Interview mit Felix Senner

Ein Gespräch über die anstehenden Uniwahlen, studentische Mitbestimmung und ein paar Millionen Euro, die auf dem Augsburger Uni-Campus einfach herumliegen.

Von Reiner Schmidt

Felix Senner ist der „studentische Vertreter in der erweiterten Universitätsleitung“. Man könnte auch sagen: Er ist der Student, auf den die Universitätsleitung hört. Als Einziger von knapp 17.000 Studierenden an der Augsburger Uni hat er in der erweiterten Universitätsleitung (EULe) und im Universitätsrat eine Stimmberechtigung. Auch wenn er zur Wahl am 6./7. Juli nicht mehr für dieses Amt antritt, sollte er am besten wissen, warum studentische Mitbestimmung wichtig ist. Deshalb hat sich presstige mit ihm getroffen.

Das Interview führte Reiner Schmidt.

presstige: Warum soll ich zu den Uniwahlen gehen?

Senner: Du musst deine demokratische Pflicht wahrnehmen und für deine Interessen mindestens zur Wahl gehen. Denn die Studierendenvertretung hat wichtige Aufgaben in der Universitätspolitik: Sie verteilt jedes Jahr 10 Mio. Studiengebühren und vertritt die Studierenden in den Gremien, zahlreichen Kommissionen sowie in der Universitätsleitung und im Universitätsrat. Es ist wichtig, dass dort kompetente Leute sitzen, die für die Studierenden eintreten und nicht Ja-Sager.

presstige: Dazu gleich eine Nachfrage: Sitzt in jedem Entscheidungsgremium ein Studierender?

Senner: Ja, es sitzt in jedem Entscheidungsgremium mindestens ein Studierender: In den Kommissionen sitzen zwei und in der Fakultätsleitung sitzen ebenfalls zwei. In der EULe und dem Universitätsrat sitzt jeweils nur einer. […]

presstige: Warum sitzt mit dir ausgerechnet in den höchsten Entscheidungsgremien, erweiterte Universitätsleitung und Universitätsrat, nur ein studentischer Vertreter?

Senner: Es gibt an der Universität vier Gruppen: Professoren, akademischer Mittelbau (Bezeichnung für alle Angestellten, die wissenschaftlich arbeiten, aber keinen Lehrstuhl innehaben; Anm. der Redaktion), das wissenschaftsstützende Personal und die Studierenden. Die drei nicht professoralen Gruppen haben jeweils einen Vertreter mit einer Stimme. Die Professoren müssen laut Gesetz in den Gremien immer die absolute Mehrheit haben.

presstige: Eine Kommilitonin meinte vor kurzem zu mir: Ich kann schon wählen gehen, aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass es egal ist, wo ich mein Kreuz setze. Da brauche ich gar nicht wählen gehen. Was würdest du ihr sagen?

Senner: Die Studierendenvertretungen und die studentischen Initiativen gleichen sich in vielen Punkten, aber die Herangehensweise und die Kompetenz der einzelnen Leute sind unterschiedlich. Es ist ein Unterschied, ob der Gewählte mit einer Contra-Haltung hineinkommt oder ob er eine kritische Zusammenarbeit anstrebt. Das war unser Ziel und das funktioniert: Wir haben die Studiengebühren gesenkt. Außerdem schaut es gut aus, dass wir mehrere Millionen Restmittel, die [an der Universität] herumliegen, zurück in die Vergaberunde bekommen. Und die Dekane und Universitätsleitung haben unsere Meinung  sehr ernst.

presstige: Wie soll der normale Studierende erkennen, wer von den zu Wählenden contra ist und wer kritisch?

Senner: Indem er sich informiert. Er kann sie fragen, er kann sich die Wahlprogramme anschauen. Er kann zu den öffentlichen Konvent- und AStA-Sitzungen kommen oder er kann sie in der Cafete ansprechen […]

presstige: Aber ein Student geht wahrscheinlich nur dann zur Wahl, wenn ihm die Information “mundgerecht” präsentiert wird.

Senner: Das ist richtig. Es gibt Probleme, die Studenten zu politisieren und sie zu informieren. Wir versuchen dem entgegenzuwirken, indem wir eine eigene Zeitung herausgeben, das Universum. Sie erscheint monatlich und informiert über die aktuellen politischen Themen [an der Universität]. Dann gibt es einmal im Semester die Vollversammlung, zu der jeder Studierende kommen, sich informieren und Fragen stellen kann. Dazu gibt es verschiedene Informationsveranstaltungen der studentischen Räte, die an jeder Fakultät sitzen. Alle Sitzungen sind öffentlich. Wenn sich jemand informieren will, kann er  zur Sitzung kommen.

presstige: Im Universum (Ausgabe Mai 2011) stand, dass der AStA eine neue Informationspolitik verfolgen will. Das neue „Universum“ (Das Universum gibt es schon länger, aber im Mai 2011 erfolgte eine Umgestaltung, Anm. der Redaktion) gehört sicher dazu, aber gibt es mehr neue Angebote? Sonst sehe ich schwarz für mehr Wahlbeteiligung.

