“Für die Elite ist es am besten, wenn es sie gibt”

Der bayerische Kabarettist Bruno Jonas liest beruflich unserer „Führungs-Elite“ die Leviten. Im Gespräch mit presstige verrät der Studienabbrecher, warum die Kirche elitärer werden muss,was er von Elite-Studiengängen hält – und wieso er sich selbst gar nicht  zur Elite rechnet

presstige: Herr Jonas, was bedeutet für Sie „Elite”?

Jonas: „Elite”, mei, damit assoziere ich erst einmal „elitär” – und das will wohl keiner sein, weil es so abgehoben klingt. Aber Elite, das wollen wir andererseits auch alle sein, oder? Das gilt auch in der Wissenschaft. Nur in dem Bereich kenne ich mich gar nicht aus. Da gehören zur Elite vermutlich diejenigen, deren Ergebnisse wirtschaftlich verwertbar sind und den Menschen Vorteile bringen sollen. Aber da könnte man jetzt schon spitzfindig werden: Sind die Ergebnisse der Forschung wirklich immer ein Fortschritt für die Menschheit? Wenn ich da etwa an die Kernspaltung denke, dann wär das ein klarer Fall von „strahlender Elite” – i woaß net. Eigentlich muss zum Elite-Begriff auch die Reflexion über wissenschaftliche Ergebnisse unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten gehören. Da könnten Sie jetzt Ihren Studentenpfarrer fragen, der kann Ihnen bestimmt einiges dazu erzählen. Der gehört auf jeden Fall zur moral-ethischen Eliteabteilung, oder?

 

Von Michael Sentef

presstige: Also ist Elite mehr als wissenschaftliche Top-Leistung?

 

Jonas: Wahrscheinlich schon. Nehmen Sie zum Beispiel Jesus Christus. In Sachen Solidarität und Nächstenliebe zählt der heute noch zur Elite. In diesem Sinne haben die Kirchen noch einen enormen Elitebedarf. Ich glaube ja, man muss den Elite-Begriff durchdeklinieren durch verschiedene gesellschaftliche Bereiche. Übrigens: Eine anständige Deklination hinzukriegen ist heute manchmal auch schon ein Zeichen von Elite.

presstige: Was halten Sie davon, die Elite an Elite-Universitäten und in Elite-Studiengängen gezielt heranzuzüchten?

Jonas: O mei, des fragen’s mich als Studienabbrecher? Dazu müsste es erst einmal einen gesellschaftlichen Konsens geben über das, was in solchen Elite-Programmen gelehrt wird. Was ist eigentlich elitär an einer Universität oder einem Studiengang? Es sollen alle eine Chance haben elitär zu werden, also Zugang zur Elite zu bekommen. Geld scheint dabei eine Rolle zu spielen. Die Frage, die wir uns alle stellen müssen: Was kostet uns eine Elite und was darf sie kosten? Und wieviel ist sie uns wert? Und dann kann man nie sicher sein, was jeweils hinten rauskommt bei diesen Elite-Zuchtverfahren, oder? Am Ende kommt dabei ein ganz elitärer Schlaukopf raus, der alles besser weiß, aber sein Wissen nicht mehr verständlich unter die Leute bringen kann.

presstige: Nehmen wir Angela Merkel oder Edmund Stoiber. Wie sehen Sie die „Eliten” in der Politik?

Jonas: Da greifen Sie jetzt aber zwei gelungene Exemplare heraus. Die zwei gehören auf jeden Fall zur Führungselite ihrer Parteien. Mei, das ist in der Demokratie halt so. Die haben eine Mehrheit. Da kannst nix machen. In diesem Zusammenhang klingt „Elite” fast ironisch und man entwickelt Verständnis für die Forderung nach einer Elite. Aber wahr ist schon: Wenn Sie von Eliten in der Politik sprechen, suggerieren Sie, dass Elite auch etwas mit Macht zu tun habe. Ursprünglich hat das Platon in seiner „Politeia” – der ist Ihnen bestimmt bekannt, gell, der alte Politikberater? – für den Idealstaat ja so gedacht. Platon forderte die Herrschaft von Philosophenkönigen, dass also die geistige Elite den Staat regieren möge. Hier kann man natürlich von einer idealen Macht-Geist-Verbindung sprechen. Aber das versteht wahrscheinlich jetzt auch nur die Elite. Heutzutage schließen sich Geist und Macht oft aus. Leider!

presstige: Zählen Sie sich denn selbst zur Elite?

Jonas: Ich würd schon gern, aber ich weiß wirklich nicht, was das sein könnte, eine Elite. Wenn man an eine Kabarettelite denkt, dann hat das an sich schon was Komisches. Kabarett ist gesellschaftlich eher unten angesiedelt und die Elite oben. Die SPD zum Beispiel will eine „Elite für alle”. Jeder soll Zugang haben zur Elite, also „Kurt Beck for everyone!” – geil! Da bin ich doch lieber ein Underdog.

presstige: Was könnte sie denn leisten, eine Elite?

Jonas: Nur das Beste, oder? Andernfalls sollten wir darauf verzichten. Freilich müssten wir jetzt noch schnell festlegen, was das Beste für alle wäre. Das leisten wiederum die Eliten. Für die Elite ist es am besten, wenn es sie gibt. Eliten müssen Verbindungen schaffen, zwischen allen Bereichen hin und her switchen können. Eigentlich müssen Eliten alles können. In der Elite werkeln die Alleskönner! Keine Genies! Denn Genies haben ja meistens einen Defekt, sind keine Allrounder. Denken Sie an politische Genies, die finden sich im sozialen Alltag häufig ohne fremde Hilfe nicht zurecht. Insofern zählt das Genie nicht zur Elite. Denkens doch nur an den großen Staatenlenker Stoiber!

presstige: Herr Jonas, herzlichen Dank für das Gespräch!

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