Akklimatisierungsprobleme eines tapferen Freiburger Radfahrers
Ich komme aus Freiburg. Das hat fast nur Vorteile. Es ist eine traumhafte Stadt, der beste Fußballverein der Welt kommt aus ihr, die Sonne scheint ununterbrochen. Letzteres ist ein Klischee, stimmt aber oft. Die wenigen Nachteile passen locker in diese paar Zeilen.
Von Philipp Albers
Akklimatisierungsprobleme eines tapferen Freiburger Radfahrers
Ich komme aus Freiburg. Das hat fast nur Vorteile. Es ist eine traumhafte Stadt, der beste Fußballverein der Welt kommt aus ihr, die Sonne scheint ununterbrochen. Letzteres ist ein Klischee, stimmt aber oft. Die wenigen Nachteile passen locker in diese paar Zeilen.
Erstens: Wer als Freiburger in Augsburg studiert, darf zwar damit rechnen, sich mit jedem über die putzigen Bächle unterhalten zu können, wird aber ständig mit zweideutigen Fragen konfrontiert. “Wie, und da studierst du hier?” Das soll, vorausgesetzt, es wurde nicht tatsächlich aus Interesse gefragt, wohl meistens heißen: “Warst wohl ein bisschen zu schlecht, was?” Oder der weit nach Augsburg Geflüchtete wird als schlagkräftigster Beweis ins Feld geführt, dass es nur zwei Sorten von Menschen gibt: Die bereits in Bayern wohnen und die dorthin wollen. Möglich sind auch noch Vermutungen, es mit einem Geisteskranken oder zumindest einem Menschen zu tun zu haben, den schwere familiäre Probleme in die Fremde trieben.
Zweitens, und damit zum Thema: Als Freiburger in Augsburg zu studieren ist lebensgefährlich. Zumindest wenn man wie ich gerne mit dem Rad unterwegs ist. Ich muss das dem Nicht-Freiburger kurz erklären: Freiburg ist die Fahrradhauptstadt der Feinstaub-geplagten Bundesrepublik. Wer dort täglich keine zehn Kilometer auf dem Rad zurücklegt, ist entweder komplett unsportlich oder versnobt.
In der Fuggerstadt gelten andere Gesetze. Das ist der Grund, warum ich wie ein Extremsportler gefeiert wurde, als ich bei plus zehn Grad vom Univiertel zum CinemaxX geradelt bin. Diese für mich als Freiburger sehr merkwürdig anmutenden Lorbeeren bestätigen meinen Eindruck: Augsburg ist nicht mal Fahrradkreisstadt, sondern eher ein Weiler. Ich befürchte, dass von zehn Augsburgern gefühlte zwei einen Drahtesel besitzen. Dementsprechend wenig wissen die Datschiburger mit der seltenen Spezies Radfahrer anzufangen. Das artet mitunter, getreu dem Motto “was d’r Baur net kennt, hupt er weg” in Hupkonzerte und wüste Beschimpfungen aus. Ein Fußgänger, egal wie wacklig, der auf einem zweigeteilten Weg unvermittelt auf die Radfahrerseite wechselt, gilt in meiner Heimat als lebensmüde. Wer in der Hauptstadt des Breisgaus sämtliche Sympathieboni verspielen will, fährt nachts ohne Licht. Im bayerisch-schwäbischen 270000-Seelendorf fühlt man sich nach dem dritten Pöbler so schuldig, dass man am liebsten auf der Stelle für seine Straßenverkehrsschwerverbrechen auf einem mit dem eigenen Dynamo betriebenen elektrischen Stuhl sterben möchte.
Übrigens: Der ADAC hat herausgefunden, dass in Städten mit wenig Radverkehr mehr Unfälle passieren. Ich bin nur froh, dass ich nicht in Wuppertal studieren muss. Von 35 Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern hat Augsburg bei einem Fahrradklimatest des ADFC Platz 14 belegt. Wuppertal war auf 35. Wir gratulieren allen nach Augsburg geleiteten Studenten!