Mit französischer Finesse werden in der Mensa täglich tausende Mahlzeiten zubereitet – Ein logistisches Meisterwerk
Auch in Zeiten von Tim Mälzer und Jamie Oliver gelten die französischen Köche à la Paul Bocuse als die Besten der Welt. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet in der Mensa der Augsburger Universität diese Meister der Kochkunst am Werk sind?
Von Marco Pfohl
Aber der Reihe nach:
Morgens, um sieben Uhr, sprich zwei Stunden, nachdem ihr aus dem MoTown, der Maha oder dem Peaches nach Hause gestolpert seid, beginnt der Arbeitstag derjenigen, die euch täglich euer Mittagessen zubereiten. Lagerist Ralf Kurzer wartet auf den Fleischlieferanten und schiebt schon einmal die vorbereiteten Container zum Aufzug. „Ich bereite die Wägen eine Woche vor dem eigentlichen Kochtag vor, stell sie bei mindestens -18,5 °C kalt und bring sie frühmorgens nach oben, damit die Köche pünktlich mit dem Kochen anfangen können“, erklärt der 52-Jährige.
Heute stehen Pariser Schnitzel, Schollenfilet und natürlich die bekannten Pastagerichte auf dem Speiseplan.
500 Eier und ein Zauberstab
Der stellvertretende Küchenchef Sylvain Bois klingelt mit einer kleinen goldenen Glocke und holt sich sein Personal zur kurzen Lagebesprechung zusammen. Die Mitarbeiter erfahren, welche Aufgaben sie an diesem Tag erwarten. „Jeder arbeitet mal an jedem Arbeitsplatz, so dass keiner jeden Tag nur spülen muss“, beschreibt Bois das Rotationsprinzip in der Küche. Die meisten Küchenhilfen unter der Leitung von Hauswirtschafterin Gabi Zwiewka machen sich an die Arbeit, die Früchte und das Gemüse für die Salate und Desserts vorzubereiten, während sich zwei Angestellte an ihr „Gesellenstück“ machen. Ein riesiger Behälter steht neben einer ähnlich großen Pfanne, dazwischen noch eine Wanne voll zäher gelber Flüssigkeit. „In dem Behälter befinden sich doch nur ungefähr 1000 Schnitzel, die nun durch eine Marinade gezogen werden und dann gebraten werden müssen“, scherzt der zweite französische Koch Michel Coquio und gibt Hilfskraft Vita Perrone genaue Anweisungen, wie die Schnitzel zu braten sind. Die Marinade, die unter anderem 500 Eier beinhaltet, wurde von Küchenchef Bois mit einem „Zauberstab“ gerührt, der ungefähr die Größe eines Presslufthammers hat. Dieses Procedere nimmt mehr als vier Stunden in Anspruch. Ähnlich lange ist Küchenhilfe Helga Szczepanski damit beschäftigt, hunderte von tiefgekühlten Schollenfilets zu frittieren.
„Ein Tag reicht nicht zum Hackfleisch machen“
Zurück zum Hauptfilm: Langsam kommt Stress auf. An acht Feuerstellen wird gleichzeitig gekocht, gegart und gebrutzelt. Die Zeit drängt. Bereits gegen 8.30 Uhr kommen Mitarbeiter aus den Außenstellen der Schill- und der Baumgartnerstraße, um die Gerichte für diese Standorte abzuholen. „Bis dahin muss der erste Teil schon fertig gekocht und in die Thermobehälter gefüllt worden sein“, erläutert Sylvain Bois während er 30 kg Mayonnaise zu einer Remouladensoße verarbeitet. Auch hierzu benutzt er einen Rührstab von überdurchschnittlicher Größe. Die Dimensionen gerade auch der Zutaten scheinen selbst für den erfahrenen Großküchenkoch Bois zum Teil beeindruckend zu sein. „Wir verkochen heute 40 kg Spaghetti oder an anderen Tagen bis zu 250 kg Pommes Frites“, sagt er mit großen Augen.
A propos Spaghetti
Die sprudeln gerade noch in einem gewaltigen Topf, während Michel Coquio dabei ist, die Tomatensoße zu würzen. „Wir schmecken die Soßen ab und würzen gegebenenfalls nach. Hier bringt eine Prise nichts. Bei uns sind das dann halt mal 500 Gramm Salz oder so. Probiert wird aber mit einem normalen Löffel“, fügt er schelmisch hinzu.
