BDSM – Brüste, Dildos, Sex und Masturbation?!

© Jeferson Gomes via Unsplash

 

Das ist der letzte Artikel unserer Presstige-Themenwoche. Die ganze Woche über präsentieren wir euch hier Beiträge zu Themen der sexuellen Vielfalt und Aufklärung. Viel Spaß beim Lesen!

Der Titel unserer Themenwoche lautet „Let`s talk about sex!“. Ob in unserer Gesellschaft genug über Sex geredet wird, sei mal dahingestellt. Aber ein Teilaspekt von Sex wird auf jeden Fall wenig thematisiert: Die Welt von BDSM. Doch was steckt alles hinter diesen vier Buchstaben?

Was heißt BDSM eigentlich genau?

Natürlich ist BDSM nicht die Abkürzung für Brüste, Dildos, Sex und Masturbation, sondern für Bondage, Discipline, Sadism und Masochism. Darunter sind sexuelle Praktiken zusammengefasst, die oftmals körperliche Einschränkungen, ein ungleiches Machtverhältnis und Schmerzen beinhalten. Dabei gibt es eine Person, die/der Dom:me, die während der Szene mehr Macht als die unterwürfige Person, die/der Sub, innehält und der/dem Sub Anweisungen gibt.
 

Welche Sex-Praktiken genau unter BDSM fallen, lässt sich nicht so deutlich sagen. Man kann theoretisch alle darunter zählen, wenn eben ein ungleiches Machtverhältnis herrscht. Typische BDSM-Praktiken können zum Beispiel sein:

 

„Bondage“ steckt schon in der Abkürzung BDSM. Fesseln können in Form von Handschellen oder auch bis hin zu kompletter Immobilisierung des Körpers durch Seile etc. in das Spiel integriert werden. Es gibt verschiedene Methoden und Gegenstände, mit denen Körperteile festgebunden werden können; der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.

 

Unter diesem Schlagwort versteht man Schläge mit der Hand oder unterschiedlichen Gegenständen auf verschiedene Körperstellen. Meistens bekommt der/die Sub diese Schläge auf den Po, doch auch auf die Brust, die Oberschenkel, Geschlechtsteil oder sogar im Gesicht sind diese denkbar. Viele genießen die Hand ihrer Partner:innen, andere auch Peitschen, Gürtel oder Ähnliches.

 

Dom:mes haben im Spiel die Kontrolle über so einiges, worunter auch die über den Orgasmus ihrer/ihres Subs fällt. So können sie die/den Sub von gar nicht bis sehr oft zum Orgasmus kommen lassen. Das Herauszögern eines Orgasmus (engl. „edging“) kommt hier oft zum Einsatz, da die/der Dom:me so ihre/seine Kontrolle deutlich machen kann. Bei der/dem Sub baut sich die sexuelle Anspannung immer mehr auf, was den Orgasmus (wenn er denn gestattet wird) noch intensiver macht.

Grundsätzlich werden im Spiel Anforderungen der/des Dom:me an den/die Sub gestellt, welche:r diese zur Zufriedenstellung der/des Dom:mes erfüllen muss. Auch Bestrafungen und Belohnungen können von der/dem Dom:me ausgeteilt werden.

Um sich beim Spiel immer wohl und sicher zu fühlen, ist es unvermeidbar, sog. Safewords im Vorhinein festzulegen. Safewords können zu jederzeit in der Szene benutzt werden, um den mentalen und physischen Zustand in einer kurzen Form auszudrücken. Ein sehr gängiges System ist das Farbsystem einer Ampel: Grün bedeutet, dass alles okay ist und weitergemacht werden kann. Gelb steht dafür, dass jemand eine Pause braucht bzw. das Spiel verlangsamt werden soll. Rot heißt Stopp, alles was gemacht wird, muss sofort aufgehört werden und die körperlichen Einschränkungen entfernt werden. Dieses System ist nur ein Beispiel, das verwendet werden kann. Viele Sexualpartner:innen haben ein eigenes Safeword, auf das sie sich geeinigt haben. Safewords müssen zu jedem Zeitpunkt beachtet werden und geäußert werden können. Falls dies verbal nicht möglich ist, können auch eindeutige Zeichen vereinbart werden.

