Esperanto – eine Sprache für Europa?

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Text: Jacqueline Dammers; Grafik: Lisa Luthardt

Esperanto, die Sprache der Hoffnung. Schon vor mehr als 120 Jahren hatte ein Visionär die Idee einer gemeinsamen Sprache für Europa. Gerade jetzt in Zeiten des Flüchtlingsstroms könnte diese simple Sprache die internationale Verständigung erleichtern. Kann Esperanto den Durchbruch noch schaffen? Sollte die Plansprache womöglich verpflichtend in Europa unterrichtet werden? Der Dozent Dr. Gavin Hicks spricht Esperanto und sagt: Unbedingt!

Wer zuvor noch nie von Esperanto gehört hat, dem sei verziehen. Die Sprache zählt aktuell nur ungefähr 100.000 aktive Sprecher, doch die Dunkelziffer ist vermutlich weitaus höher. Denn Esperantisten, wie ihr Gründer sie nannte, müssen sich nirgends registrieren. Dennoch besteht eine lose, aber herzliche Gemeinschaft zwischen Sprechern überall auf der Welt. Wer die Sprache spricht, kann sich online nach einem kurzen Test als Tutor registrieren und Lernende weltweit unterstützen. So entstehen Skype Gespräche, Brieffreundschaften oder auch nur ein kleiner Chat. Dadurch können sich Sprecher fortlaufend optimieren und auch gegenseitig motivieren. Nebenbei setzen sie dadurch ganz unbewusst die Intention des Erfinders in die Tat um: internationale Verständigung, einander näher kommen – dank Esperanto.

Dr. Gavin Hicks, Dozent für Anglistik an der Uni Augsburg, ist selbst begeisterter Esperantist und erklärt im Interview, warum Esperanto als gemeinsame Sprache für Europa bestens geeignet sei.

 

Wer kann Esperanto lernen?

„Für jeden, der mindestens zwei Sprachen spricht, ist Esperanto leicht und besonders schnell erlernbar“, meint Dr. Gavin Hicks. „Besonders Europäern fällt es sehr leicht, die Sprache zu lernen. Doch im Grunde erschließen sich Grammatik und Vokabular auch Lernern anderer Herkunft sehr schnell, es gibt nur einige wenige fundamentale Regeln.“ Die Plansprache Esperanto gewinnt ihr Vokabular vor allem aus dem Germanischen, Slawischen und Italienischen. Dennoch gehört sie nicht zu einem bestimmten Land, sondern ist eine Hilfssprache. Menschen sollen international ein Gefühl der Verbindung haben, sollen trotz verschiedener Kulturen und ihrer unterschiedlichen Herkunft einen gemeinsamen Nenner haben, der die Kommunikation erleichtert. So hatte es der Gründer Ludwik Lejzer Zamenhof beabsichtigt. „It’s supposed to cross bridges“, sagt Hicks schulterzuckend. „It’s as easy as that..“

Er selbst lernte die Sprache als Student „mal eben so“ in den Semesterferien. „Irgendwann wird eine Sprache frustrierend, du musst viel Zeit investieren, um dich weiter zu entwickeln. Mit Esperanto hingegen konnte ich mich bereits nach den Ferien verständigen“. Nach nur zwei Monaten meldete er sich als Tutor an und gab selbst interaktiven Unterricht. Auch dadurch konnte er sein Sprachlevel deutlich verbessern und heute noch pflegt er Kontakte zu anderen Sprechern weltweit.

Genau das hatte Zamenhof beabsichtigt: Wenn wir eine Sprache als Weltsprache auswählen, sollte sie nicht aus einem Land kommen. Die populären Sprachen wie Englisch, Französisch und Spanisch tragen als Sprachen der Kolonialherren ein politisches Gewicht, ihre Verbreitung ist die Folge der historischen Evolution. Esperanto sollte frei davon sein; eine neutrale Weltsprache für den Frieden und die erleichterte internationale Verständigung. Zamenhof gab sich nicht der Illusion hin, eine gemeinsame Sprache könne Kriege auflösen, Waffen vernichten und Einhörner auf weißen Wölkchen hüpfen lassen – doch seine Sprache sollte zumindest den Weg zum Frieden in Form einer gemeinsamen Sprache der Kontrahenten erleichtern.

 

Esperanto als Unterrichtsfach –auch für Flüchtlinge?

Dr. Hicks verspricht: Jeder kann innerhalb von nur wenigen Minuten einen kleinen Crashkurs in Esperanto erfolgreich bewerkstelligen. Keine unregelmäßigen Verben, nur eine Pluralendung, keine komplizierten Fälle. Das „fundamento“ ist eine auf nur sechzehn Grundregeln basierende Grammatik. „Ich kann mir deshalb sehr gut vorstellen, dass Esperanto an europäischen Schulen gelehrt werden könnte“, erklärt Hicks. Dabei sollte die Vielsprachigkeit Europas nicht durch Esperanto ersetzt werden. Auch Gründer Zamenhof schätzte die individuellen Sprachen sehr und empfand sie als Teil der kulturellen Identität. Dennoch erschweren sie die Kommunikation dieser Kulturen, die von einem erleichterten Austausch nur profitieren würden.

Tatsächlich ist das Unterrichten von Esperanto an deutschen Schulen bereits seit den fünfziger Jahren erlaubt, sogar als Prüfungsfach an höheren Schulen ist es mittlerweile zugelassen. Bislang existieren jedoch lediglich freie Arbeitsgemeinschaften oder kleinere Schulprojekte zu Esperanto. „Englisch als Weltsprache ist natürlich sehr präsent und stellt die Notwendigkeit einer gemeinsamen Sprache für Europa infrage“, gibt Hicks zu. Aber besonders angesichts des aktuellen Flüchtlingsstroms stellt sich die Frage: Was wäre, wenn Flüchtlinge sich in ganz Europa leicht verständigen könnten? Esperanto zu erlernen erfordert deutlich weniger Zeit als die restlichen europäischen Sprachen. Behördengänge, bürokratische Hürden und womöglich Umzüge in andere Länder könnten mithilfe einer gemeinsamen, leicht erlernbaren Sprache für Flüchtlinge erheblich unkomplizierter sein. Einen Freiwilligen für Esperanto-Unterricht hätten wir jedenfalls bereits an der Hand: „Ich würde mich freuen, Esperanto irgendwann vielleicht auch an der Universität zu lehren und die Sprache an andere weiterzugeben“, sagt Gavin Hicks mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Bis dahin beißen wir uns wohl noch an Französisch, Spanisch und Co. die Zähne aus.

 

 

 

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