Brust raus, Hintern rein!

Man sieht sie nicht nur auf Pisten und Tiefschneehängen in Überzahl, sie haben auch die Welt des Wasserskis frisiert: Boarder. Entstanden Ende der 80er Jahre als Zeitvertreib für gelangweilte Surfer, weil gerade mal Flaute war, hat sich das Wakeboarden zu einer Sportart mit internationalem Wettkampfcharakter entwickelt.  Wakeboarden in Friedberg:

Obwohl ich schon einige Jahre auf dem Buckel habe, bin ich noch ziemlich drahtig und schleppe jedes Jahr um die 10.000 Menschen mit mir mit. Für meine 45 Jahre habe ich mich nämlich ziemlich gut gehalten und besitze verblüffend viel Power. Das funktioniert auch deshalb, weil man sich verantwortungsvoll, regelmäßig, aufwändig und liebevoll um mich kümmert. Ich stehe quasi unter Dauerbeobachtung, bei der mein Status Quo laufend gewartet wird: Leinen auskuppeln, Mitnehmer überprüfen und gegebenenfalls nachstellen. Umlaufseile auf Bruchstellen kontrollieren. Ich bin der Lift.

Frisch geölt kreise ich immerzu um mich selbst. Vielleicht etwas eitel, mag sein. Aber dafür nehme ich auch jeden, wirklich jeden, mit. Das ist es auch, was mir an mir selber so gut gefällt: Dass ich in keine Schublade passe. Was, nebenbei bemerkt, bei einer Umlauf-Länge von 900 Metern ohnehin nicht einmal metaphorisch vorstellbar wäre. Denn neben Anfängern, die oftmals von mir eher durchs Wasser geschleift werden, klemmen sich auch Profis meine Hanteln unter die Arme und lassen sich die Gischt ins Gesicht spritzen, wenn sie sich meterweit in die Höhe katapultieren oder über Rails und Schanzen springen. Dass ich im Vergleich zu anderen Anlagen ein ganz besonderes Flair besäße, sagt Sascha Friedrich, der neben kaufmännischen Tätigkeiten, Liftbedienung und Technik unter anderem auch für die Anfängereinweisung zuständig ist. „Es geht grundsätzlich ziemlich familiär und freundlich zu und ist für jede Altersklasse und jedes Fahrniveau geeignet.“

Weiche Knie, aber Durchhalten zahlt sich aus

Bei dem, der da am Rand steht – …das wird eh nichts! Zurecht relativiert Sascha solche Vorurteile, wenn er sagt: „Jedem Anfänger wird hier solange geholfen, bis er es kann. Wakeboarden kann eigentlich jeder lernen und grundsätzlich versuchen einem alle Fahrer, auch die Profis, Tipps zu geben.“ Sehr anfängerfreundlich soll ich sein, sodass ich manchmal selbst überrascht bin. „Das ist an anderen Wakeboardanlagen nicht so. Da kann’s für Anfänger zum Teil eher ungemütlich werden. Und es geht dort oft ums Geld“, sagt Sascha.

Ich selber kann allerdings schon auch ungemütlich werden. Bei Geschwindigkeiten von 30 bis 49 Stundenkilometern verzeihe ich, wenn‘s drauf ankommt, keine Fehler. Und wer meint, mit mir beim ersten Mal ungeniert flirten zu können, der hat sich getäuscht. Selbstbewusst kann ich von mir behaupten, dass beim ersten Kennenlernen die meisten weiche Knie bekommen und sich nach den ersten sturzträchtigen Runden eher wie ein Crash-Test-Dummy fühlen. Bei mir muss man eben etwas Geduld aufbringen. Als das beste Beispiel für derartiges Durchhaltevermögen kann vermutlich sie gelten: Sabrina Schreiber. Bis sie das erste Mal auf dem Wasser stand, hat es ungeschönte 354 Starts gebraucht. Letztes Jahr hat sie, hier am Friedberger See, die Süddeutsche Meisterschaft gewonnen.

Die Semesterferien stehen an und wir verabschieden uns in den Urlaub: Höchste Zeit also, einmal über sportliche Ertüchtigung nachzudenken. Die presstige-Redaktion macht sich fit für den Sommer mit Beiträgen rund um den Schwerpunkt Sport. Macht mit und schaut euch alle gesammelten Beiträge hier an.

