Folgenerscheinung

Die aktuelle Generation amerikanischer Fernsehserien

Sie sind ein Phänomen der letzten fünfzehn Jahre: Aufwendige Produktionen, die eher mit Romanen vergleichbar sind als mit herkömmlichen Serien. Ein Streifzug durch eine neue amerikanische Fernsehkultur.

Vom altbekannten Format unterscheiden sich die vorgestellten Serien insbesondere dadurch, dass sie keine abgeschlossene Handlung pro Folge haben. Vielmehr erstreckt sich das vielschichtige Geschehen über ganze, aus zwölf oder mehr Episoden bestehende Staffeln hinweg. Zusätzlich gibt es in der Regel eine Vielzahl paralleler Handlungsstränge. Vom Zuschauer verlangt dieser andersartige Erzählstil vor allem eines: dranzubleiben.

Im deutschen Fernsehen ist diesen Serien meist nur wenig Erfolg beschieden. Das liegt vor allem an unattraktiven Sendeplätzen. In Zeiten von Internet, DVD und Blu-ray sind die Zuschauer allerdings kaum mehr darauf angewiesen, die einzelnen Folgen Woche für Woche häppchenweise zu konsumieren. Diese Tatsache beschert den Serien auch international einen steigenden Bekanntheitsgrad.

Wir stellen euch hier eine Auswahl sehenswerter Serien vor. Für alle gilt die klare Empfehlung, sie im Originalton anzuschauen. Hilfreich sind englische Untertitel, an die man sich schnell gewöhnt hat.

[Ü3] The Sopranos [Ü3]

Dreh- und Angelpunkt der Serie ist Tony Soprano, Familienvater und Mafiaboss in New Jersey. Sein kompliziertes Leben inmitten von familiären Problemen und beruflichen Schwierigkeiten setzt ihm so stark zu, dass er an Panikattacken leidet. Deswegen wendet er sich an eine Psychotherapeutin. Tonys Sitzungen mit ihr werden zum zentralen Element der Serie.

Die Sopranos gelten als Inbegriff der neuen Generation amerikanischer Fernsehserien. Das umfassende Porträt der italoamerikanischen Mafiafamilie prägte das Genre durch seinen Aufbau und seinen Erzählstil. Ausgestrahlt zwischen 1999 und 2006, ist die Serie nach wie vor die erfolgreichste Produktion des Senders HBO und hat dessen Ruf für hochwertige Serien nachhaltig gefestigt.

The West Wing

The West Wing befasst sich mit den Amtsgeschäften des fiktiven US-Präsidenten Jed Bartlet. Der Fokus liegt auf der Tätigkeit seiner engsten Mitarbeiter. Dabei werden im Verlauf der Serie beinahe alle Themenfelder der amerikanischen Politik behandelt, vom alltäglichen Gesetzgebungsprozess bis hin zu internationalen Krisen.

Mag sich die Thematik der Serie zunächst sehr trocken anhören, so hat sie dennoch großen Zuspruch bei Kritikern wie auch Zuschauern erlangt. The West Wing besticht in erster Linie durch seine fesselnden Dialoge, denen es zugleich nicht an Humor mangelt. Während der Ausstrahlung von 1999 bis 2006 entwickelte sich The West Wing obendrein zu einem idealisierten Gegenentwurf zur Politik des damaligen realen Amtsinhabers, George W. Bush.

The Wire

The Wire erzählt Kriminalfälle aus der Sichtweise aller Beteiligten. In der ersten Staffel wird der Zuschauer ins Drogenmilieu von Baltimore versetzt. Ziel der Ermittler ist es, die Drahtzieher eines Drogenrings zu überführen.

Nur auf den ersten Blick ist The Wire eine Krimiserie, auf den zweiten handelt es sich um ein Gesellschaftsdrama. Neben der realistischen Darstellung der Polizeiarbeit werden die Charaktere auf beiden Seiten des Gesetzes und dazwischen in all ihren Stärken und Schwächen porträtiert. The Wire gewährt sowohl Einblicke in den bürokratischen Behördenapparat als auch in die kriminellen Milieus am Rand der Gesellschaft. Dabei nimmt sich die Serie wie keine andere Zeit für die Handlungsentfaltung. Jede der fünf von 2002 bis 2008 gesendeten Staffeln behandelt jeweils einen größeren Kriminalfall.

Breaking Bad

Walter White erfährt, dass er an unheilbarem Lungenkrebs leidet. Als überqualifizierter, aber unterbezahlter Chemielehrer beschließt er, in die Herstellung von Crystal Meth einzusteigen. Walters Motivation: auf diesem Weg seine Familie über sein Ableben hinaus versorgen zu können. Walter gerät in diverse Konflikte mit anderen Kriminellen – und steht vor dem Problem, dass sein Schwager bei der amerikanischen Drogenfahndungsbehörde DEA arbeitet.

Breaking Bad bezieht seine Stärke vor allem aus seiner Absurdität. Beginnend bei Walts irrwitziger Entscheidung, ins Drogengeschäft einzusteigen, bis hin zu seinem sagenhaft hässlichen Auto. Das verleiht der Serie ihren eigenen Humor, der mit mitreißender Spannung gepaart wird. Im Sommer kommt die finale, sechste Staffel der Serie auf den Bildschirm.

Mad Men

Vordergründig dreht sich Mad Men um Don Draper, kreativer Kopf einer Werbeagentur im New York der 1960er-Jahre. Die Serie liefert ein feinsinniges Porträt Drapers, der, umgeben von Zigarettenqualm und Hochprozentigem, mal den Frauenheld, mal den Familienvater mimt und im Stillen ein dunkles Geheimnis verbirgt.

Die Faszination und der Erfolg von Mad Men liegen in der detailverliebten Darstellung des historischen Umfelds. Nicht nur Ausstattung und Kostüme spiegeln die USA der 1960er-Jahre wieder. Auch die gesellschaftlichen Verhältnisse werden ausgiebig beleuchtet. Darüber hinaus werden im Verlauf der Serie kulturellen Entwicklungen und sozialen Umbrüchen des Jahrzehnts Rechnung getragen. Seit Anfang April läuft in den USA die sechste Staffel von Mad Men.

Homeland

Als Kriegsheld gefeiert kehrt Nicholas Brody nach achtjähriger Gefangenschaft aus dem Irak zurück. Doch CIA-Agentin Carrie Mathison ist misstrauisch. Sie hat erfahren, dass es einem Terroristenführer gelungen sein soll, einen amerikanischen Soldaten für sich zu gewinnen. Besessen davon, dass es sich dabei um Brody handeln müsse, stößt Mathison mit ihrer Theorie jedoch auf taube Ohren.

Mit dem Kampf gegen den Terror bedient sich Homeland zwar eines altbekannten Themas, verzichtet aber auf eindeutige Rolleneinteilungen in Gut und Böse. Die Serie führt den Zuschauer letztlich so weit, dass er nicht mehr weiß, mit wem er eigentlich mitfiebern soll. Zwei Staffeln gibt es bereits, eine dritte ist in Vorbereitung.

 

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