Zu (un-)recht abgemahnt

Was steckt hinter Abmahnschreiben und wie man sich am besten verhält

Die Abmahnwelle aufgrund illegalen Down- und Uploads von urheberrechtlich geschützten Musik- und Filmwerken schwappt schon seit längerem in die deutschen Haushalte. Durch das viel diskutierte ACTA-Abkommen sind Datenschutz- und Urheberrechtsfragen aktueller den je. Was ist das richtige Verhalten bei einer Abmahnung?

Von Sandra Junger – Illustration: Katharina Netolitzky

Als Sarah* eines schönen Morgens ihren Briefkasten öffnet und einen dicken Briefumschlag vorfindet, freut sie sich im ersten Moment. Vielleicht ist es ja mal keine Werbung oder ärgerliche Rechnung, sondern ein Liebesbrief eines heimlichen Verehrers…? Voller Erwartung reißt sie den Umschlag auf. Und erschrickt. Ein Anwaltsschreiben…? Wieso das denn? Schnell überfliegt sie die erste Seite. Es geht um illegales Filesharing eines Filmes, dessen Namen sie noch nie zuvor gehört hat. Hastig blättert sie die – für sie kryptisch geschriebenen – Seiten durch und erfährt, dass sie nun angeblich 850 Euro bezahlen soll. Für etwas, dass sie nicht getan hat. Gute Laune: Ade!

Abmahnwelle, Filesharing & Urheberrecht

Sarah ist bei Weitem kein Einzelfall. Eine regelrechte Abmahnwelle überrollt Internetnutzer schon seit Jahren. Tendenz steigend. Meistens beziehen sich diese Abmahnschreiben auf Filesharing urheberrechtlich geschützter Film- und Musikwerke via Tauschbörsen wie BitTorrent oder eMule. Denn hier wird gleich doppelt illegal gehandelt: Der Nutzer lädt nicht nur Daten herunter, sondern gibt zudem auch Dateien zum Download für andere frei. Dass dieses weit verbreitete Vorgehen der Musik- und Filmindustrie natürlich ganz und gar nicht gefällt, versteht sich von selbst. Deswegen lassen sich die Rechteinhaber von Anwaltskanzleien vertreten, um die Schuldigen dieser Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen und abzustrafen. Immer mehr Anwälte verschicken deshalb – ob zu recht oder unrecht – Abmahnschreiben, welche auf mehreren Seiten mit Gerichtsurteilen und juristischen Fachbegriffen den vermeintlichen Rechtsverletzer einschüchtern sollen.

Kein voreiliges Handeln!

Wer wie Sarah so ein Schreiben im Briefkasten vorfindet, sollte zunächst Ruhe bewahren. Das Ziel einer  Abmahnung ist es, den Betroffenen auf einfache und schnelle Art und Weise zur Kasse zu bitten. Doch egal, ob die Anschuldigungen nun der Wahrheit entsprechen oder nicht, raten Experten: Auf keinen Fall unüberlegt handeln und schon gar nicht sofort bezahlen! Auch die sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung, die einer Abmahnung immer beiliegt, sollte unter keinen Umständen unterschrieben werden. Denn diese  kommt einem Schuldeingeständnis gleich und zieht die volle Zahlung der geforderten Kosten nach sich. Von einem  Anruf oder selbstverfassten Antwortschreiben ist auch abzuraten, da alles gegen einen verwendet werden kann.

