Auge in Auge mit Mutter Natur – ein Besuch in der Ausstellung “Körperwelten der Tiere”

Biologie hat mich schon immer interessiert. So sehr, dass ich in der Kollegstufe den beinahe fatalen Fehler gemacht habe, einen Bio-Leistungskurs zu belegen… 4 Punkte im schriftlichen Abi. Reden wir nicht darüber. 

Trotz dieser unerfreulichen Erfahrung blieb mein Interesse an Dingen erhalten, die biologisch sind, aber nur indirekt mit Zitronensäurezyklus und Photosynthese zu tun haben. Ich gucke gern Naturdokus und mag es, von biologischen Fakten in Erstaunen versetzt zu werden. (Die Fingerabdrücke von Koalas sind denen des Menschen so ähnlich, dass eine echte Verwechslungsgefahr an Tatorten besteht! Elefantenkinder benutzen ihre Rüssel als Schnuller!) Grund genug also, der freundlichen Einladung zu folgen, mir für Presstige die Ausstellung “Körperwelten der Tiere” in Ulm anzusehen.

Die “Körperwelten”-Ausstellungen erlangten in den Nullerjahren fragwürdige Berühmtheit. Ihr Erfinder, der deutsche Mediziner Gunther von Hagens, begann, vollständige menschliche Leichen auszustellen, die durch ein sogenanntes Plastinierungsverfahren haltbar gemacht worden waren. In den Medien wurde ausführlich verhandelt, ob so etwas erlaubt sei, ob nicht die Totenruhe damit verletzt würde, obwohl alle “Exponate” ihre Körper nach dem Tod ausdrücklich diesem Zweck zugedacht hatten. Wie der Name schon verrät, liegt der Fokus der Ausstellung in Ulm allerdings auf präparierten Tierkadavern (wobei zu meiner Überraschung auch verschiedene menschliche Präparate gezeigt wurden, aber dazu später mehr).

Ich war neugierig geworden, also schnappte ich mir meinen besten Freund, der sich seinerseits das Auto seines Vaters auslieh, und wir brausten bei strahlendem Wetter nach Ulm. 

Standort der Körperwelten ist das Blautal-Center, ein großes Einkaufszentrum, und zu unserem Amüsement liegt der Eingang – etwas prosaisch – neben einem Netto.

© Cornelia Salz

Die Ausstellung selbst ist sehr schlicht gehalten: gut ausgeleuchtete Exponate, von allen Seiten einsehbar, vor schwarzem Grund. Der Effekt ist sowohl sachlich als auch theatralisch – ein modernes Gruselkabinett.

© Cornelia Salz

Eines der ersten Ausstellungsstücke ist ein Hund mit Frisbee im Maul, für immer im Sprung gebannt. Während mein Begleiter direkt Auge in Auge geht, halte ich mich ein wenig zurück, Faszination und ein leichtes Unbehagen angesichts so viel toten Fleisches ringen miteinander.

Aus der Nähe sieht das plastinierte Gewebe dann tatsächlich einfach aus wie bemaltes Plastik, was ich gleichermaßen beruhigend wie enttäuschend finde.

Im nächsten Ausstellungsraum wartet ein menschliches Skelett auf uns, klein, zierlich und zahnlos, mit deutlichen Anzeichen von Gelenkabnutzung und Knochenschwund, und ich bin gerührt. Das ist ein Mensch, ein echter Mensch, eine zahnlose alte Dame, die bereit war, ihr Skelett ausstellen und begutachten zu lassen! Ich würde sie gern fragen, was sie von der Ausstellung hält, und was sie dazu bewogen hat, ihren Körper hierfür zu spenden.

© Cornelia Salz

Der Gang durch die Ausstellung wartet immer wieder mit neuen, für mich oft verblüffenden Exponaten auf. Sei es die “Gefäßgestalt” eines Pferdekopfes, also all die unzähligen Adern, die nötig sind um Gewebe zu durchbluten, oder die schwer fassbare Monstrosität der Muskulatur eines ausgewachsenen Gorillas.

© Cornelia Salz
© Cornelia Salz

Ich will nicht alles vorweg nehmen – einige Präparate sind wirklich zutiefst beeindruckend und leben zum Teil auch vom Überraschungseffekt – nur so viel: Die Ausstellung ist den Besuch wert, auch wenn ich für meinen Teil bei den wenigen menschlichen Exponaten am längsten verweile: das sind unter anderem ein Gehirn, ein Uterus und das Präparat eines kompletten Menschen ohne Haut, der mit einem unsichtbaren Handy zu telefonieren scheint.

© Cornelia Salz

Am Ende bleibt bei mir ein vielschichtiges, melancholisches Gefühl zurück, mit dem Gedanken, dass wir alle am Ende doch nichts anderes sind als wandelnde, animierte Konstrukte aus Fleisch, Blut und Knochen. Und doch: was haben wir mit dem bisschen Hirnmasse nicht alles zuwege gebracht! Drei Pfund Gehirn, und damit haben wir Kunst erfunden, Wissenschaft und Humor. Gar nicht mal so schlecht, eigentlich. Gar nicht so schlecht.

© Cornelia Salz

Die Ausstellung macht noch bis zum 22. September Station in Ulm. Mit Ticketkosten von 12 Euro für Studenten, für einen Rundgang von etwa einer Stunde, gehört die Ausstellung zu den eher teuren Vergnügen. Glücklicherweise gibt es bis zum 31. Juli ein Studentenspecial: 2für1, also 2 Tickets zum Preis von einem!

Die Fahrt ist mit dem Bayern-Ticket durchaus erschwinglich (1 Tag lang im Nahverkehr fahren/bis zu 5 Personen/ab 25 Euro plus 7 Euro je Mitfahrer) und dauert nur bisschen mehr als eine Stunde pro Richtung.

Für die Körperwelten allein würde ich nicht zum Trip nach Ulm raten, wer aber ohnehin mal einen Tagesausflug dorthin machen wollte, etwa, um sich das bei diesem Wetter wundervoll kühle Münster anzusehen, oder mit Blick auf die Donau bei Pizza und Spritz zu sitzen, dem empfehle ich den Besuch der “Körperwelten der Tiere” gern.