Durch die Safewords kann immer nachgefragt werden, wie sich die Beteiligten fühlen. Sex soll genossen werden können, deshalb ruiniert es nicht die Stimmung, nachzufragen, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist und es jeder/jedem Beteiligten gefällt. Das ist während dem Spiel wichtig, aber auch vor allem danach. Die Fürsorge nach einer Szene (engl. „aftercare“) beschreibt, dass sich der/die Dom:me um den/die Sub kümmert und beispielsweise Wasser bereitstellt, gereizte Hautstellen eincremt, kuschelt, etc. Jede:r Sub hat eigene Bedürfnisse, die er/sie danach braucht. Dieser Schritt ist so wichtig, da es ohne diese spezielle Fürsorge durch den/die Dom:me zu einem mentalen Zustand bei dem/der Sub kommen kann, der sich Subdrop nennt. Dadurch, dass man wieder in die Realität zurückkommen muss, fallen Adrenalin, Endorphine und Dopamin ab und es kann zu einer Art deprimierendem Gefühl der „Sinnlosigkeit“ kommen. Natürlich kann das auch bei der/dem Dom:me passieren, weshalb eine gegenseitige Achtsamkeit nach der Szene unausweichlich ist. BDSM ohne Aftercare ist sexuelles Ausnutzen und Missbrauch.

Wer praktiziert BDSM?

Eine Studie im Jahr 2017 hat festgestellt, dass rund 27% der Deutschen Spaß an BDSM haben, während 54% noch keine Erfahrung damit gemacht haben, aber es sich vorstellen könnten. Doch wer sind diese Menschen, die Gefallen an BDSM finden?

Theoretisch ist das ziemlich weit zu fassen. Denn was genau zählt schon unter BDSM? Kurz mal die Augen verbinden? Oder muss es eine richtige „Szene“ sein? Es gibt unterschiedliche Ausmaße, in denen BDSM praktiziert wird. Die BDSM-Szene ist auch kein exklusiver Club, in den man erst reinkommt, wenn man bestimmte Praktiken ausprobiert hat. Demnach haben vielleicht schon viel mehr Menschen als in der genannten Studie eine klitzekleine Form von BDSM in ihr Sexleben integriert.

Diese Menschen sind ganz normale Menschen, wie du und ich. Jede:r hat bestimmte sexuelle Vorlieben, manche mehrere und „härtere“, manche wenigere und mehr von der soften Variante. Das ist nicht von dem Geschlecht oder der Art von Partnerschaft abhängig. BDSM ist für alle da und kann von jeder/jedem praktiziert werden, der/die es möchte. Alle Paarformen sind dabei valide – BDSM ist keine typische Sexpraktik von homosexuellen Paaren, wie es die Medien vielleicht oftmals porträtieren.

© Saulius Rozanas via Pixabay

Zudem nutzen viele Menschen BDSM, um kleine oder auch schwerwiegende Traumata zu verarbeiten. Durch die Machtverteilung bei BDSM kann verlorene Kontrolle wiederhergestellt werden, man kann anderen den Druck abgeben, Entscheidungen treffen zu müssen, und jemand kann für einen sorgen. BDSM ist natürlich nur eine temporäre, oft nicht ideale Lösung für Traumata-Verarbeitung, dennoch kann es unterbewusst helfen oder eine Art von Safespace für die Personen darstellen.

Was sind Vorurteile gegen BDSM?

Sowohl durch die allgemeine Tabuisierung von Sex in der Gesellschaft und allem was dazugehört, als auch der Darstellung von Sex und BDSM in den Medien, ist BDSM mit vielen Vorurteilen verknüpft. Darunter fällt, dass BDSM immer mit Schmerzen verbunden ist. Schmerz kann ein wesentlicher Teil von BDSM sein, doch BDSM ist viel mehr. Die oben exemplarisch aufgeführten Praktiken zeigen, dass es diverse Möglichkeiten von Spielchen gibt, die unter BDSM fallen, aber nicht zwingend das Ertragen von Schmerzen beinhalten.

Auch Latex kann ein Teil von BDSM sein, doch nicht alle Personen, die BDSM praktizieren, tragen Latexanzüge. Genauso wenig genießt jede:r Beleidigungen. Beleidigungen können die ungleiche Machtverteilung während einer Szene verstärken, doch müssen weder fester Bestandteil jeder Szene, noch jeder Beziehung sein. Es gibt durchaus Beziehungen, bei denen BDSM in einer fürsorglichen Art und Weise praktiziert wird.

Der/die Dom:me ist nicht immer eine Person, die ihre:n Sub quält und beschimpft, sondern hält auch eine fürsorgende Rolle inne. Als Dom:me trägt man die Verantwortung, sich um seine:n Sub zu kümmern – in welcher Form auch immer. Es kann auch sein, dass BDSM für Personen so aussieht, dass zum Beispiel Schmerzen Teil des Spiels sind, aber der/die Dom:me der/dem Sub dabei gut zuredet, ihn/sie lobt und liebkost. Denn Beleidigungen und grobe Spielchen können für viele sehr verletzend sein. BDSM funktioniert genauso ohne.

