Wohlfühlgewicht auch ohne Diät

Vom kritischen Blick zur Fat Acceptance Bewegung

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Text: Katharina Knopf – Illustration & Layout: Alexandra Kiefer

Dicksein ist hässlich – Fettsein ist krank. Oder doch nicht? Warum das, was für viele selbstverständlich ist, auf einmal auch ganz anders aussehen kann.

„Ob die sich noch wohl fühlt?“ Das haben sicher viele von uns schon einmal gedacht, wenn wir beim Einkaufen oder in der Tram eine korpulente Person beobachtet haben. Abschätzige Blicke muss man mit starkem Übergewicht öfter ertragen. Doch warum eigentlich?

Die Wahrnehmung ist das Problem

Seit Jahrzehnten bekommen wir eines vermittelt: Adipositas, also krankhafte Fettleibigkeit, ist die neue Seuche der westlichen Welt. Falsche Ernährung und wenig Bewegung sorgen dafür, dass die Zahl der Dicken in die Höhe schnellt. Statistiken und Expertenstimmen untermauern die Warnungen, sodass kein Zweifel bleibt: dünn ist normal, dick gefährlich. Hinzu kommt das Schönheitsideal des schlanken, sportlichen Menschen, ein in den Medien einheitlich präsentiertes Bild. Es ist also nicht verwunderlich, wenn wir Übergewicht verurteilen – an anderen, aber auch an uns selbst: Die Angst zuzunehmen oder zu dick zu sein, ist vielen ein ständiger Begleiter.

Von mangelndem Selbstwertgefühl aufgrund ihres Übergewichts berichtet auch Katrin in ihrem Blog Reizende Rundungen: „Nach endlosen Diäten, Kleidern, die ich mir anschaute, aber nie tragen wollte, und dem dauerhaften Gefühl, dass sich mein ganzes Leben endlich ändern wird, wenn ich nur genug abnehme, war der Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr damit leben konnte.“ Sie begann zu bloggen: Über sich selbst, über Mode – und über Fat Acceptance.

Adipositas: ein gemachtes Problem

Die Fat Acceptance Bewegung ist in den Sechzigerjahren in den USA entstanden, parallel zu Bürgerrechtsbewegungen rund um Rassen, Sex, Krieg und Feminismus. Ihr liegt die Auffassung zugrunde, dass Menschen von Natur aus mit unterschiedlichen Körpern ausgestattet sind, auch was das Gewicht angeht. Die Aktivisten und Aktivistinnen kämpfen für die Akzeptanz vielfältiger Körperbilder. Die Wissenschaft unterstützt sie dabei. Studien zeigen, dass der ideale schlanke Körper nicht unbedingt der gesündeste ist, sondern der, der sich ausgewogen ernährt und genügend bewegt. Das gilt auch für jene, die nach der gängigen Norm als zu dick eingestuft werden. Ein Urteil aufgrund der Kleidergröße dürfen wir uns daher nicht erlauben.

Trotzdem kommt das im Alltag ständig vor. Da dicke Menschen als fauler und langsamer gelten, haben sie zum Beispiel schlechtere Jobchancen und verdienen durchschnittlich weniger, obwohl ihr Gewicht mit ihrer Leistung nichts zu tun hat. Nicht übergewichtige Personen sind also das Problem, sondern unsere Wahrnehmung von
ihnen.

Dass man sich trotz der gesellschaftlichen Kritik im eigenen Körper wohlfühlen kann und darf, zeigen viele Bloggerinnen und Blogger wie Katrin, die dafür kämpfen, akzeptiert zu werden, so wie sie sind und sein wollen.

Ausgabe 28: Körper Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 28 unseres gedruckten Magazins.

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