Ich bin dann mal pflanzen…

Nicht jeder in unserem Alter studiert. Etwa ein Bekannter von mir, ich nenne ihn mal Cheffe. Der ist Landwirt und hat Felder in der norditalienischen Region Venezien. Jeden Sommer werden dort Erdbeeren gepflanzt. Dieses Jahr auch von mir.

 

Von Sophia Druwe

Jeden Tag draußen unter der Sonne Italiens und dabei noch Geld verdienen – mit ein bisschen Handarbeit, sind ja nur 14 Stunden pro Tag. Vielleicht hätte ich die Reaktion meiner Freunde („Bist du verrückt?!“) ernster nehmen sollen. Aber ich bin nicht allein, auf der Zugfahrt nach Italien lerne ich meine „Pflanzer-Kollegin“ Kadel kennen, eine Freundin von Cheffe.

Motivation: 100 Prozent!

Erst mal langsam anfangen. Um 9 Uhr stehen wir in unserem neuen Zuhause für die kommende Woche: Erdbeerfeld. Oder bis dato nur ein Feld, das bepflanzt werden soll. Cheffe fackelt nicht lange, sondern zeigt uns sofort unseren Einsatzort: Ein Traktor mit Pflanzmaschine dahinter. Vor jedem der beiden Sitze rotiert ein Rad mit mehreren Öffnungen, in die jeweils eine Topferdbeerpflanze gehört – je nach eigenem Geschick und Geschwindigkeit des Rads eine schwierige Aufgabe! Die Öffnungen graben sich in die Erde ein und pflanzen damit die Erdbeeren. So fährt der Traktor Reihe für Reihe übers Feld. Zwei Rumäninnen („Do you speak English?“ – Kopfschütteln – na, das kann ja heiter werden) pflanzen per Hand nach. Nach ein paar Stunden ist Mittagspause. Nachmittags fühle ich mich schlecht, da der Abstand zwischen den Rumäninnen und uns immer größer wird. Deshalb tausche ich. Schlechte Idee, denn Nachpflanzen bedeutet gebückte Haltung, der Sonne ausgesetzt sein und nicht hinterher zu kommen. Da ich bei etwa 40 Grad in der Sonne keinen Kopfschutz trage, endet der erste Tag für mich um 20 Uhr mit leichtem Sonnenstich im Bett.

Guten Morgen Tag zwei!

– Falls man das bei der Weckzeit 5.20 Uhr sagen kann. Heute hat Cheffe keine Gnade und wir müssen von 6-21Uhr ran. Wir befinden uns in derselben Arbeitssituation wie am Vortag, doch Achtung, Fortschritt: Mittlerweile können wir uns beim Pflanzen unterhalten, so routiniert sind wir bereits. Damit kann man sich davon ablenken, dass man von oben bis unten voll mit feuchter Erde ist. Geschwindigkeit ist alles, auf Sauberkeit muss verzichtet werden. Am Abend bediene ich mich unter der Dusche des Schrubbers und trotzdem sind meine Fingernägel…schaut auf das Foto.

An Tag drei lernen Kadel und ich eine neue, größere Pflanzmaschine (Foto) kennen und somit neue rumänische Kollegen. Auf sie passen acht menschliche Pflanzer und kistenweise Erdbeeren, das Pflanzprinzip entspricht dem der kleinen Maschine. Die Plätze sind heiß umkämpft! Besonders die in der ersten Reihe, denn dort verspricht eine Plane Schatten: Luxussituation. Den Kampf gewinnen Kadel und ich, müssen den Platz aber jeden Tag behaupten. Da wir uns nicht mit den Rumänen verständigen können, aber auf keinen Fall für etwas Besseres gehalten  werden wollen, packen wir extra hart an. Pflanzmaschine beladen, eine Reihe pflanzen, leere Kisten entladen und von vorn. Immer wieder wird manchen gesagt, dass sie besser pflanzen sollen, somit fühlt man sich leicht unter Druck gesetzt. Am Abend fallen wir halbtot ins Bett.

Sigmund Freud lässt grüßen!

In den nächsten Tagen ändert sich unsere Pflanzsituation kaum, nur die persönliche Stimmung. Ich sitze vorne rechts und fange an, bei rumänischer Musik und Sprache über das Leben zu grübeln. Warum tue ich mir das an? Mein Rücken tut durch die ständig gebückte Haltung höllisch weh. Wenn ich aufs Klo muss, dann pinkle ich neben das Feld, wie das ein Arbeiter eben macht. Und bei etwa sechs Liter Wasserkonsum am Tag passiert das nicht nur einmal. Kadel und ich analysieren unsere Kollegen. Da wäre einmal die Saubermach- Frau: Sie ist in durchsichtige Folie gewickelt und nie dreckig, da sie nach jeder gepflanzten Reihe zu irgendeiner Wasserstelle läuft. Oder auch die alte Frau mit dem Goldzahn, die aber richtig fleißig ist. Oder: die schlechte Pflanzerin. Wegen ihr entwickeln wir schon Angst vor einer Gruppenbestrafung. Wenn wir nicht analysieren, singen wir „Acht kleine Erdbeerpflanzer“… Allein mein Rücken und linker Arm weisen zusammen 50 Mückenstiche auf. Die Beine sind eher blau und violett als braun gebrannt. Zähne zusammenbeißen und weitermachen: Wir starten eine Kommunikationsattacke auf die Rumänen. Mit Englisch, Italienisch, Deutsch, Händen und Füßen und irgendwie klappt es. So pflanzen wir als ein Team die restliche Woche durch.

Fortsetzung folgt?

Fazit der acht Tage: Ich weiß jetzt, wie es sich anfühlt erstens stupide Arbeiten über einen längeren Zeitraum zu verrichten, aber auch zweitens körperlich hart zu arbeiten. Trotz Stichen, blauen Flecken und Sonnenbrand war es eine interessante Zeit und wenn´s nächstes Jahr wieder losgeht, dann ruft Cheffe mich an. Ich liebe Erdbeeren…

 

Hier geht’s zum Artikel: Gesucht: Masterplan für die Zukunft!

 

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