Mit Sokrates im Club

Einige Worte zu Theters und alles war ihr Schlaf

Text: Max Klein – Fotos: Ines Flögel

War es nicht Umberto Eco, der mit Platon im Stripsteaselokal war? Bei dem Stück „und alles war ihr Schlaf“ war es ganz ähnlich, nur eben mit Sokrates im Club. Für ein Wochenende eigentlich nichts ungewöhnliches. Wer sich gelegentlich morgens um 5 im City Club rumtreibt, der wird wohl nicht das erste Mal mit einem antiken Philosophen auf der Tanzfläche gestanden haben.

Was sich Theter am Samstagabend bei ihrer Premiere von und alles war ihr Schlaf vornahmen, waren nicht die kleinen Fragen. Nein, Bescheidenheit war nicht das Motto. Sich im intellektuellen Bergwerk die Hände schmutzig zu machen, dagegen eher. Ein melancholisch-musikalisches Abenteuer mit abschließendem Hoffnungskonfetti. Was traurig begann, wollte sich zukunftsoptimistisch entschuldigen. Ein Stück voll von Intertextualität, das die ganz Großen befragt. Ein bisschen Mephistoglitzer hier, etwas Erlkönig da, ein schreiender Nietzsche und ein wegen der Eitelkeit auf Erden weinender Gryphius … Manchmal kommt es einem wie ein Philosophiegrundkurs mit Schnaps und ein bisschen Techno vor. „Wer das verlor // Was du verlorst, macht nirgends halt“. Überwiegend ist es fragmentarisch, etwas unübersichtlich, manchmal kryptisch. Nur der Anfang und das Ende scheinen einen Rahmen zu geben. Lieber Leser, du bist verwirrt? Wo ist anzufangen?

Der ganz eigen gebliebene City Club trifft auf Glas und Beton am rauchfreien Königsplatz. Ist dieses Bild schon Teil des Stücks? Leben! Ging es nicht irgendwie darum? Es ist die große Frage, die menschliche, allzu menschliche: Was macht unser Leben lebenswert? Wie gesagt, nicht ganz bescheiden. Aber ganz im Zeitgeist. Die postmoderne Welt: zerfallen und partikularisiert. So trifft sich das Subjekt vor einer entfremdeten Welt wieder, irgendwie allein und egoistisch und irgendwie siehst du „wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden“. Moral ist historisch geworden, es gibt keine Wahrheit, die modernistische Alles-geht-Bewegung.

Aber Moment, das geht zu schnell! Das ist nur die halbe Wahrheit. Das Stück versucht Antworten zu finden. Vielleicht ist doch nicht alles so lässig nihilistisch, wie man manchmal glaubt. Ein kleines melancholisches Stück zu Beginn, netter Gesang, zynischer Herzschmerz. Plötzlich steht Sokrates auf der Agora und befragt im Sinne seiner Mäeutik die punktierte Masse. Ein kurzes Treffen tagtäglicher Gesichter in Gestalt einer altbekannten Studentin, ein Kasper, ein charmanter Engel und ein Gott, unser Gott, welcher Gott? Ein Ensemble das Antworten sucht und sie hofft zu finden. Nein, sie findet sie in der Hoffnung. Alles was unser Leben lebenswert macht, so die Schlusspredigt, ist Hoffnung. Die Hoffnung, dass alles sich im Wandel befindet und sich so auch -hoffentlich- doch ins Gute verwandelt. Es durchzieht unsere Gegenwart mit einem neoromantischen Glanz als Kontrast zum Glas unserer Handys. Erinnert manchmal an den Versuch des Soziologen Hartmut Rosa, der Rosonanz als eine Antwort auf die Lebensform des entfremdeten Individuums versucht zu geben.

Wer sich Samstagabend lieber mit anderen Dingen beschäftigt, mit seinen Freunden auf das (un-)beschwerte Leben anstoßen mag oder im Leid der existenzialistischen Freiheit Tränen vergießt, der lebe sein Leben, bitte, aber er verpasste eine Alternative eines sympathischen Ensembles.

Schaut vielleicht selbst und überlegt, was euer Leben lebenswert macht. Vielleicht ist das der einzig wirkliche Kommentar zu diesem Stück. Mehr Informationen und den aktuellen Spielplan findet ihr auf der Website des Ensembles.

Fotos: Ines Flögel

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