Weil er gehen musste: Studenten starten Petition für Dozenten

Ein engagierter und beliebter Soziologe an der Uni Augsburg bekam keinen neuen Arbeitsvertrag mehr. Das wollen seine Unterstützer ändern – und starten eine Petition.

Text: Eva Maria Knab, Foto: Lisa Luthardt
Text: Eva Maria Knab, Foto: Lisa Luthardt

Soziologe Willy Viehöver, 56, war viele Jahre Lehrkraft an der Universität Augsburg. Seit April ist der promovierte Wissenschaftler und alleinverdienende Familienvater arbeitslos. Er bekam keinen neuen Zeitvertrag mehr. Bei seinen Studenten ist der Dozent sehr geschätzt. Eine Gruppe startete nun eine Online-Petition. Das Ziel: Die Uni soll Viehöver weiterbeschäftigen.

„Wir Studenten ärgern uns immer im Stillen, wenn die besten Dozenten gehen“, sagt Alexandra Kiefer, Mitorganisatorin der Online-Petition. „Jetzt wollen wir gemeinsam ein Zeichen setzen.“ Die Studentengruppe will mit ihrer Unterschriftenaktion erreichen, dass Viehöver eine unbefristete Stelle an der Uni bekommt.

Der Soziologe selbst will sich auf Anfrage nicht zu der Petition äußern. Umso mehr seine Unterstützer. Viehöver sei nicht nur ein engagierter Wissenschaftler. Durch seine umfangreichen fachlichen Kenntnisse sei er auch in der Lehre flexibel einzusetzen, sagt Alexandra Kiefer. Nicht zuletzt betont sie Viehövers „enormen Einsatz“ für Studenten. Als Dozent halte er spannende Seminare, gebe Studierenden wertvolle Tipps und investiere viel eigene Zeit, um den Nachwuchs zu fördern. Was der Studentengruppe besonders missfällt: Die fachliche oder charakterliche Eignung des Dozenten spiele überhaupt keine Rolle, sondern lediglich die „prekäre Beschäftigungspolitik im Wissenschaftsbetrieb“.

In der Petition nennen die Studenten auch den Hintergrund der Probleme – das deutsche Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Danach dürfen Universitäten Dozenten mit Zeitverträgen nach zwölf Jahren nicht länger befristet beschäftigen. Viehöver sei kein Einzelfall. Auch viele andere Mitarbeiter im wissenschaftlichen Bereich seien betroffen.

Diesen werden oft nur Stellen für ein Semester oder ein Jahr angeboten. Dozenten müssten sich für solche befristeten Verträge deutschlandweit bewerben und oft das Bundesland wechseln, heißt es in der Petition. Das bedeute eine permanente Unsicherheit für ihre Familie. Falls wissenschaftliche Mitarbeiter nur eine halbe Stelle ergattern können, seien sie auch nicht ausreichend sozialversichert. Das Leben sei damit schlichtweg nicht mehr planbar.

Dieser Artikel erscheint mit Erlaubnis der Augsburger Allgemeinen. Wir freuen uns, dass wir euch auf diesem Wege schneller informieren können, als wir das sonst geschafft hätten. Neben dem Originalartikel findet ihr auf der Website der Augsburger Allgemeinen auch noch einen Kommentar zum Thema.

Zurück zu Viehöver. Nach dem Aus an der Uni hat er mit 56 Jahren in Deutschland kaum noch Chancen auf dem freien Arbeitsmarkt. Er kann vielleicht noch an eine Hochschule im Ausland gehen. Die Studentengruppe um Alexandra Kiefer will nun versuchen, seine berufliche Zukunft in Augsburg doch noch zu sichern. Mit der Online-Petition sollen 1000 Unterschriften für Viehövers Weiterbeschäftigung an der Uni gesammelt werden. Nach Ostern ist eine Übergabe an die Unileitung geplant.

Politisch waren die Probleme mit Zeitverträgen erst Mitte März ein Thema auf Landesebene. Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle vereinbarte mit den Hochschulpräsidenten bessere Arbeitsbedingungen und klarere berufliche Perspektiven im akademischen Mittelbau.

Die Chancen, dass der 56-jährige Soziologe Willy Viehöver weiter an der Uni lehren kann, sind aber offenbar gleich Null. Wie Pressesprecher Michael Hallermayer auf Anfrage mitteilte, kann Viehöver eben wegen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nicht weiter befristet beschäftigt werden, auch wenn er hervorragende Leistungen gezeigt habe. Zwar würden die Universität und die Fakultät eine unbefristete Anstellung begrüßen, so Hallermayer. Dies sei aber nicht möglich, da keine solche Stelle verfügbar sei. Auch ein wissenschaftliches Drittmittelprojekt mit Geldern von außen, in dem eine Anstellung möglich wäre, gebe es momentan nicht. Die Uni sei an die Anzahl der vorhandenen Stellen gebunden und könne nicht von sich aus eine unbefristete Stelle schaffen.

Und was ist mit der neuen Selbstverpflichtung der Uni zum Umgang mit befristeten Stellen wissenschaftlicher Mitarbeiter? Diese bezieht sich laut Hallermayer vorwiegend auf Beschäftigte in ihrer Qualifikationsphase, also beispielsweise Doktoranden. Sie ändere aber nichts an der gesetzlichen Grundlage, dass Mitarbeiter im akademischen Mittelbau nur maximal zwölf Jahre befristet beschäftigt werden können.

Sie ist im Internet zu finden unter: change.org/viehoever-unbefristet.

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