Von der Raupe zum Schmetterling – Wer bin ich wirklich?

Die eigene Identität finden heißt anecken

Jeder hat sie und doch ist sie bei jedem anders- die Identität. Die Kulturen und Nationen vermischen sich. Leben fernab der Heimat ist längst nichts Ungewöhnliches mehr. Und doch wollen wir uns nicht nur anpassen, sondern wir selbst sein. Wir wollen die Normen und Zwänge unserer Zeit abschütteln und uns neu finden.  Ganz nach dem Motto „jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“. Die Bildung unserer eigenen Identität ist ein Lebenswerk.

Von Daniela Steffl – Fotos: Sebastian Baumeister

Was macht uns zu dem Menschen, der wir tatsächlich sind? Der Psychologe Erik Erikson sagt, die Identität ist der Zuwachs an Persönlichkeitsreife, den das Individuum am Ende der Jugend der Fülle seiner Kindheitserfahrungen entnommen haben muss, um für die Aufgaben des Erwachsenenlebens gerüstet zu sein. Richtig, die Sache mit der Identität ist schwierig. Im Grunde steht hier, dass wir als junge Erwachsene reif sein sollten für das Leben. Unsere Persönlichkeit ist anscheinend soweit herangereift, dass wir wissen, was wir wollen und welche Ziele wir haben. Stopp! Da muss ein Irrtum vorliegen. Wie viele Studierende wissen nach dem Abitur, was sie vom Leben wirklich wollen?

Einmal Persönlichkeit zum Mitnehmen bitte

Suchen wir uns unsere Persönlichkeit wirklich aus oder formen wir nur die Anlagen, die uns von Geburt mitgegeben wurden? Und vor allem entwickelt sich unsere Identität auch selbständig durch unser soziales Umfeld. Soziologen vertreten die Meinung, dass wir unsere Identität durch das Gespräch mit Anderen immer wieder neu formen. Wäre das so einfach mit der eigenen Identität, gäbe es nicht zahlreiche psychologische Schriften dazu. Vollkommene Zufriedenheit im Leben bekommen wir nur, wenn wir mit uns selbst zufrieden sind.

Bei der großen Anzahl an ausländischen Studierenden an der Uni stellt sich die Frage nach den Gemeinsamkeiten. Gibt es so etwas wie eine europäische Identität? Und wenn ja, durch welche Merkmale ist sie gekennzeichnet? Politisch und wirtschaftlich kann ein europäisches Land schon lange nicht mehr ohne die anderen Staaten überleben. Aber entwickelt sich auch im kulturellen und weltanschaulichen Bereich ein gemeinsamer Nenner? Oder wollen wir das möglicherweise gar nicht? Auf dem Campus treffen täglich viele Nationen aufeinander. Sprachbarrieren werden meist schnell überwunden und wir Studierende tauschen uns aus.

Sind wir nicht alle ein bisschen multikulti?

Manchmal finden wir in Fremden von der ersten Minute an Seelenverwandte. Wir liegen mit ihnen auf einer Wellenlänge und haben die gleiche Sicht der Dinge.  Solch einen Glückstreffer hat bestimmt jeder von uns schon mal erlebt. Doch ist es tatsächlich die Gleichartigkeit, die uns auf Dauer so fasziniert? Möglicherweise wird es nach kurzer Zeit bereits langweilig, immer „Ja, das finde ich auch“ und „Das geht mir genauso“ von unserem Gegenüber zu hören. Ist es nicht gerade die Andersartigkeit unserer Freunde und Verwandten, die uns selbst weiterbringt?

Unsere Persönlichkeit wächst mit jeder neuen Bekanntschaft. Dafür sind die Jahre an der Uni geradezu wie geschaffen. Kaum an einem anderen Ort im Heimatland finden wir mehr verschiedene Kulturen und Weltansichten wie dort. Da probiert der Bayer plötzlich fernöstliche Spezialitäten oder lässt sich von baltischen Klängen mitreißen. Multikulti begegnet uns täglich, wir müssen nur die Augen aufmachen.

Identität hat auch etwas mit Struktur in der Gesellschaft zu tun. Wir wollen wissen, wo wir hingehören und wie wir uns zu verhalten haben. Zumindest grundsätzlich. Bis ins antike Athen reicht die Spur von Klassen, Schichten und Ständen. Bis vor etwa 100 Jahren wurde unsere Identität durch die Geburt festgelegt und geprägt. Wir genießen heute das Privileg, unseren Lebensweg selbst zu gestalten. Und das ist oft einfacher gesagt als getan. Denn seine eigene Identität finden bedeutet auch Entscheidungen treffen. Da gibt es viele die mit Anfang 20 mit unsicherem Blick zu den Eltern schauen und sagen „Ich bin doch noch gar nicht so alt. Ich will noch nicht erwachsen werden und Verantwortung übernehmen.“

Anders sein ausdrücklich erwünscht

Doch bei aller Offenheit und Neugier gegenüber fremden Nationen, dürfen wir unsere eigene Identität nicht vergessen.  Die vielen Bekanntschaften und vielleicht auch die Bewunderung fremder Traditionen und Ansichten können unsere Persönlichkeit bereichern.  Doch wir sollten uns nicht wie ein Fähnchen im Wind drehen. Begeisterung durch fremde Kulturen darf nicht in Nacheifern ausarten. Gerade in der Zeit als Studierende fragen wir uns sicher mehrfach, wer wir eigentlich sind und wer wir sein wollen. Das gehört zum Heranreifen zu mündigen Nachwuchstalenten auf dem Arbeitsmarkt dazu. Aber Vorsicht, schlaue Sätze nachplappern ist nicht erwünscht. Wir müssen uns die Zeit nehmen, uns Gedanken über uns selbst zu machen. Nur dadurch können wir unseren individuellen Blick schärfen und eine Persönlichkeit werden. Früher wurde man erst mit 21 Jahren volljährig. Vielleicht hatte das seine Berechtigung. Denn wie heißt es so schön: „Jetzt bin ich 18, jetzt muss ich nur noch erwachsen werden.“

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