Als eine der ältesten Liftanlagen der Welt kann ich aus Erfahrung sprechen, wenn ich behaupte, dass Neueinsteigern das Wasserskifahren zunächst leichter fällt. Sascha meint, im Durchschnitt lernt man es in zwei bis drei Stunden: „Weil die Umsetzung schneller ist und man leichter ein Gefühl für’s Wasser bekommt.“ Beim Wakeboarden sei das anders, da gebe es keine Garantie. „Aber in der Regel brauchen die Leute etwa zehn bis fünfzehn Starts, bis sie fahren“, beziffert Sascha dann doch die durchschnittliche Anfängerversuchsquote – und der muss es wissen, schließlich spricht auch er aus Erfahrung: „Für die Anfänger machen wir eine Fehleranalyse und sagen ihnen, was sie falsch machen oder woran sie unbedingt denken müssen.“ Bei vielen sei das Problem, dass sie einfach noch kein gutes Gefühl für Zugkraft und Geschwindigkeit hätten. Und dann gibt es natürlich auch die, die erst einmal Angst haben und „gegenhalten“.

Von der Turngruppe zum „three-sixty“

Ohne gestreckte Arme und Körperspannung geht bei mir aber leider gar nichts. Ansonsten: Brust raus, Hintern rein, Hantel auf Beckenhöhe, dann sollte es schon irgendwann klappen. Ich höre das den Sascha inzwischen wie vom Band sagen: „Wasser ist wie Glatteis. In dem Moment, in dem man die Hantel mit den Armen ran zieht, fällt man nach hinten um.“

Nach hinten umgefallen ist auch Jane Faaß schon, als sie sich vor 12 Jahren das erste Mal aufs Brett gestellt hat. Seitdem sie mich vor einigen Jahren dann zusammen mit ihrer Turngruppe gemietet hatte, besucht sie mich fast täglich. Schon sehr bald wollte sie es wissen und ist das erste Mal auf einen Kicker, eine Absprungrampe im Wasser, zugesteuert: „Ich hatte auf jeden Fall Respekt, weil es ganz schön steil in die Luft geht. Ich bin mindestens zehn Mal angefahren und habe kurz vorher wieder abgestoppt“. Irgendwann ist sie doch gesprungen – „und nicht hingefallen!“ Für Jane, die sonst gern Snowboard und Ski fährt, bin ich in der schneefreien Zeit zu einer guten Alternative zum Winter geworden. Bei mir hat sie so ziemlich alles gelernt: von der richtigen Haltung, über das Beschleunigen auf dem Wasser und Sprüngen, wie einem 450 oder 180, bis hin zur gekonnten Landung. Wie sie das gemacht hat? „Am hilfreichsten ist es, Tipps von denen anzunehmen, die einem sagen können, ob man die Anfahrt auf einen Kicker schneller, früher oder langsamer gestalten sollte. Ob man genug mit den Knien abfedert oder die Position verändern muss, und so weiter. Und sich natürlich von ihnen abschauen, wie man‘s richtig macht.“ Dadurch, dass ich mit rund 900 Metern ein recht langer Lift bin, sagt Jane, hat man auch relativ viel Zeit, verschiedene Tricks auszuprobieren – so, wie sie derzeit den „three-sixty“. Um das irgendwann zu schaffen, gibt es eigentlich nur ein Rezept: fahren! Dem kann auch Sascha Friedrich zustimmen: „Um richtig gut zu werden, wird man um eine Saisonkarte nicht herumkommen.“

Spektakulärer, höher, trickreicher

Na gut, vielleicht mag ich jetzt den Eindruck erwecken, primär anfängerfreundlich und gutmütig zu sein. Das bin ich auch. Aber nicht nur. Ich kann schon auch gemein sein. Beispielsweise, wenn ich plötzlich in der Kurve beschleunige und das Seil zu straff gespannt ist. Dann heißt es meistens: Servus, Tauchstation, ab ins Wasser. Okay, bei den meisten Anfängern, gewiss nicht bei den Profis! Spektakulärer, höher, trickreicher – die „Prorider“ wissen ganz genau, wie sich mich anpacken müssen. Dennis Wörle zum Beispiel. Schönwetterfahren ist was für andere: 2009 gewann er die Süddeutsche Meisterschaft in der Jugendklasse, stand unter anderem bei der Deutschen Meisterschaft schon mit auf dem Treppchen und hat auch in der Männerklasse („Open Men“) Trophäen mit nach Hause genommen. Wenn er nicht selbst auf dem Wasser ist, teilt er Hanteln aus, gibt Neulingen Starthilfe und trainiert die Jugend vor Ort.

