Immer ein offenes Ohr

Über das Phänomen Selbstgespräch

Selbstgespräche? Jeder kennt den Begriff, aber was steckt eigentlich dahinter? Weshalb führen Men­schen Monologe? Geschieht das immer bewusst und hat das über­haupt einen Nutzen? Was ich hier gerade mache, ist das auch schon ein Selbstgespräch? Führe ich etwa auch Selbstgespräche? Nein, eher weniger – höchstens, wenn ich mich mal konzentrieren muss und etwas Schritt für Schritt durchgehe. Aber nun will ich es genauer wissen …

Von Sophie Kellner

Self-Talk ist die Kommunikation mit uns selbst und über uns selbst. Wie wir über uns sprechen oder denken beeinflusst unsere Psyche. Was wir zu uns sagen, bestimmt, ob wir zufrie­den oder unzufrieden, glücklich oder unglücklich, entspannt oder ange­spannt sind. Doch Menschen, die laut mit sich selbst sprechen, werden von anderen meist belächelt, wenn nicht sogar für verrückt gehalten. Dabei ist das laute Selbstgespräch gar nicht so schlecht: Es hilft in vielen Situationen, sich verbal anzuspornen oder die ei­gene Aufmerksamkeit zu lenken, wie der Psychiater und Psychotherapeut Dirk Wedekind von der Universität Göttingen betont. Allerdings kommt es dabei darauf an, ob es sich um nicht-lauten Self-Talk im richtigen Maß oder extensive, unkontrollierte Selbstgespräche handelt, die häufig mit psychischen Krankheiten in Ver­bindung stehen, da Betroffene nicht mehr zwischen Stimmen von ‚außen‘ und ‚innen‘ unterscheiden können.

Immer schön positiv bleiben

Positiver, ermutigender Self-Talk mo­tiviert. Negativer Self-Talk dagegen führt zu Unsicherheit, Selbstzweifel und dem Verlust der Motivation. Also sind Selbstgespräche doch gar nicht verkehrt, im Gegenteil: Sie hel­fen uns, positiv an Situationen her­anzugehen und sie zu meistern. Auf der anderen Seite kann uns Self-Talk auch entmutigen. Oft sind wir uns dessen aber nicht bewusst. Stehen wir beispielsweise vor einer schwie­rigen Aufgabe, denken wir uns auto­matisch: „Oh Gott, wie soll ich das nur schaffen?“ Diese einfache Frage kann unser Denken und Handeln im Unterbewusstsein so sehr bestimmen, dass wir die Aufgabe nicht optimal lösen oder sogar überhaupt nicht lö­sen können. Deshalb: Immer schön positiv denken!

Außerdem sind Selbstgespräche auch eine Art Situationsbewältigung. Wenn man sich im Verkehr über einen anderen Autofahrer ärgert, kommt es schon mal vor, dass man sich laut über denjenigen aufregt und danach ist der Ärger nicht mehr ganz so groß. Auch bei Stress, Trauer, Kon­zentration und Euphorie kommt es oft zum Self-Talk. Natürlich können extensive Selbstgespräche durchaus gelegentlich Symptome psychischer Störungen sein, aber wer hin und wie­der mit sich selbst spricht, hat nichts zu befürchten.

Wichtig für einen selbst, amüsant für andere

Da Selbstgespräche häufig unbe­wusst auftreten, merkt man manch­mal auch erst nach einer Weile, dass man laut vor sich hin gesprochen und überlegt hat – was für andere Anwesende einen interessanten Ein­blick in die Gedankenwelt des ande­ren geben kann. Ohne den passen­den Zusammenhang kann das auch mal ganz amüsant klingen. Dennoch sollte man sich nicht schämen, die ei­genen Gedanken laut auszusprechen. Manchmal ist das sogar nützlich.

Es kann also nicht schaden, in Zukunft auch mal das Wort an sich selbst richten, ganz nach dem Motto: „Sei mutig, sprich dich an!“ Denn manchmal ist man selbst doch so­wieso der angenehmste Gesprächs­partner.

 

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