Augsburgs Literaturszene umjubelt einmal im Monat seine kreativen Brandstifter
Der tapfere Kämpfer schreitet erhobenen Hauptes durch die Menge zur Tribüne. Seine fest auftretenden Schritte werden jedoch vom alles bedeckenden Geräuschteppich verschluckt. Zweifel und Skepsis hängen schwer in der lärmenden Luft. Funkelnde Blicke werden im Publikum auf ihn abgefeuert. Schutzlos, nur mit seiner messerscharfen Zunge bewaffnet, stellt der Held sich der Menge entgegen. Ob sie ihn in Fetzen reißt oder auf Händen trägt, wird sich in den nächsten Minuten entscheiden.
Von Jennifer Stanzl
Augsburgs Literaturszene umjubelt einmal im Monat seine kreativen Brandstifter
Der tapfere Kämpfer schreitet erhobenen Hauptes durch die Menge zur Tribüne. Seine fest auftretenden Schritte werden jedoch vom alles bedeckenden Geräuschteppich verschluckt. Zweifel und Skepsis hängen schwer in der lärmenden Luft. Funkelnde Blicke werden im Publikum auf ihn abgefeuert. Schutzlos, nur mit seiner messerscharfen Zunge bewaffnet, stellt der Held sich der Menge entgegen. Ob sie ihn in Fetzen reißt oder auf Händen trägt, wird sich in den nächsten Minuten entscheiden. Tief atmet der Wortfechter ein letztes Mal ein und holt zum Angriff aus. Sätze wie seismische Erschütterungen lassen die Nacht erbeben und wühlen das Gedankenmeer der Zuhörer auf! Ihre abwehrbereiten Köpfe kämpfen gegen die schäumende Wortgischt an, doch sie werden mitgerissen und überschwemmt von der Flut seiner verbalen Kraft. Im Strudel der Sprache verlieren Raum und Zeit ihre Bedeutung, Ruhe kehrt ein. Betäubt schwebt das Publikum in den Höhen der Poesie. Langsam und besinnlich, mit der Geduld eines Anglers, fischt nun der Kämpfer aus dem Meer der Träume seine Worte. Lippengedichte tanzen sanft wie liebliche Luftblasen durch die Nacht. Auf wallenden Wolken sitzen Alliterationen und verzaubern mit ihrem Lächeln die Wortlauscher. Ein Hauch von Melodie legt sich sachte auf die zarten Fingerspitzen der Phantasie; jede Berührung wird zur Symphonie des verzückten Intellekts. Eingehüllt in des Dichters Welt, zerbröckeln alle gedanklichen Sperren.
Erst bei Anbruch des Tages hat das Dichten ein Ende. Die Zuhörer spüren den feuchten Kuss des Poetenkämpfers noch auf den Lippen und schwingen sachte zu seiner gesprochenen Lied. Der Sinn der geflüsterten Laute mag manchen von ihnen verborgen bleiben, doch ein Gedankenfunken ist entsprungen. Trunken von des Dichters ambrosischen Saft gleiten die Betroffenen nach Hause; in ihren Gedanken schon weit in dem dichten Wald ihrer Phantasie verloren. Der Kampf des lyrischen Helden hat sich gelohnt!
Augsburgs kreative Crowd pilgert einmal im Monat zur Kresslesmühle, um die Dichtkunst zu feiern. An solchen Abenden ist alles möglich: von humorvollen Prosatexten, über fein stilisierte Sonette, bis hin zum Gangsterrap. Jeder, der sich dazu berufen fühlt, darf teilnehmen. Durch Applaus kürt das Publikum den abendlichen Dichterfürsten! Neben Ruhm und Ehre erwarten den Gewinner eine Champagner-Flasche und ein Büchergutschein. Schon seit über zehn Jahren begeistert der aus den USA stammende Spoken-Word-Trend in deutschen, österreichischen und schweizerischen Groß- und Kleinstädten. Bei den jährlichen Meisterschaften, dieses Jahr Ende Oktober in Leipzig, kämpfen mittlerweile nicht weniger als 90 Slamer und 25 Städte-Teams gegeneinander.
Der nächste Augsburger PoetrySlam findet am 17. Juni in der Kresslesmühle statt.
Mehr Infos unter http://www.e-thieme.de/lauschangriff/