht widerstehen, als in der Redaktionskonferenz ein Opfer für einen Speeddating-Selbstversuch gefunden werden sollte. In Filmen wie „Shoppen“ oder „Hitch – der Date-Doktor“ waren solche Situationen und das zufällige Aufeinandertreffen von derart unterschiedlichen Charakteren ja immer zum Totlachen. Zwar waren meine Freundinnen mit ihrem Urteil über die Teilnehmer solcher Veranstaltungen (hässlich, fett, aber vor allem verzweifelt) fast genauso schnell wie Schumis Streckenrekord in Hockenheim. Aber wer weiß, vielleicht sollte ich gerade dort meinem Traumprinz inklusive Gaul begegnen. Der Tag der Wahrheit: Während des Nachmittags noch cooler als Polareis, schlich sich gegen Abend langsam die Nervosität ein. Was anziehen, wie stylen, was sagen? Pumps oder flache Schuhe? Lässig oder chic? Fragen über Fragen … Weit vor der Zeit bin ich als erste in der Location vor Ort. Umso besser, Zeit zu akklimatisieren und alle Eintreffenden zu beobachten. Als ich meine ersten Mitstreiterinnen sehe, bin ich schon mal erleichtert. Keine Spur von Verzweiflung zu erkennen. Beide sind wirklich hübsch und wir können uns die Unsicherheit mit einigen Witzen und Horrorgeschichten von vergangenen Verabredungen nehmen. Jetzt heißt es auf die Männer warten …

Der Countdown läuft

Als dann endlich alle versammelt sind, ist die Spannung förmlich mit Händen zu greifen. Neugierig beäugt man sich. Iris, die Veranstalterin, erklärt uns allen noch einmal die Regeln, bevor alle ihre Plätze an den kleinen Tischchen einnehmen. Acht Frauen und acht Männer. Jeder hat an diesem Abend acht Dates zu meistern. Notizzettel und roter Bogen Papier, auf dem man letztendlich ankreuzen wird, wen man wieder sehen möchte, liegen bereit. Kommt es beim Ankreuzen zur Übereinstimmung, erhält man am nächsten Tag die Telefonnummer oder E-Mailadresse. Mit Einnahme der ersten Sitzordnung ertönt der Gong, gefühlter Puls von 200, es kann losgehen! Mein erstes Date verläuft etwas hektisch. Stefan (Name von der Redaktion geändert) ist 25 und wie ich Student, gut aussehend, auch wenn er nicht ganz meinem Typ entspricht. Ich habe das Gefühl, mir den Mund fusselig zu reden, schließlich sind es nur acht Minuten um den Anderen von sich zu überzeugen und herauszufinden, ob daraus eventuell mehr werden könnte. Ich merke, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Verdammt, mit dem Kopf einer Tomate ist es wohl vorbei mit der Coolness. Aber vielleicht wirkt’s ja wenigstens sympathisch. Wir klappern erst einmal sämtliche Smalltalk-Themen ab, kommen vom Studium über Sport und Hobbys zu Geschwistern und sind uns von Anfang an sympathisch. Würde gerne noch weiter plaudern aber … Gong! Die Zeit ist vorbei und ich muss einen Tisch nach rechts weiterrutschen. Es folgen Gespräche über München, das Pendeln und die Schwierigkeiten, Leute kennen zu lernen, wenn man in der einen Stadt arbeitet und zu Hause in der anderen seine Wochenenden verbringt. Weiter geht es mit Salsa, den Vorteilen des Studentenlebens und einer regionalen Diskussion, ob das Autokennzeichen „AIC“ etwas mit dem Fahrkönnen der jeweiligen Insassen zu tun hat. Die Unterhaltungen variieren von interessantem Meinungsaustausch fern jedweder erotischer Anziehung bis hin zu peinlichen Gesprächspausen, die ich mit belanglosem Geplapper zu füllen versuche. Nach vier Dates bin ich ganz schön erledigt – Halbzeitpause! „Der war doch eigentlich ganz süß …“ – „Was?! Er hat dir genau das gleiche Kompliment gemacht?“ Natürlich ist die Damen-toilette Knotenpunkt für den Erlebnisaustausch.

Kreuz an: Ja, nein, vielleicht?

Tobi, mein erstes Date nach der Pause, hat mir optisch von Anfang an am besten gefallen. Als er von seinem Beruf erzählt, merke ich, dass ich da mit meiner Meinung anscheinend auch nicht alleine bin: Als einige Mädels beim Anstehen in der Pinkelpause von dem „heißen Gärtner“ erzählt haben, dachte ich ja noch an „Desperate Housewives“ und nicht an mein Gegenüber. Der ist nur da, weil er es seinem Kumpel Stefan versprochen hat. Und dem sollte man besser nicht absagen: „Wenn du ne männliche Tussi willst, dann kreuz den Stefan an! Der kann ganz schön gut beleidigt sein.“ Gut zu wissen, aber warum erzählt man(n) so was einer völlig Fremden über einen guten Freund? In den drei letzten Dates passiert neben dem Reden über die Windpocken eines gemeinsamen Freundes wenig Spektakuläres. Außer vielleicht der Erkenntnis, dass mein Date Adrian in dem Jahr aufs Gymnasium kam, als ich geboren wurde. Am Ende steht für einen Menschen wie mich, der sich selbst beim Bäcker nicht unter 10 Minuten entscheiden kann, eine schwere Aufgabe an. In Gedanken lasse ich den Abend Revue passieren. Wer hat gleich noch mal was gesagt? Wen soll ich bloß ankreuzen und wie viele Kreuze setzen? Es erinnert ein wenig an die Grundschule. Nur dass es diesmal anders als bei den damaligen Briefchen mit der Frage: „Willst du mit mir gehen?“ kein „vielleicht“ zum Ankreuzen gibt. Als Letzte stecke ich den roten Bogen in den Umschlag und klebe zu. Vor dem Lokal steht noch ein Grüppchen Mädels, die versuchen ein abschließendes Urteil über den Abend zu fällen bevor sie sich voneinander verabschieden. „Lustig war es auf alle Fälle“, meint die eine. „Ja, und wir haben uns getraut.“ – „Eben, und schau mal, wie viele Leute können von sich behaupten, acht Dates an einem Abend gehabt zu haben?“

E-Mail für mich

Fast vor Neugier platzen könnte ich, als ich am nächsten Abend eine Mail von Iris in meinem Postfach finde. „Liebe Martina, schön, dass du gestern dabei warst, hast alle deine Dates bekommen.“ Yes! Natürlich muss das noch lange nichts zu bedeuten haben, am vorigen Abend herrschte ja Ausnahmezustand. Jetzt gilt es erst einmal in der Realität zu prüfen, ob die Sympathie wirklich anhält und man bald auf Wolke sieben schwebt oder ob man vielleicht nur einen neuen Tennispartner gefunden hat. Trotzdem gibt diese Bestätigung einen ganz schönen Kick fürs Selbstbewusstsein. Und der lässt einen locker darüber hinwegsehen, wenn Omi einmal mehr kritisiert, dass mein Pony viel zu fransig ist und die Haarfarbe mich krank aussehen lässt.

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