Sehnsucht. Musik. Ankunft? – Ein Karussell der Kulturen

Ein typischer Abend unter der Woche: man kommt nach Hause, packt vielleicht gerade das Essen aus, das man sich auf dem Heimweg noch eben vom Chinesen geholt hat und macht es sich vor dem Fernseher bequem. Was sind die ersten Bilder, die über den Bildschirm flimmern? Ein Tatsachenbericht in einer aufklärerischen, öffentlich-rechtlichen Enthüllungssendung, oder einfach schlicht die Tagesthemen? Die Chancen stehen gut, dass der Beitrag sich mit einem Thema beschäftigt, welches die Aufmerksamkeit der Gesellschaft dieser Tage wie kaum ein anderes auf sich zieht, sei es bei Wahlen, kriminellen Zwischenfällen oder simpel bei sozialem Engagement: Migration, Einwanderung und der damit verbundenen Integration. Ein polarisierendes Thema, umso mehr polarisierende Meinungen darum herum. Hier spaltet sich alles in zwei Lager, nämlich die Menschen, welche dafür und jene, die dagegen sind und den damit einhergehenden Pauschalisierungen und Anfeindungen des jeweils gegnerischen Lagers. Lässt man Politik, Mentalität und Religion einmal außer Acht, ist alles, was unter dem Strich bleibt, ein Haufen Menschen, die vor diversen Ursachen fliehen und hoffen, bei uns ein Asyl zu finden, aus welchen Gründen dies in den einzelnen Fällen auch immer motiviert sein mag. Menschen, die ebenfalls gerne kochen, einen Spaziergang im Stadtpark unternehmen oder kreativ tätig sind. Summa summarum also wie du und ich.

Bleiben wir bei der Kunst: genau diese Spate der Kommunikation, welche ohne Worte verständlich ist, haben sich die Initiatoren zweier Musikabende zu Nutzen gemacht, in denen die Völkerverständigung, das Ankommen, der Abbau von Vorurteilen und die Kunst der Flüchtlinge im Fokus standen.

Unter dem Titel „Sehnsucht. Musik. Ankunft. Ein Konzert der Kulturen“ fand an den Abenden des 07.02. und des 08.02.2019 im Schloss Nymphenburg, München, eine musikalische Soiree statt, die partiell von künstlerischen, sowie kulinarischen Elementen begleitet wurde.

Das musikalische Programm glich einer internationalen Palette: Lieder aus Frankreich, Deutschland, Afghanistan, Griechenland, Ägypten und weiteren Ländern wurden zum Besten gegeben, wobei ein entscheidender Teil der gesanglichen Darbietung auf die Sängerin und Kulturaktivistin Cornelia Lanz, sowie dem Harmoniumspieler und politischen Liedermacher Pouya Raufyan entfällt. Kleinere Musikstücke wurden von den beiden syrischen Schwestern Wissam Kanaieh und Walaa Kanaieh interpretiert.

Die Begleitung war ebenfalls internationalen Ursprungs: das Instrumentalensemble, welches von einem europäischen Orchester gebildet wurde und in einer musischen Einheit zu spielen verstand, dass den meisten Zuschauern die Beseeltheit im Gesicht anzusehen war, bestand aus bekannten hiesigen Instrumenten, wie Kontrabass (Thomas Hille), Violine (Albert Ginthör/Ludwig Hahn), Violoncello (Hans Peter Besig) oder Viola (Marianne Venzago).

Den exotischen Touch, der in der Tat einmal etwas Neues darstellte, was man nicht häufig auf deutschen Bühnen sieht, vor allem im Hinblick auf ein Konzert, in welchem auch Klassische Stücke von Verdì oder Schubert gespielt wurden, verliehen verschiedene Ouds (Abathar Kmash), eine Art arabischer Laute, die Tabla, eine Beckentrommel, (Said Hashemi) und das Harmonium (Pouya Raufyan).

Die Oud, virtuos gespielt von Abathar Kmash (c) Julia Dreisbach

In Kooperation mit dem Dam Badida Chor der LMU München unter musikalischer Leitung von Andreas Kowalewitz war das gemeinsame Projekt vom Deutschen Forum für Kunst- und Theaterkultur e.V., dem Department Kunstwissenschaften der LMU und des Vereins Zukunft Kultur e.V. ein mit viel Herz vorbereitetes Konzert, das sich mühte, mit Emotion und Talent Verständnis und Verständigung für die Geflüchteten zu schaffen, was mit Erfolg gekrönt war, allerdings auf Kosten der Atmosphäre der Kunst an jenem Abend ging.

Am Rande der Veranstaltung, sowie zu Beginn und in der Pause wurde Kunst ausgestellt, darunter Acryl, Ölbilder und Drucke, die die Erfahrungen und Gefühle der Künstler mit brutalen Regimen oder der Flucht darstellten (Mohammad Eldae / Salomon Musanak Niclaus / Madina Muslieva), nebenbei wurden arabische Leckereien, wie Böreck und Baklava verkauft, die von den Eltern einer Teilnehmerin gebacken.

