Tipps für unterwegs: Autostopp für Anfänger

Wer trampt, reist billiger – und intensiver. Nirgends lässt sich ein Land so gut erkunden wie auf dem Beifahrersitz seiner Einwohner. Mit unseren Tipps erlebst du noch mehr – und vermeidest unnötigen Frust.

Dos – Was man unbedingt beachten und tun sollte

1. Sich zu erkennen geben

Kennt ihr die Dating-App Tinder? Dort sieht man von seinen potentiellen Dates erstmal nur ein einziges Foto. Keine Beschreibung. Findet man das Foto interessant, wischt man nach rechts, andernfalls nach links. Dutzende Profile pro Minute kann man so durchzappen. Das ist verdammt oberflächlich – aber eigentlich nur ehrlich. Wir entscheiden nun mal in Sekundenbruchteilen, ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht.

Wer an der Landstraße an einem Tramper vorbeifährt, hat noch viel weniger Zeit als bei Tinder, um über linkes Pedal (bremsen und mitnehmen) oder rechtes Pedal (weiterfahren) zu entscheiden. Wenn du an der Straße stehst und mitgenommen werden willst, solltest du in diesen wenigen Augenblicken gut zu sehen sein. Oder würdest du jemanden daten, denn du nur versteckt hinter Sonnenbrille, Wollmütze, Schal und Vollbart gesehen hast?

Also zeig dein Gesicht, wenn du am Straßenrand den Daumen raushältst. Und lächle. Ebenfalls sehr nützlich: Ein großes Schild, auf dem steht, wo du hinwillst.

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2. Reden und Fragen stellen

Klar, man kann trampen einfach als Möglichkeit sehen, günstig von A nach B zu kommen. Nur verpasst man dann halt das Beste.

Wer Anhalter mitnimmt, macht das aus Hilfsbereitschaft. Und aus Langeweile. Die Gutherzigen sind ganz oft Leute, die für ihren Beruf den ganzen Tag im Auto sitzen. Beispielsweise Handelsvertreter: Ich bin schon bei Verkäufern von Olivenöl (seither kaufe ich nur Bertolli), Kugelschreibern, Melkmaschinen und vielem mehr mitgefahren. Diesen Leuten ist hinter ihrem Lenkrad einfach unglaublich fad. Darum ist es nur höflich und ein Teil des Deals, ein paar Worte mit dem Fahrer zu wechseln. Vor allem aber ist es die allerallerbeste Möglichkeit, etwas über sein Reiseland zu erfahren. Stellt ein paar Fragen, und lasst die Leute erzählen. Welche Orte in der Umgebung lohnen einen Besuch? Welche Probleme beschäftigen die Leute gerade? Was halten sie vom aktuellen Präsidenten? Wie mächtig ist die Mafia in Süditalien wirklich? (Antwort von Vitello: Sehr, sehr mächtig) Wie lebt man als junger Schwede mit den hohen Alkoholpreisen? (Antwort von Alexander: Ganz gut, wenn man kistenweise Bier aus Deutschland importiert und unversteuert weitervertickt)

Reise-Serie
Unsere Autoren erzählen von ihren schönsten Reise-Erlebnissen und geben Tipps für unterwegs. Alle Folgen sind hier gesammelt.

3. Spontan sein

Trampen kann furchtbar sein. Da wartet man stundenlang am Straßenrand, bis endlich jemand anhält; und dann fährt der ganz woanders hin, als man eigentlich will. “Aber ich kann dich bis zum nächsten Abzweig mitnehmen, das sind fünf Kilometer.” Na besten Dank. Da hilft nur eins: Vergiss deine Pläne und reise dorthin, wo dein Fahrer eben hinfährt. Er wird dir unterwegs die besten Tipps für seine Stadt geben (vgl. Punkt 2) und du wirst dort eine großartige Zeit haben, auch wenn der Ort eigentlich nie auf deiner Liste stand.

Ein Freund von mir wollte einmal von Norddeutschland zurück in die Schweiz trampen, wo er studiert. Die Leute, die in aufgesammelt haben, waren allerdings gerade auf dem Weg in den Spanien-Urlaub. Natürlich hat Daniel seinen persönlichen Semesterbeginn verschoben und noch ein paar schöne Tage in Barcelona verbracht. Trampen kann fantastisch sein.

Foto: Sebastian Endt
Foto: Sebastian Endt

Don’ts – Was man lieber lassen sollte

1. Metropolen ansteuern

Nach meiner Erfahrung kommt man erstaunlich gut in große Städte hinein. Ob Stockholm, Christchurch oder Florenz, immer wurde ich direkt ins Zentrum chauffiert. Nur leider kommt man kaum wieder hinaus. Man gondelt in einem überfüllten Linienbus irgendwo an den Stadtrand, stellt sich in die Abgaswolke einer überquellenden Ausfallstraße und hebt den Daumen. Der Verkehr ist so dicht, dass für die Autos kaum eine Möglichkeit zum Anhalten besteht. Nach Stunden gabelt einen jemand auf. Allerdings nur für ein paar Kilometer, schließlich gibt es um große Städte herum tausende Abzweigungen.

Große Städte sind natürlich häufig sehr sehenswert. Wer nicht auf sie verzichten will, findet auf Portalen wie hitchwiki.org sehr nützliche Tipps für die Weiterreise, wie etwa Buslinien, die einen in die Nähe günstig gelegener Autobahnraststätten bringen.

sebi_tanke

2. Nach Neapel fahren

Keine Ahnung, vielleicht hatten wir einfach nur Pech. Aber Trampen in Süditalien war absolut furchtbar. Von Florenz kommend, verlief unsere Reise nach Neapel noch ganz akzeptabel. Wir hatten lange Wartezeiten, aber wir schafften es in einem Tag. Dann erkundeten wir Napoli, was sich definitiv gelohnt hat. Weiter wollten wir nach Bari, etwa 270 Kilometer östlich. Eine Strecke, die man in einem halben Tag leicht schaffen sollte. Wir verbrachtenzwei volle Tage auf der Straße und dazwischen eine Nacht auf dem Boden eines Rasthauses. Am Abend des zweiten Tages, noch keine 100 Kilometer von Neapel weg, gaben wir auf und nahmen den Bus. Nicht nur, dass uns keiner mitnahm – die Leute haben uns wahlweise ausgelacht oder wie Aussätzige angesehen.

3. Sich an diese Regeln halten

Trampen ist jedes Mal komplett anders und voller Überraschungen. Also vergiss alles, was hier steht und mach deine eigenen Erfahrungen. Vielleicht kommst du ja in Süditalien super zurecht. Erzähl uns doch anschließend hier in den Kommentaren, was du erlebt hast.

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