Unter Strom

Zu Gast im Augsburger Bodystreet-Tempel

Hört man das Wort Bodystreet, erscheinen zunächst tanzende Hip-Hopper und andere Freiluftperformer vor dem geistigen Auge. Dahinter steckt jedoch etwas ganz anderes: Ein Fitnesstrend, der an der Sporthochschule Köln erfolgreich getestet wurde und sich immer mehr Beliebtheit erfreut. Seit Dezember gibt es Bodystreet auch in Augsburg. Wir, ein Profisportler und ein Fitnessmuffel, haben den neuen Trend für euch getestet und uns unter Strom setzen lassen.

Von Dominik Wellenhofer & Birgit Zurmühlen – Fotos: Sebastian Baumeister

Der Profisportler

Im hautengen, windschnittigen schwarzen Overall verlasse ich die Umkleiden. Alles fühlt sich ein bisschen nach Science-Fiction an. Julian, Personaltrainer und Filialleiter in Augsburg, spricht bei Bodystreet von einem revolutionären Fitnessprogramm, bei dem angeblich ein 20-minütiges Training pro Woche das komplette Krafttraining ersetzen kann. Elektrische Muskelstimulation (EMS) nennt sich das Prinzip, das unter anderem in der Sportrehabilitation bei Muskel- und Nervenschäden eingesetzt wird.

Ich freue mich wie ein kleines Kind, als mein Körper verkabelt wird. Ort der Tortur sind zwei Reglerpulte in der Mitte des Studios, die aussehen wie zwei futuristische Fahrradlenker mit Display und allerlei Knöpfen. Bedient werden sie durch den Personaltrainer. „Vier Sekunden Pause wechseln sich mit vier Sekunden Anspannung unter Strom ab“, meint Julian bei der Einweisung.

Obwohl ich leidenschaftlich gerne Sport treibe, im Fitnessbereich tätig bin und keine großen Erwartungen an Bodystreet habe, schüchtert mich der erste Stromstoß doch erst einmal ein. Er fühlt sich an, als wolle eine unsichtbare Macht meinen Körper zerreißen. Mit aller Kraft wirke ich dem Strom entgegen und versuche, meinen Körper in der vorgegeben Position zu halten. Leicht fällt es nicht, da jede einzelne Elektrode die darunter liegenden Muskelfasern durch die Einwirkung des Reizstroms kontrahieren lässt. So hat es den Anschein, als ob meine Hände alle vier Sekunden eine Hochspannungsleitung umfassen. Ich vermute, dass der Coach mich aufgrund meiner Skepsis, meinen Vorerfahrungen und getreu seiner sadomasochistischen Ader, die keinem Fitnesstrainer fehlt, auf einer hohen Intensität „trainieren“ lässt. Aber es macht verdammt viel Spaß. Ab und an schiele ich zu Birgit hinüber um zu sehen, wie sie sich schlägt, aber mehr als ein sarkastisches Lächeln ist nicht drin. Gut durchgeschwitzt wird die Elektrofolter nach 20 Minuten beendet und wie angekündigt machen sich spätestens nach 2 Tagen so einige Körperteile bemerkbar.

Der Fitnessmuffel

Um meinen Oberkörper befindet sich eine mit Wasser befeuchtete Weste, damit der Strom besser leitet. Dazu klitschnasse Arm- und Beinbänder. Jetzt fühle ich mich erst recht wie ein Surfer im Neoprenanzug, nur ohne Wellen und Sommerfeeling. Wenigstens sieht man dann später nicht, wie sehr ich schwitze.

Ich muss gestehen, ich habe Angst vor der Effektivität, die Julian uns von Bodystreet verspricht. Auf seine Hand ist das Wort honesty tätowiert, also glaube ich ihm die Sportmethode für Faule mal. Für (angehende) Bodybuilder ist der Stromsport durch den geringen Reiz weniger geeignet, eher für Menschen mit schlechter Bindehaut, dicken Oberschenkeln und zu vielen Terminen im Kalender.

Zu Beginn der Mitgliedschaft wird der Körper inklusive Fettanteil gemessen und dann regelmäßig kontrolliert. Ich bin froh, dass mir das nicht blüht, denn das möchte ich gar nicht wissen. Fitnessstudios liegen mir nicht – zu viel Testosteron und stickige Räume. Bei Bodystreet trainieren jedoch nur zwei Personen gleichzeitig mit Betreuung. Außer den Schuhen bekomme ich alles gestellt.

Komplett nass werden mein innerer Schweinehund und ich an das Gerät unserer Albträume angeschlossen. Ich mache mich auf den ersten Strom im Körper gefasst und hoffe dabei, dass ich nicht komplett versage. Ich schiele zu Dominik hinüber, einem ausgebildeten Fitnesstrainer, was die Sache nicht besser macht. Der Strom fühlt sich anders an als erwartet. In etwa wie das Kribbeln, wenn ein Fuß einschläft, nur viel extremer. Das Wasser rinnt mir schon nach 10 Minuten von der Stirn und insgeheim verfluche ich meine Fitnessmuffeligkeit. Es ist alles nur Kopfsache, versichert mir Julian, nachdem ich vor den letzten zwei Stromphasen endgültig kapitulieren möchte. Zweimal geht noch, geschafft! Ich bin vollkommen fertig, doch muss ich zugeben, dass mir Bodystreet Spaß gemacht hat. Nur der Preis mit 20 Euro pro Sitzung bei einem Jahresabo lässt mich schlucken. Bei denjenigen, die sich das leisten können, höre ich die Miezekatze in den Muskeln jetzt schon schnurren.

Fazit

Die Intensität und Effektivität ist um einiges höher als beim Hanteltraining, da die Spannung länger gehalten werden kann und die Ermüdungshemmung im Muskel geblockt wird. Daher wird der Körper enorm gefordert und benötigt länger um sich zu regenerieren, was die Trainingshäufigkeit von einmal pro Woche rechtfertigt.

Vollkommen vernachlässigt wird allerdings die koordinative Komponente, denn der Bewegungsapparat lernt nicht, zusammen zu arbeiten, wodurch man nicht effektiv beweglicher wird, höher springen oder schneller laufen kann.

Hält Bodystreet wirklich das, was es verspricht? Das konnten wir mit nur einem Training nicht zeigen. Findet es selbst heraus!

 


Bodystreet ist ein Elektrostimulationstraining (EMS), das einen körpereigenen Effekt nutzt. Bioelektrische Reize, die die Muskeln stimulieren, werden durch Reizstrom von außen verstärkt, der 90 % der Muskelfasern kontrahieren lässt. Der Reiz wird dem Leistungszustand angepasst, so dass EMS für Menschen jeder Altersklasse und jeder körperlichen Verfassung geeignet ist. Bodystreet verspricht eine deutliche Reduzierung des Körperfettanteils und des -umfangs in nur wenigen Wochen.

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