Eine Gartenvorstadt in Augsburg: zu Besuch im Thelottviertel

Als Geheimtipp gilt in Augsburg ein kleines, beschauliches Viertel. Es befindet sich erstaunlich nahe am Zentrum und ist doch ruhig gelegen. Gleichzeitig strahlt es einen gewissen Charme und Wohnqualität aus. Schmiedeeiserne Gitter säumen hier Vorgärten und hohe Bäume; und auch an den Häusern gibt es einiges zu entdecken: hier einen Erker, dort ein ovales Fenster, hier einen Turm, dort eine Loggia – willkommen im Thelottviertel.

Von Maria Hennl

Nicht weit von der Innenstadt entfernt befindet sich zwischen Hauptbahnhof und Rosenaustadion das Thelottviertel. Nur wenige Gehminuten vom Viertel entfernt liegt die Straßenbahnhaltestelle „Kongresshalle“ der Linie 1 in Richtung Göggingen. Von dort aus führt die Rosenaustraße bis zur Thelottstraße, dem Eingang des Viertels.

An der rechten Seite zieht ein Gasthaus mit Biergarten den Blick auf sich. Hier, wo sich heute ein mexikanisches Restaurant befindet, bewirtete einst die „Lenzhalde“ ihre Gäste. Das Gasthaus gehörte zu den ersten Gebäuden, die im Viertel erbaut wurden. Dies hatte einen praktischen Grund: Die Bauarbeiter fanden in der „Lenzhalde“ Unterkunft und Verpflegung.

Die „Bucheggersche Einfamilienhäuser-Colonie am Rosenauberg“

Das Thelottviertel wurde in den Jahren 1905 bis 1914 vom Architekten Sebastian Buchegger (1870-1929) und seinem Mitarbeiter Heinrich Sturzenegger (1881-1961) erbaut. Kurz nach der Jahrhundertwende waren in Augsburg moderne Wohnungen und Einfamilienhäuser rar. So erstellte Buchegger den Plan, am Rosenauberg eine „Einfamilienhaus-Colonie“ zu erbauen. Der Baugrund bot zwei Vorteile: Zum einen lag er nahe am Stadtzentrum, zum anderen würde hier, nach Bucheggers Vorstellung, Wohnen im Grünen möglich sein. Benannt wurde das Viertel nach dem Augsburger Goldschmied Johann Andreas Thelott (1654-1734), der auch als Zeichner und Kupferstecher bekannt war.

Nach und nach entstanden im Viertel Einfamilien-, Reihen-, aber auch Mehrfamilienhäuser. Hier am Eingang des Viertels fällt ein großer Wohnbau auf, der aus zwei verschiedenen Häusern besteht. Das Haus besitzt nicht nur zwei unterschiedliche Giebelformen: Während die linke Hausseite grau gestrichen ist, strahlt die rechte in einem hellen Gelb. Trotzdem lassen sich einige Gemeinsamkeiten entdecken: die hohen, grünen Fensterläden, die die weißen Sprossenfenster umrahmen, sowie die weißen Balkone, die fast die vollständige Hausseite einnehmen.

Auf der rechten Seite sind die ersten Reihenhäuser zu entdecken. Im Gegensatz zu anderen Reihenhaussiedlungen, bei denen der gleiche Haustyp monoton aneinandergereiht ist, gleicht hier kein Haus dem anderen. Verschiedene Dachformen und unterschiedliche Fassadengestaltungen mit Erkern, Balkonen und Türmchen bieten nicht nur Abwechslung, sondern vereinen sich auch zu einem malerischen Erscheinungsbild.

Da bei der Straßenplanung die Geländesituation berücksichtigt wurde, entstanden im Viertel abwechslungsreiche Straßenbilder. An dem kleinen begrünten Platz inmitten der Thelottstraße eröffnen sich verschiedene Perspektiven. Von hier aus bieten sich sowohl Einblicke in die gewundene Thelottstraße als auch in die Gossenbrot- und die Rottenhammerstraße, in denen sich weitere unterschiedlich gestaltete Häuser befinden.

Einmal Hausherr sein im Thelottviertel

Wer sich als Besucher des Thelottviertels auch für das Innenleben der Gebäude interessiert, hat in einem dunkelroten Haus mit weißen Sprossenfenstern, dunkelgrünen Spaliergittern und einem großen Garten in der Thelottstraße 11 Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Hier, wo einst Sebastian Buchegger mit seiner Familie wohnte, befindet sich heute das Architekturmuseum Schwaben. An das Wohnhaus erinnern noch alte Lampen und Möbel. In der holzvertäfelten Wohndiele, die Buchegger als Warteraum für seine Klienten nutzte, und in den angrenzenden Räumen werden heute wechselnde Ausstellungen über die Architektur Schwabens und Augsburgs gezeigt.

Ein Hauch von Großstadt im Gartenviertel

Der weitere Weg des Spaziergangs führt in Richtung Norden zum Sebastian-Buchegger-Platz, wo sich heute noch etwas von der Großstadteuphorie der Jahre 1910 bis 1914 erahnen lässt. In diesem Bereich des Viertels wurde der dörfliche Charakter des südlichen Teils nicht weitergeführt. Stattdessen entstand rund um den Platz ein modernes Wohnviertel mit großen, herrschaftlichen Wohnungen in hohen Geschossbauten. Auch hier laden unterschiedliche Giebelfronten sowie zahlreiche Erker, Balkone und bemalte Fensterläden zum Betrachten der Häuser ein.

Die ursprüngliche Gestaltung der einzelnen Häuser lässt sich noch vielerorts erkennen, wenn sich auch an einigen Stellen Neubauten zwischen die Häuserzeilen geschoben haben. Weiße Sprossenfenster, farbig gestrichene Spaliergitter, bunte Fensterläden und hohe Bäume scheinen hier die Zeit stillstehen zu lassen. Ein entspannter Spaziergang durch dieses Viertel lohnt sich an einem sonnigen Nachmittag also allemal!

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