Am Anfang war das Wort – Deutschunterricht für Flüchtlinge

Sich in einem fremden Land zu verständigen, dessen Sprache man nicht beherrscht, gleicht einem Pantomime-Spiel. Für viele Flüchtlinge sind solche Schwierigkeiten trauriger Alltag. Das „Beratungs- und Integrationszentrum für Flüchtlinge in Augsburg und Schwaben“ bietet diesen Menschen die Chance, Deutsch zu lernen.

Von Marieke Schöning – Fotos: Martje Rust

Fast 1000 Asylsuchende leben in Augsburger Gemeinschaftsunterkünften. Sie kommen aus Afghanistan, Somalia, dem Irak und anderen Ländern, in denen Flucht für viele Menschen die letzte Hoffnung auf ein besseres Leben ist. Doch die Integration ist ein harter Weg. Das Leben spielt sich in den Unterkünften ab, das erste Jahr ist man durch ein absolutes Arbeitsverbot gebunden.

Wann ist ein Mann ein Mann?

Am härtesten trifft dieses Verbot die Männer. Viele geben ihren Status als „alleinreisend“ an, was aber keinesfalls „alleinstehend“ bedeutet. Frau und Kinder warten im Heimatland darauf, nachkommen zu dürfen. Diejenigen, die ihre Familie bereits mitnehmen konnten, stehen hier oft ohne Aufgabe da. Flüchtlingskinder sind in Deutschland vom ersten Tag an schulpflichtig. Frauen bieten Spielplatz oder Gemeinschaftsküche neben der Betreuung von Nachwuchs und Haushalt die Chance auf ein soziales Netzwerk. Männer haben es da schwerer, ihnen fehlt eine wirkliche Aufgabe und damit die Perspektive.

Deutsch lernen – aber wo?

Auch nach Ablehnung ihres Asylantrags können Flüchtlinge zum Teil nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Entweder fehlen gültige Papiere oder es ist auf Grund der politischen Situation im Herkunftsland nicht zumutbar, die Menschen auszuweisen. Dennoch bleibt diesen sogenannten „geduldeten Flüchtlingen“ der Zugang zu staatlich geförderten Sprachkursen verwehrt. Mit Hilfe ehrenamtlicher Dozierender versucht das Integrationszentrum in Augsburg diese Lücke zu füllen. Die Institution ist ein Kooperationsprojekt der Diakonie Augsburg, der Caritas, des gemeinnützigen Vereins „Tür an Tür e.V.“ und der Regierung von Schwaben. „Alle können teilnehmen“ – Das ist laut Margot Laun, der Freiwilligenkoordinatorin, das Credo des Zentrums.

Herausforderung Alphabetisierung

Neben Deutschkursen für Fortgeschrittene werden mehrmals wöchentlich auch Alphabetisierungskurse angeboten. Viele Flüchtlinge haben noch nie eine Schule besucht, anderen sind unsere lateinischen Buchstaben nicht vertraut. Interesse besteht, das zeigen nicht nur die Besucherzahlen der Informationstage. Während im Herbst 66 Personen das Angebot wahrgenommen hatten, waren es Ende Januar dieses Jahres schon 135 Menschen. Es mangelt jedoch an freiwilligen Dozierenden. Mit Studenten hat Margot Laun gute Erfahrungen gemacht. Besonders Freiwillige die das Fach Deutsch als Zweit- und Fremdsprache oder auch Deutsch auf Lehramt studieren, seien qualifiziert. Prinzipiell spiele das Studienfach aber nicht die ausschlaggebende Rolle. Wichtig ist eine reflektierte Grammatik, denn es reicht nicht zu wissen, dass etwas falsch ist – man muss Fragen nach dem Warum beantworten können. Am meisten kommt es allerdings auf Offenheit, Kreativität und Toleranz an.

Ein Musterbeispiel für Interkulturalität

Das sieht auch Natalie Klitni so. Die ehemalige Schauspielerin kommt aus der Ukraine und hat in Augsburg Pädagogik, Psychologie und Deutsch als Zweit- und Fremdsprache studiert. Seit über einem Jahr sammelt sie praktische Erfahrungen im Integrationszentrum. „Ich habe Vorurteile“, gibt sie zu. Besonders manche Sitten aus der arabischen Kultur seien ihr fremd. „Aber ich versuche, diesen Problemen aus dem Weg zu gehen, nicht mit dem Problem zu kommunizieren, sondern mit der Person.“

In ihren Kursen schaffen die Dozierenden einen Mikrokosmos, einen transkulturellen Raum, in dem auch schon mal das Kopftuch abgenommen wird. Natalie hat gemerkt, dass die Kurse nicht nur die Deutschkenntnisse der Menschen, sondern auch ihre Lebensqualität verbessern. Sie gibt aber auch zu bedenken, dass die Arbeit Stärke und Verständnis erfordert, denn die persönlichen Geschichten der Flüchtlinge seien oft tragisch. Die erworbenen interkulturellen Kompetenzen und das Unterrichten sind allerdings von unschätzbarem Wert. Jedem, der international arbeiten möchte, empfiehlt Natalie sich im Integrationszentrum zu engagieren:„Wenn du es hier geschafft hast, ist es anderswo so viel leichter.“

Do it – für andere und für dich!

Jeder Kurs läuft ein Trimester lang, für das zwar der Lernstoff, nicht aber die Umsetzung vorgegeben ist. Freies Reden soll aber das Hauptthema sein, weswegen der Unterricht sehr aktiv und praxisbezogen ist. Die Dozierenden gestikulieren viel und üben mit den Teilnehmern die Aussprache. Oft müssen sie spontan reagieren, damit sie auf Fragen und Wünsche ihrer Schüler eingehen können. Um sie weiter zu motivieren, wird Deutsch zu Beginn möglichst einfach und anwendbar vermittelt.

Neben regelmäßigen Deutschkursen kann man sich auch in einer Sprachpatenschaft oder in der Nachmittagsbetreuung von Flüchtlingskindern engagieren. Auch werden immer ehrenamtliche Dolmetscher für die Sprachen Arabisch, Persisch und Somali gesucht. Für Behördengänge sind englische und französische Muttersprachler eine große Hilfe.

Wer Interesse anspannendem und herausforderndem Engagement auf einem gesellschaftspolitisch sehr aktuellen Gebiet hat, sollte Kontakt zum „Beratungs- und Integrationszentrum für Flüchtlinge in Augsburg und Schwaben“ aufnehmen. In manchen Fächern können Praktika angerechnet werden und auch das „Do it!“-Programm des Career Service kooperiert mit „Tür an Tür e.V.“.Hier kann man etwas bewirken – für andere und auch für sich selbst!|

Infokasten

Kontakt:

Margot Laun

Freiwilligenkoordination des Beratungs- und Integrationszentrums für Flüchtlinge in Augsburg und Schwaben

Schießgrabenstraße 14

86150 Augsburg

Tel (08 21) 45 54 29-23

margot.laun@tuerantuer.de

Verein Tür an Tür e.V.

http://www.tuerantuer.de/

„Do it!“-Programm des Career Service

http://www.uni-augsburg.de/einrichtungen/career-service/studierende/do_it/

Bild 2 von 3

Schreibe einen Kommentar