Wer mit der Erwartung anreiste, ein Klassisches Konzert mit internationaler Besetzung zu sehen, war hier in der Tat etwas falsch.

Mit der neu arrangierten Adaption mancher europäischer Klassiker, die stellenweise in Arabisch übersetzt wurden, trauten sich die Organisatoren etwas Neuartiges zu, was wahrscheinlich bisher recht selten auf deutschen Bühnen zu sehen war. Sie brachten etwas an den Mann, was durchaus zu genießen und interessant anzusehen war, doch gleichzeitig ein gesondertes Publikum benötigt.

Eine willkommene Abwechslung stellten die arabischen Instrumente und Gesang dar, welche für westliche Ohren exotisch und auch schön klangen, nur fehlte hierbei die Balance.

Eine gelungene Mischung aus europäischer und Arabischer Musikkultur sollte präsentiert werden, war in gewisser Weise auch meistens vorhanden, doch lag der Fokus sehr auf dem arabischlastigen Teil der Darbietung.

In manchen Momenten wirkte der Fokus auf die Geflüchteten, ihren Hintergrund, ihre Geschichten – welche natürlich präsentiert und vorgestellt werden sollten – fast schon inszeniert, da dieser manchmal höchst (beinahe schon zu) emotional und überschwänglich, irgendwann vor jedem Musikstück durch eine neue Anmoderation bedacht wurde, um diesen Sänger oder jene Geschichte noch schnell in der Vorstellung unterzubringen, was sich ziemlich negativ auf den flüssigen Ablauf der Soiree auswirkte.

Hier und da hätte es dem Programm gut getan die reine Kunst für sich sprechen zu lassen, anstatt alles in mehrfacher Ausführung zu schildern, weswegen das Publikum eigentlich auch dort war.

Das Hauptmotiv des Abends war die Kunst, speziell aber die Musik, als ein Medium, das (fremde) Kulturen miteinander verbindet, wobei es gerade hier weniger oder gar keiner Worte bedarf, um sich über Sprachbarrieren hinweg zu verständigen. Es hätte gut daran getan, gerade diesem Leitmotiv mehr Aufmerksamkeit zu schenken oder es gar mehr in den Fokus zu rücken, weil sich ja gerade hierin eine Hauptaussage befindet, die die Zuschauer mit nach Hause nehmen sollten.

Im Resümee lasse ich sehr relativ schönen Abend mit einem emotionalen und horizonterweiternden Konzert revue passieren, der allerdings hier und da einige (inhaltliche) Schwächen aufweist, gerade im Bezug auf das Programm und dessen Ablauf.

Dieser hätte um einiges fließender sein können, gerade die Anmoderationen. Das Publikum wurde nicht Zeuge einer kameradschaftlichen, verbindenden Anstimmung zu den Musikstücken, sondern einer inszeniert wirkenden Präsentation, die manchmal nicht ganz wusste, wo es besser gewesen wäre, einige Details fallen zu lassen, die so ganz sicher interessant und schockierend sind, allerdings dem Konzert als solches rein gar nichts gaben. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Dies gilt auch für die Anmoderation selbst, die oftmals sehr gekünstelt war und man nicht ganz wusste, ob man in einem Konzertsaal oder Theater sitzt. Emotion ist gut und trägt Geschichten, ganz klar, doch wurde dem Kitsch hier einige male zu viel Raum gegeben, was eher kontraproduktiv war.

Ich kam in erster Linie, um Kunst zu bestaunen, schöne Musik live zu hören und Impulse, sowie Inspiration mitzunehmen, was ich bekam, war im großen und ganzen das, allerdings nicht so, wie man es vorher erwartet hätte.

Die musikalischen Künstler waren gut, jeder für sich, sowohl an den Instrumenten, als auch im Hinblick auf den Gesang. Besonders hervorzuheben ist hier allerdings das Instrumentalensemble, das einfach nicht nur wunderbare Musik gemacht hat, sondern auch mit einem harmonischen Ensemble schön anzusehen und ein wahrer Augenschmaus war.

Das internationale Orchester ins Spiel vertieft (c) Julia Dreisbach

Eine besonders ästhetische Spielweise besaß hier Thomas Hille, der den Kontrabass anscheinend nicht wie ein Instrument, sondern eher als einen alten Freund versteht, den er schon ein gesamtes Leben hindurch kennt und ebenso liebkost.

Die Kunst im Foyer war ein interessanter Anhaltspunkt und nett anzusehen, passte jedoch nicht zu einem hochtrabenden Klassischen Konzert, sondern eher zu einem Kleinkunstabend, dennoch war es schön, ausländische Künstler in Verbindung mit ihren zu Leinwand gebrachten Geschichten zu erfahren, die außerhalb des standardisierten Fokus liegen.