Es ist nun 9 Uhr morgens, die Lieferung an die Außenstellen ist erledigt, Zeit also für eine kurze Kaffee- oder Zigarettenpause. Der Küchenchef klingelt wieder mit dem Glöckchen. Alle Kochstellen, Pfannen und Öfen werden abgedeckt und auf 50°C heruntergefahren und man findet sich für 15 Minuten im Pausenraum ein. Nach der Unterbrechung geht es weiter: Noch bevor die etwa 3500 Mahlzeiten für den heutigen Tag fertig sind, ist Koch Bois bereits damit beschäftigt, das Hackfleisch für den nächsten Tag vorzubereiten. „Ein Tag reicht nicht zum Hackfleisch machen, portionieren und braten, weshalb wir solche Sachen schon am Tag davor vorbereiten müssen. Dann landet das Essen hier oben im Kühlraum.“
10.000 Rezepte für ein Halleluja
Während sich die Küchenhilfen und die Teilzeitkräfte, die später dazugestoßen sind und sich der Kassen sowie der Essensausgabe annehmen, auf die ab elf Uhr einfallende hungrige Studentenhorde vorbereiten, hat der stellvertretende Küchenchef etwas Zeit für Schreibarbeit. Direkt hinter der Küche ist sein Büro. Hier hat der Maestro ein bisschen Ruhe vor dem Trubel rund um die Kochtöpfe. „Wir arbeiten mit einem Programm namens Telos, worin sowohl die Vor- als auch die Nachbereitung erledigt wird“, erklärt er. „Der Speiseplan wird vier Wochen im voraus geplant und mit Hilfe der 10.000 im System gespeicherten Rezepte zusammengestellt. Trockenartikel, Konserven, Öl und so weiter bestelle ich beim Lageristen, und Frischware und Tiefkühlkost werden über das Programm an die Mitarbeiter in der Eichleitnerstraße weitergeleitet, die die Bestellung dann an die Lieferanten ausschreiben.“ Anschließend muss er noch die Inventur seines Lagers anhand der verbrauchten Mengen des Vortages machen. Alles wird penibel verbucht und abgelegt, damit bei den halbjährlichen Hygiene- und Buchhaltungschecks alles nachvollziehbar ist.
Überhaupt wird Hygiene sehr groß geschrieben in der Mensaküche. Ständig ist irgendwo jemand am Putzen. Es scheint, als werde hier mehr geputzt als gekocht. Alle benutzten Geräte, Schüsseln und Töpfe werden sofort gereinigt und am Ende des Tages komplett desinfiziert. Nachdem diese Arbeiten erledigt sind, kann Sylvain Bois endlich zurück in sein Reich, um nach dem Rechten zu sehen.
Bois weiß, wie’s geht: Das Runde muss auf das Eckige
Die Essensausgabe ist in vollem Gange, die Mensa füllt sich zusehends und Bois geht in die Spülküche. Hier versteht man sein eigenes Wort nicht. Hinter der Wand des Laufbandes schwitzen die Küchenhilfen und bemühen sich, die riesige Menge an Geschirr und Besteck wegzuschaffen. Ihnen hilft ein großes, lautes Ungetüm, das pro Minute über 20 Tabletts bearbeiten kann. Der stellvertretende Küchenchef schaut kritisch auf die klappernden Servierplatten. Wieder erblickt er einen wankenden Geschirrberg und erläutert kopfschüttelnd die Problematik des Spülautomaten: „Das ist ein bisschen schwierig mit dieser Maschine, da sie nur funktioniert, wenn die Studenten ihre Tabletts wie außen angeschlagen auf das Band stellen , sonst stockt die Maschine und wir müssen alles von Hand reinigen.“ Gut, dass der Koch selbst mit Hand anlegt. Und gut, dass er nicht wie seine sternedekorierten Kollegen durch TV-Sendungen tingelt. So kann er mit beinahe einer dreiviertel Million Mahlzeiten pro Jahr mehr hungrige Menschen glücklich machen als alle Starköche zusammen.