So geht man auf Nummer sicher

Um über das richtige Verhalten bei einer Abmahnung entscheiden zu können, sollte zuallererst überprüft werden, ob es sich um ein offensichtliches Fake handelt oder nicht. Ein Schreiben kann getrost in den Mülleimer geworfen werden, wenn es die Anwaltskanzlei gar nicht gibt oder Unstimmigkeiten oder grobe Rechtschreibfehler enthält. Sollte das nicht zutreffen, muss im nächsten Schritt die Frage geklärt werden, wer zur „Tatzeit“ Zugang zum Internet hatte, und wie gut das WLAN gesichert ist. Bei Wohngemeinschaften gilt: Auch wenn der Anschlusseigentümer prinzipiell immer haftet, können WG-Mitbewohner rechtlich in die Pflicht genommen werden. Hat keiner der Bewohner diese Rechtsverletzung begangen und ist das drahtlose Netzwerk zudem ausreichend verschlüsselt, kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Anschuldigung der Abmahnung ungerechtfertigt ist. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass die Anwälte bald Ruhe geben, bietet es sich an, eine modifizierte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und an die Kanzlei zu senden. Vorlagen finden sich z.B. unter www.anmahnwahn-dreipage.de. Damit räumt man keine Schuld ein, verpflichtet sich aber, in Zukunft das geschützte Werk nicht weiterzuverbreiten. Wer nach wie vor unsicher ist, sollte einen Fachanwalt aufsuchen. Übrigens: Im Falle einer gerechtfertigten Abmahnung kann ein Anwalt die geforderte Summe nochmal deutlich herunterhandeln.

Schreiben nehmen kein Ende, was nun?

Mittlerweile sind bei Sarah noch zwei weitere Abmahnungen eingetroffen. Auch hier ist sie unschuldig. Zumindest soweit sie es weiß. Leider besteht immer noch die sogenannte Störerhaftung als Restrisiko. Im Klartext bedeutet das: Wenn sich ein Dritter ohne ihre Erlaubnis und Kenntnis in ihr Netzwerk gehackt und den illegalen Download begangen hat, trägt sie als Anschlussinhaber die Verantwortung. Doch das kommt Sarah alles sehr unwahrscheinlich vor. Sie glaubt, dass diese Abmahnschreiben nur ungerechte Abzocken sind. Deswegen hat sie sich dafür entschieden, nach dem Versand der modifizierten Unterlassungserklärungen nicht mehr zu reagieren. Erst wenn ein Mahnbescheid oder eine Klageerhebung vom Gericht kommt, muss gehandelt werden. Bei erst Genanntem muss innerhalb von zwei Wochen ein Widerspruch eingelegt werden, bei einer Klageerhebung führt kein Weg an einem  Anwalt vorbei.

*Name von der Redaktion geändert

 



Präventiver Schutz vor Anmahnungen

–       Keine Down- und Upload von urheberrechtlich geschützten Werken: Finger weg von Tauschbörsen!

–       WLAN ausreichend sichern: WPA2

–       Netzwerkschlüssel ändern: nicht den Originalen weiterbenutzen!

–       WLAN-Zugang beschränken: MAC-Adress-Filter

Keine Anwaltskosten für Studenten

Einen Anwalt zu engagieren kostet immer eine Menge Geld. Immer? Nein. Für Studenten gilt: Wer über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügt, kann Beratungs- und Prozesskostenhilfe beantragen. Mit lediglich zehn Euro Selbstbeteiligung werden die Kosten des Anwaltes und des Gerichtsverfahrens ganz oder teilweise vom Staat bezahlt. Beantragen lässt sich so ein Beratungsschein beim Amtsgericht nach Vorlage von aktuellen Kontoauszügen und Lohnbescheinigungen.

IP-Adresse als gültiger Beweis?

Wer im Netz surft, hinterlässt immer einen „digitalen Fingerabdruck“, die IP-Adresse. So kann beim Anbieter des Internetanschlusses ermittelt werden, welcher Kunde wann online war – und wer einen Film oder ein Musikalbum heruntergeladen hat. Bis vor einiger Zeit galt der Nachweis der IP-Adresse als stichhaltiger Beweis in Abmahnfällen. Doch inzwischen ist diese Beweisführung mehr als fraglich und manche Gerichte erkennen die IP-Adresse nicht mehr uneingeschränkt als alleiniges Beweismittel an. Denn bei den Ermittlungen kommt es immer wieder zu Falschzuordnungen von IP-Adressen und dem jeweiligen Anschluss. Dies hat u. a. mit dem Prinzip der dynamischen IP-Adressvergabe zu tun. Zudem dürfen die Provider die Daten nicht länger als sieben Tage speichern. Und Beweise, die vor Gericht nicht mehr problemlos nachvollzogen und überprüft werden können, sind mitunter fragwürdig.

 

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