„Morgen höre ich mit dem Rauchen auf…“

… aber warum?

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Text: Milan Ziwich – Illustration & Layout: Antonia Antonova

Die Stimme eines ganz normalen Rauchers, die versucht das Engelchen und Teufelchen auf seinen Schultern zu übertönen.

Ja. Sicher. Jeder Satz der mit „Morgen höre ich auf…“ und „Morgen fange ich an…“ beginnt, sollte nicht für bare Münze genommen werden, selbst wenn man ihn zu sich selbst sagt. Denn zum richtigen Aufhören und Anfangen gehört auch ein gewisses Durchhaltevermögen in dieser Entscheidung. Und dieses ist meist, wenn man mal in die Vergangenheit schaut und sich erinnert, anfangen und aufhören wollte, nicht belastbar genug. Das „Morgen“ bezieht sich dann wohl eher auf die Intention, es irgendwann einmal zu tun und hat keinerlei Bezug zur derzeitigen Realität. Also streichen wir es. Es geht ums Rauchen aufhören. Die erste Frage, die dabei durchaus gestellt werden muss, ist:

Warum sollte ich damit aufhören?

Natürlich wären da zunächst Krebs, Raucherbeine, faulende Zähne und alle anderen fancy Krankheiten, die auf ausländischen Zigarettenschachteln so abgebildet sind, zu nennen. Zwar sind das alles schreckliche und ziemlich unangenehme Dinge, aber da diese in der fernen Zukunft liegen und unsere Zukunftsklausel ja eben gestrichen wurde, muss die Frage mehr in die Gegenwart versetzt werden.

Warum jetzt aufhören?

Man spart eine Menge Geld, wird nicht mehr, wie gerade hier in Bayern, vor die Tür verbannt und wird nicht von den Mitbewohnern verteufelt, wenn man den Nikotingenuss aus Faulheit und mangelnder Kälteresistenz in der Wohnung praktiziert. Fairerweise sollte man aber auch die Gegenfrage stellen:

Wieso nicht einfach weiterhin rauchen?

Es ist ein guter Fluchtgrund aus dem Club, man lernt damit Leute kennen und es ist eines der entspannendsten Dinge überhaupt. Für mich, als Zigarettendreher, ist das Drehen dieser Wölkchenmaschinen außerdem eine wundervolle haptische Erfahrung. Der Griff in den krausen Tabak, den man, die Haut leicht kratzend, in das Zigarettenpapierchen legt, um beim Zudrehen die Fingerkuppen von der zart-feinrauhen Oberfläche des Papierchens massieren zu lassen. Herrlich! Und das Rauchen erst! Der Orgasmus dieser Fingerfickerei.

Natürlich darf man sich da nicht blenden lassen. Die meisten Glücksgefühle kommen vom Nikotinrausch. Aber ist diese kleine Dosis Glück nicht auch etwas Gutes? Warum also darauf verzichten? Und meistens hilft der Griff zur Zigarette auch einfach nur, um beschäftigt zu sein. Haltestellenwartezeiten kamen mir mit einer Kippe bisher immer kürzer vor, als wenn ich gerade nicht rauchte oder meinen Tabak zuhause vergessen hatte. Liebe Raucher, ist doch so.

Rauchen ist cool?

Rauchen bedient außerdem das immer wiederkehrende Motto von Carpe Diem, heutzutage YOLO. Mit dem Nikotingenuss opfert man für jugendliche Freuden ein gesundes und längeres Leben im Alter und scheißt somit auf die eigene Zukunft. Und drauf scheißen, ist ziemlich cool. Ja, leider muss ich zugeben, dass ich Rauchen verdammt cool finde. Man fühlt sich noch cooler, wenn man nach einer durchfeierten Nacht mit aufgesetzter Sonnenbrille durch die vom Sonnenlicht frisch geweckten Straßen läuft und dabei einen Glimmstengel im Mundwinkel hat. Oh yeah! Die Welt ist mein Spielplatz!

Rauchen ist cool, bis man in der Klinik am Beatmungsgerät hängt.

Rauchen ist cool, bis man vor lauter zugestopften Adern keinen ordentlichen Blutfluss mehr hat und deswegen auf viel schönere Sachen verzichten muss.

Und Rauchen ist cool, bis einem die Zähne ausfaulen und kein Mensch mehr mit einem reden will. So sitzt man dann als Raucher da, hat all diese schrecklichen Bilder im Kopf und klemmt sich mit einem „Morgen höre ich mit dem Rauchen auf…“ den nächsten Filter zwischen die Lippen.

Ausgabe 28: Körper Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 28 unseres gedruckten Magazins.

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