Überhaupt, wer bei mir schon alles mitgefahren ist! Immer wieder bin ich auch Austragungsort für Meisterschaften und Wettkämpfe, zuletzt Ende Juni für den „Schwabenpokal 2014“. Eines muss ich in diesem Zusammenhang loswerden: Bei waghalsigen Sprüngen will ich mir nichts vorwerfen lassen. Wer bei mir in die Luft will, tut das auf eigene Verantwortung und muss seine persönliche Ausrüstung – inklusive Helm – haben, die er, wenn er will, gegen eine Mietgebühr dauerhaft bei mir unterstellen kann. Denn auch wenn Wakeboarden recht ungefährlich erscheinen mag, es zählt doch zu den Risikosportarten. Alle, die schon einmal aus einigen Metern Höhe ungünstig auf dem Wasser gelandet sind, wissen, wovon ich rede: Es. Tut. Verdammt. Weh. Der Aufprall auf die Wasseroberfläche gleicht dem auf Beton.

Aber natürlich bin auch ich selbst nicht unverwundbar. Vor kurzem wurde eines meiner beiden Umlaufseile, die über die hohen Metallmasten laufen, vom Blitz getroffen. Nicht so schlimm! Es musste ausgetauscht werden. Solche Reparaturen verlaufen meist recht schmerzfrei ohne Betäubung: Mit gemächlicher Geschwindigkeit hielt ich mich in Bewegung, damit das kaputte durch das neue Material ersetzt werden konnte, indem es alle paar Meter mit Kabelbindern am alten befestigt wurde. Solange, bis ich mich einmal komplett um die eigene Achse gedreht habe und das alte Seil „amputiert“ wurde. Weil man sich so verantwortungsvoll, regelmäßig, aufwändig und liebevoll um mich kümmert, war ich nach einem Tag Instandsetzung schon wieder wie neu und einsatzfähig.

Also, einsteigen!

Text: Katharina Pfadenhauer, Fotos: Katharina Pfadenhauer & Natalia Sander

Für Wakeboard-Interessierte:

Badehose, Handtuch, gute Laune, ein bisschen Mut – mehr braucht es eigentlich nicht im Rucksack für einen Wakeboard-Tag am Friedberger See. Gegen eine Gebühr verleiht die „Chill-and-Wake“-Anlage vor Ort die Ausrüstung inklusive Schwimmweste und bei Bedarf Neoprenanzüge.

Während der Hauptsaison ist die Anlage an allen sieben Tagen der Woche von jeweils 13 bis 19 Uhr für den normalen Betrieb geöffnet. Vormittags (9 bis 13 Uhr) ist der Lift für private Gruppen reserviert und kann von jedermann gemietet werden. Daneben gibt es verschiedene Kurse, die an unterschiedlichen Tagen und jeweils abends (ab 19 Uhr) stattfinden. Beispielsweise das After-Work-Boarden, den Lady’s Run oder das Sunshine-Boarden. Die Kurse erfordern, aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl, eine Anmeldung. Dafür gibt es keine Wartezeiten! Damit Kinder auch während der Sommerferien aufgeräumt sind, wird in dieser Zeit ein zusätzliches Kinder-Ferien-Programm angeboten, bei dem ihnen das Wasserskifahren oder Wakeboarden beigebracht wird.

Auskunft über weitere Informationen sowie Reservierungs- und sonstige Anfragen erhält man unter der Telefonnummer 0821-60 27 41, über die E-Mail-Adresse info@chill-and-wake.de sowie auf der Internetseite http://www.chill-and-wake.de/.

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