Senner: Wir haben neu einen Facebook-Verteiler. Dort sind wir mit 1000 Leuten befreundet, die bekommen unsere Informationen jeden Tag auf ihre Facebook-Seite. Dann wird bald ein Blog erscheinen, in dem Studierendenvertreter über wichtige Themen Einträge schreiben können. Und es gibt noch die Website des AStA, auf der wir Pressemitteilungen und wichtige Neuigkeiten veröffentlichen. […]

presstige: Der Wahlgang scheint ein Problem zu sein. Ich glaube, dass sich ein Teil der Leute von den Wahlen abschrecken lässt, weil sie nicht wissen, wie sie wählen sollen.

Senner: Aber kann das denn so schwer sein? Man geht doch auch zur Kommunalwahl, oder?

presstige: Ich denke, dass die Leute, die sich davon abschrecken lassen, wahrscheinlich auch nicht zur Kommunalwahl gehen.

Senner: Dann ist es aber ein gesellschaftliches Problem

presstige: Man sollte sie doch für die Uniwahlen begeistern können, weil sie dort Ergebnisse sehen können.

Senner: Ich bin jetzt Studierendenvertreter und wir versuchen sehr die Studierenden zu politisieren und zu informieren. Wir sind natürlich nicht die Einzigen, die das in der Vergangenheit versucht haben. Es ist, wie wir merken, sehr schwer. Meine Einschätzung ist, dass es ein gesellschaftspolitisches Problem ist. Es ist heutzutage einfacher, dden Fernseher anzuschalten und irgendetwas zu konsumieren, anstatt sich selbst zu engagieren […]

presstige: Gib mir zwei bis drei Beispiele, an denen ich sehen kann, wie sich wegen dir oder der Studierendenvertretung etwas verbessert haben. Mir ist klar, dass ihr, als einzige Studierendenvertretung in Bayern, über die Vergabe der Studiengebühren mitentscheidet, aber was geht darüber hinaus? Die Vergabeentscheidungen sieht man ja nicht direkt.

Senner: Richtig, das ist eine Verwaltungsaufgabe und keine politische. Die politische Arbeit in dieser Amtsperiode war zum einen die Senkung der Studienbeiträge. Das kommt in Bayern nicht so wahnsinnig oft vor. […] Und noch einmal zu den Restmitteln: Da war schon die Studierendenvertretung vor uns dran und jetzt sind wir einigermaßen erfolgreich: An unserer Universität liegen fast vier Mio. Euro gezahlte Studiengebühren,die nicht ausgegeben wurden.

presstige: Kurze Nachfrage: Wieso sagst du vier Mio. und im Universum (Ausgabe Mai 2011) steht nur etwas von 1,5 Mio. Euro?

Senner: Da muss man unterscheiden: Es gibt die Studienmittel auf zentraler Ebene. Das sind ungefähr 1,2 bis 1,5 Mio. Euro, dazu kommen die auf fakultärer Ebene. Die sind sehr viel höher. Wir haben nicht alle Zahlen, aber die, die wir haben, übertreffen bei weitem die Zahlen auf zentraler Ebene. Es ist eine geschätzte Zahl, aber sie dürfte an vier Mio. herankommen. Beispielsweise spart Jura seit 2007 500.000 Euro, um einen Neubau zu finanzieren. Ich weiß zum Beispiel auch, dass an der Phil-Soz.-Fakultät über 800.000 Euro herumliegen. [Nach der Veröffentlichung des Interviews revidierte Senner diese Angabe und gab als Wert 100.000 Euro an, Anm. d. Red]

presstige: Und dieses Geld wollt ihr jetzt zur Sofort-Ausgabe bringen?

Senner: Wir möchten die Gelder wieder zurück in der Vergaberunde haben und sie zur Verbesserung von Studium und Lehre einsetzen.

presstige: Zu den Zahlungen bei Jura: Ihr sagt, für den Bau von Gebäuden dürfen keine Studienbeiträge vorgesehen werden. Ist das richtig?

Senner: Das haben in der Vergangenheit Studierendenvertreter an der Jura-Fakultät anders gesehen, aber der Freistaat Bayern sagt, dass sie dafür nicht vorgesehen werden dürfen.

Ein weiteres Feld, auf dem wir übrigens tätig waren, ist die Öffentlichkeitsarbeit. Dort sehen wir einen Punkt, an dem wir arbeiten können, um die Studierenden besser zu informieren. Wir hatten verschiedene Auftritte im Radio, bei Kanal C, aber auch in größeren regionalen Radiosendern. Außerdem waren wir beim Bayerischen Rundfunk im Fernsehen sowie auf Augsburg TV und verschiedene Zeitungen haben über unsere Arbeit berichtet. Wir versuchen über diesen Weg eine bessere Wahrnehmung bei den Studierenden zu erreichen.

Presstige: Vielen Dank für das Interview.

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