Das Glück der Schweine

Fakten und Gedanken zur Fleischproduktion

Schweine bringen Glück, aber sie haben keins. 1094 Tiere isst ein Deutscher durchschnittlich im Laufe seines Lebens, darunter 46 Schweine. Die meisten Schlachttiere verbringen ihr kurzes Leben in abgeriegelten Massentierställen. Doch nicht alle. Zeit, sie zu besuchen.

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Foto: Maximilian Ruppert

Die Schweine grunzen zufrieden. Sie sind vielleicht drei Monate alt. Gerade hat jemand frisches Heu gebracht. Läufer heißen die schwarzrosa Jungtiere in der Fachsprache, selbstständig und schwer genug, um nicht mehr als Ferkel zu gelten. Die Ställe am Hofeingang der Herrmannsdorfer Landwerkstätten sind ihr Zuhause, zumindest für die nächsten Wochen. „Die Schweine sind Umzüge gewohnt“, erklärt die junge Frau, die an diesem Tag etwa 25 Besucher durch die Landwerkstätten führt. Jeden Samstag können Interessierte den Bio-Bauernhof im Landkreis München kennenlernen, der als Pionier-Betrieb gilt: die Felder, die Ställe, das Schlachthaus, die Metzgerei.

In Herrmannsdorf, so heißt es in einer Broschüre, „ist alles zusammengeführt, was die arbeitsteilige Lebensmittel-Industrie auseinander gerissen hat“. Für die Schwäbisch-Hällischen Landschweine bedeutet das konkret: Sie ziehen oft um, und der Gang zur Schlachterei ist im besten Falle nur ein Umzug unter vielen. „Nur der Metzger ist ein guter Metzger, der die Tiere liebt“, steht auf einem Schild, das an der Außenwand der Schlachterei hängt. Die Schlachtung sei schonend, erklärt die Bäuerin den Besuchern, und kein Tier sehe, wie ein anderes den tödlichen Bolzenschuss bekommt. Die stundenlangen Transportwege, von denen der Verbraucher höchstens dann erfährt, wenn auf der Autobahn ein Lastwagen mit der Aufschrift „Lebende Tiere“ vorbeirast, bleiben in diesem Fall aus.

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Vier Millionen Tonnen Fleisch in sechs Monaten

85 Prozent der deutschen Bevölkerung essen täglich oder nahezu täglich Fleisch und Aufschnitt. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden etwa vier Millionen Tonnen Fleisch produziert. Geschlachtet wird im Sekundentakt. Doch ungefähr 20 Prozent des hergestellten Fleisches landen im Mülleimer. Diese Zahlen stammen aus dem Deutschen Fleischatlas 2013, einem Nachschlagewerk der Heinrich-Böll-Stiftung, des Bundes für Umwelt und Naturschutz und der Monatszeitung Le Monde diplomatique. Sie zeigen, wie wenig Fleisch wertgeschätzt wird. Es ist überall zugänglich, ist einfach irgendwie da. Das Etikett verrät nichts über die Bedingungen, unter denen die geschlachteten Tiere ihr Leben verbracht haben.

Karl-Ludwig Schweisfurth, der die Herrmannsdorfer Landwerkstätten vor etwa 25 Jahren gründete und mittlerweile ein großes Netzwerk aus Nachbarbauern um sich schart, die denselben Richtlinien folgen und deren Tiere in Herrmannsdorf geschlachtet und verarbeitet werden, war einst der Besitzer der Fleischwarenfabrik „Herta“, die Wurst für den Massenmarkt produziert. Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten sind das Ergebnis eines Sinneswandels. Schweisfurth verkaufte das Unternehmen. Und ist seitdem „Auswärtsvegetarier“: Er isst kein Fleisch, das nicht aus Herrmannsdorf stammt.

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Acht Wochen bleiben die Ferkel hier bei der Mutter, die sich währenddessen frei bewegen kann. Die Eber werden nur unter Betäubung kastriert. In der Massentierhaltung werden die kleinen Schweine hingegen oft schon nach drei Wochen von der Sau getrennt. Ein Industrie-Schwein führt ein kurzes, trostloses Leben, das insgesamt nur ein halbes Jahr dauert. In Herrmannsdorf werden die Schweine doppelt so alt. Unter natürlichen Umständen, mutmaßt man, könnten Schweine zwischen 10 und 15 Jahre alt werden.

Viele von ihnen, aber längst nicht alle, sind Weideschweine. Knapp ein Drittel ihres Lebens verbringen sie gemeinsam mit Kühen und Hühnern auf einem sechs Hektar großen Feld. “Symbiotische Landwirtschaft“, nennt Schweisfurth dieses Projekt. Die Schweine wühlen die Erde auf, die Hühner picken ihnen die Schädlinge von der Haut. Die Rinder halten die Raubvögel fern. Die Schweine in Herrmannsdorf wirken sozial, friedlich und sehr entspannt. An den Außenställen hängen Schilder, die das Anfassen der Tiere verbieten. Die Läufer, satt gegessen, schlafen mittlerweile, liegen über- und nebeneinander, dicht an dicht.

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Dieser Artikel widmet sich dem Schwein in Wort und Bild. Doch in Herrmannsdorf leben auch Hühner: Auf dem Hof werden Zweinutzungshühner gezüchtet, die sowohl Eier und Fleisch liefern. Die Praxis, männliche Küken – oft auf grausame Weise und auch in Bio-Betrieben – zu töten, wird dadurch verhindert. Allerdings stehen im Hofladen nach wie vor zusätzlich herkömmliche Bio-Eier zum Verkauf. Auch eine Geflügelschlachterei entsteht gerade in Herrmannsdorf. Doch zurzeit werden die Hühner noch nach Garmisch-Patenkirchen gebracht – und müssen einen 80 Kilometer langen Transportweg ertragen. Mehr Informationen und Termine der Führungen gibt es unter www.herrmannsdorfer.de.

1 thought on “Das Glück der Schweine”

  1. Hallo! Ist ja interessant geschrieben. Aber man hätte schon auch gern was über die Schlachtung der Tiere in Herrmannsdorf erfahren. Man hat den Eindruck die Journalistin Sophia vertraut zu sehr den Worten bei der Führung. Und vielleicht hätte man auch mehr über die Wurstfirma “Herta” sagen können. Immerhin hat sich dieser Karl-Ludwig Schweisfurth ja mit seiner Fleischfabrik die Finanzen für seinen neuen Bauernhof geholt. Aber: Für eine Studentenzeitung sehr engagiert berichtet.

    Löbliche Grüsse: Arno

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