Schreiben und schreiben lassen – Ghostwritern auf der Spur

Hausarbeit, Seminararbeit, Bachelorarbeit. Eins verbindet diese Wörter: Die Arbeit – nervenaufreibend, anstrengend und vor allem eigenständig. Es sei denn, jemand anders übernimmt das Schreiben für dich: Der Ghostwriter.

Von Sophia Druwe

Ich bin auf der Suche nach einem Ghostwriter. Natürlich nicht für mich, nein! Um der Guttenberg-Affäre Genüge zu tun, möchte ich für presstige Kontakt zu einer dieser anonymen Gestalten aufnehmen. Doch was genau ist überhaupt ein Ghostwriter? Die Literaturwissenschaftlerin Ulrike Mielke definiert ihn so: „Ein Schreiber, der Texte im Auftrag eines anderen verfasst, fremdorientiert arbeitet und dabei anonym bleibt oder zumindest seinen Anteil am Text verschweigt.“ So findet man Ghostwriter in verschiedenen Bereichen: Als Redenschreiber (etwa für Politiker), bei Autobiographien, in der Literatur an sich und in der Wissenschaft. Für Studenten ist letzteres am interessantesten.

Spurensuche an der Uni

Ich betrete das Hörsaalzentrum um genau 11:54 Uhr. Zielstrebig laufe ich zu den Pinnwänden mit den verschiedenen Aushängen. Mein Plan: So viele Aushänge à la „wir schreiben deine Arbeit“ wie möglich einzusammeln und Kontakt zu den geheimen Schreiberlingen aufzunehmen. Zwischen den Zetteln „Suchen Clown in Einkaufszentren“ und „Praktikum in der Karibik“ werde ich fündig. Quietschgelb sticht es mir ins Auge: „Germanistin (Dr. phil) mit Verlagserfahrung korrigiert Master- und Bachelorarbeiten“. Der gelbe Abriss landet in meinem Rucksack. Korrigieren ist zwar nicht gleich Ghostwriting, aber es geht zumindest in die richtige Richtung. „Lektorat für wissenschaftliche Arbeiten“, juhu, der zweite Abriss. Neben „Bassist für Modern-Metallband gesucht“ finde ich den dritten und leider auch schon letzten Anbieter. Auf dessen weißen DIN A4 Blatt sind kleine Visitenkarten in Klarsichtfolie verpackt. Sehr ansprechend sieht das aus. Humorvoll scheint die Lektorin auch zu sein: Mit „Hier werdet ihr geholfen“ endet ihr Angebot. Zudem sind von dieser Dame Name, Adresse und Homepage angegeben. Die Visitenkarte lege ich sorgsam in meinen Rucksack. Jetzt schnell nach Hause und Kontakt aufnehmen.

E-Mail für dich, Ghostwriter!

Gar nicht so einfach, eine E-Mail an einen (vermeintlichen) Ghostwriter zu verfassen. Die Beute von drei Aushängen in der Uni ist mager. Daher schicke ich meine Mail noch an drei weitere anonyme Schreiber, die ich im Internet auftreibe. Dabei stelle ich fest, wie einfach es im Ernstfall wäre, eine schreibende Hand zu beauftragen. Einfach Ghostwriting in die Suchmaschine eingeben, schon kann man sich mehr oder weniger aussuchen, wen man engagieren will. Vielleicht noch ein kleiner Preisvergleich hier oder ein Sympathiewechsel zu einem anderen Anbieter da. Auf die sechs E-Mails, die ich verschickt habe, bekomme ich zwei Antworten. Das ist wenig, aber schließlich bestimmt Diskretion das Geschäft. Eine davon ist von Dr. Ronald Roggen aus Hamburg, der den Blog www.scriptondemand.com betreut. Etwa zehn Anfragen für wissenschaftliche Arbeiten gehen pro Monat bei ihm ein. Garantieren kann er als Ghostwriter für eine gute Note nicht. Es gibt keine Geld-zurück-Garantie. „Dem Auftraggeber wird insofern ein gutes Ergebnis garantiert, als verschiedene Qualitäten zugesichert werden: Sprachliche Korrektheit (Orthografie, Grammatik, Stil), Aufbau und Quellenapparat gemäß Vorgaben, Bearbeitung nach wissenschaftlichen Kriterien, einwandfreie Logik und Gedankenführung“, so Roggen. Je nach Niveau der Arbeit berechnet er zwischen 80 und 100 Euro pro Stunde. Anfragen bekomme Roggen von Studierenden fast aller Studiengänge, außer von technischen und medizinischen Fächern, „wo man auf Ghostwriting offenbar nicht ohne weiteres eingehen will“. Auch interessant: Weibliche Studierende würden seiner Erfahrung nach häufiger die Schreib-Hilfe bei ihm in Anspruch nehmen, als männliche.

Die zweite Antwort bekomme ich von der Lektorin – Die mit den witzigen Visitenkarten. Als „Student in der Breduille“ wurde sie zur Ghostwriterin. Sie arbeitet jetzt hauptberuflich als (Werbe-)Texterin und Lektorin. Die Honorare, die sie für das Texten, etwa von Diplomarbeiten aus nahezu allen möglichen Bereichen von Informatik bis Psychologie verlangt, werden, individuell vereinbart.

Mein Fazit: Hätte ich wirklich vorgehabt einen Ghostwriter zu engagieren, wäre ich ohne großen Aufwand schnell zum Erfolg gekommen.

Geht das nicht auch ohne?

Zeitdruck. Leistungsdruck. Alles Ausreden! Wenn man es an der Uni nicht schafft damit umzugehen, wann dann? Hinzu kommt, dass man sich durch Ghostwriting strafbar machen kann. Denn wenn man für eine Arbeit eine eidesstattliche Erklärung unterschreibt, versichert man, dass die Arbeit aus der eigenen Feder stammt. Vom schlechten Gewissen einmal ganz abgesehen. Da fühlt sich doch eine eigenhändig geschriebene 4,0 viel besser an als die teuer erkaufte 1,0. Und bekanntlich währt ja ehrlich sowieso am längsten.

P.S.: Selbstverständlich habe ich diesen Artikel selbst geschrieben!

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