Ein Vorurteil, das sehr weit verbreitet ist, ist, dass der Mann immer die Rolle des Doms einnimmt. BDSM ist eine Form der sexuellen Befriedigung der Bedürfnisse aller Beteiligten und der sexuellen Auslebung, nicht eine Wiederspiegelung heteronormativer und patriarchaler Strukturen. Der Mann kann natürlich diese Rolle einnehmen, das muss aber auf keinen Fall zwingend so sein.

© Dainis Graveris via Unsplash

Konsens vs. BDSM?

Die Zustimmung zum Sex ist natürlich immer ein Muss. Nicht anders ist es bei BDSM. Diese Form von Befriedigung sollte bei allen Parteien gewünscht sein, nur dann kann es auch genossen werden. Das heißt, dass trotz der ungleichen Machtverteilung während der Szene, hinsichtlich der Zustimmung auf jeden Fall vorher jede beteiligte Person ihr Einverständnis äußert, auch die Person in der Rolle der/des Sub. Erst danach hat der/die Dom:me das Sagen.

Wer sich bei einer Szene oder mit einer bestimmten Aufgabe nicht wohl fühlt, sollte das unbedingt äußern. Die meisten Menschen haben No-Gos, also Spielchen, die sie überhaupt nicht mögen. Um den Sex zu einem befriedigenden Erlebnis für alle zu machen, sollten diese No-Gos vorab klar kommuniziert werden. Auch wenn das mal nicht geschieht, sollte man auch während der Szene immer durch bestimmte Safewords oder Zeichen fähig sein, doch noch Einspruch einzulegen. Dafür ist es selbstverständlich auch nötig, dass man sich mit seiner/seinem Partner:in wohl fühlt und diese:r die Grenzen zu jedem Zeitpunkt akzeptiert.

Vor allem bei Fessel- und Knebelspielen ist es wichtig, sich dennoch gut verständigen zu können. Für eingespielte Sexualpartner:innen kann das durchaus leichter sein, aber auch bei Personen, die zum ersten Mal miteinander spielen, kann das gut funktionieren, wenn man sich davor gut abspricht und eindeutige Zeichen oder Worte als Signale festlegt. Somit lebt BDSM von Konsens, gegensätzlich dazu, wie es oft nach außen hin scheint.

Fifty Shades of Grey vs. BDSM?

Ein populäres mediales Beispiel, das BDSM-Praktiken darstellt, ist die Buch- und Film-Reihe Fifty Shades of Grey. Der erste von drei Teilen erschien im Jahr 2015, in dem sich Christian Grey und Anastasia Steele kennenlernen. Nach und nach entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden und Christian weiht Ana in seine Leidenschaft ein: BDSM. Wie für viele Menschen ist auch für Christan diese Art von Sex ein Weg, mit traumatischen Ereignissen aus seiner Kindheit klarzukommen. Um seinem Ruf als Milliardär und CEO nicht zu schaden, verlangt er Anas Unterschrift für einen Vertrag, in dem Regeln und auch eine Verschwiegenheitserklärung aufgeführt sind. Trotz der Regeln und Anas Unerfahrenheit geht Christian mit ihr schnell aufs Ganze und verletzt Ana, indem er sich im Rausch verliert. Er gibt ihr Peitschenhiebe und beachtet ihre Safewords nicht.

Fifty Shades of Grey hat viel mediale Aufmerksamkeit, diverse Preise und Chartsplatzierungen bekommen. Doch wenn man sich mit BDSM näher befasst, erkennt man schnell, dass vieles in den Filmen Dargestellte nicht der Realität entspricht. Zwar hat Fifty Shades of Grey das Tabuthema Sex und BDSM ein wenig in der Gesellschaft und den Medien aufleben lassen, aber weder ein Vertrag, noch eine Verschwiegenheitserklärung, noch die grenzenlose Zufügung von Schmerz ist Normalität. Es gibt Beziehungen, in denen BDSM so gelebt wird, dennoch machen diese vermutlich nicht die Mehrheit aus.

Feminismus vs. BDSM?

Eine Annahme, die hinsichtlich BDSM leider oft gemacht wird, ist, dass diese Form von Sex nicht mit Feminismus vereinbar ist. Demnach werden vor allem Frauen verurteilt, wenn sie sich in der Rolle der/des Sub befinden und ein Mann der Dom ist. Ihnen wird vorgeworfen, sich beim Sex unterwürfig gegenüber einem Mann zu verhalten, was nicht den Werten von Feminismus entspricht.

Doch BDSM findet (normalerweise) nur in einvernehmlichen, abgemachten Machtrollen statt, was gegensätzlich zum Patriarchat ist. BDSM befriedigt ein sexuelles Verlangen, was eindeutig von gesellschaftlichen Werten und der Realität abzugrenzen ist. Nur weil man beim Sex vielleicht beschimpft werden möchte, drückt dies in keinster Weise das Verlangen danach in Alltagssituationen oder die Befürwortung eines solchen Verhaltens außerhalb des Schlafzimmers aus.

Zudem ist der Mann in der Rolle des Doms nicht frauenfeindlich und in toxischer Maskulinität gefangen. Als Dom ist die Integration von Herzlichkeit, Verletzlichkeit, Gefühlen und Gleichbehandlung gegenüber deren (weiblicher) Subs im Spiel Voraussetzung. Patriarchale Strukturen verbieten Männern dies, während BDSM nicht ohne die aufgelisteten Aspekte funktioniert. Deshalb funktioniert BDSM genauso wenig ohne Feminismus.

©️ Artem Labunsky via Unsplash

Schlussendlich ist BDSM eine Form von Sex, die in den verschiedensten Beziehungen zu einem unterschiedlichen Grad praktiziert wird. Auch Sexualpartner:innen, die oft BDSM-Spiele ausüben, können mal „Blümchensex“ haben und es mögen. Genauso andersrum: BDSM ist für jede:n da, auch nur mal zum Ausprobieren. Aber es ist natürlich kein Muss, denn jede Person muss sich damit wohl fühlen (Stichwort Consent 😉 ).

2 thoughts on “BDSM – Brüste, Dildos, Sex und Masturbation?!”

  1. Hallöchen 🙂
    Zuerst möchte ich hervorheben, dass ich den Artikel inhaltlich sehr gut finde. Die Autorin verallgemeinert nicht, hat sich ehrlich mit dem Thema befasst und wirkt Vorurteilen entgegen, insbesondere die kritische Auseinandersetzung mit Fifty Shades of Grey hat mir gut gefallen, da ich dessen Darstellung von BDSM schon immer als gravierend falsch empfunden habe (Stichwort Consent).
    Trotzdem habe ich einen Kritikpunkt: Manche Absätze des Artikels sind sehr umständlich zu lesen. Ich möchte mich hier auf keinen Fall gegen die gendersensible Sprache aussprechen, denke allerdings, dass man zwischen Rücksichtnahme und Beeinträchtigung des Leseflusses abwägen muss. Dabei beziehe ich mich vor allem auf die Verwendung von “die/der Dom:me” und “die/der Sub”, was zum Beispiel im Unterpunkt “Orgasmus-Spiele” den Lesefluss stark beeinträchtigt. Da ein Weglassen der gendersensiblen Sprache nicht infrage kommt, wäre mein Alternativ-Vorschlag, bei so speziellen Fällen immer eine Art Disclaimer vor den eigentlichen Artikel zu schreiben, der erklärt, dass bei manchen Begriffen nur eine Genusform verwendet wird, um den Artikel leserfreundlicher zu gestalten. So gut ein Text inhaltlich auch sein mag, wenn er schwer zu lesen ist (und damit meine ich des Schriftbildes wegen und nicht auf einer intellektuellen Ebene) ermüdet er und nimmt dem Leser auf längere Zeit betrachtet auch die Motivation, weiterzulesen.
    Die gendersensible Sprache ist ein schwieriges, oft auch emotional aufgeladenes Thema und ich möchte dahingehend niemandem zu nahe treten, dennoch halte ich es für wichtig Kompromisse einzugehen.
    Liebe Grüße, Ella

    1. Hi Ella,

      danke erstmal für dein positives Feedback 🙂 Zu deinem Kritikpunkt kann ich sagen, dass ich mir Mühe gegeben habe, sehr inklusiv und mit genderneutralen Formen zu schreiben, um alle Geschlechter und Paarformen anzusprechen. Ich finde einen Disclaimer am Anfang und dann die Verwendung von nur einer Form im Text nicht passend, da so wieder eine Gruppe von Personen bevorzugt wird.
      Für mich steht gendern und diskriminierungsfreie Sprache über einem subjektiven, komfortablen Lesegefühl, weshalb ich immer eine (wenn möglich) geschlechtsneutrale oder dann die gegenderte Form verwenden werde – auch, wenn der Text dann nicht mehr komplett flüssig zu lesen ist.
      Danke trotzdem für die konstruktive Kritik und deine freundliche Art, wie du diese angebracht hast 🙂
      LG, Sophie

Schreibe einen Kommentar