Was Augsburger Hochschullehrer vom BA/MA-System und ihren Studenten halten
Von Dominik A. Hahn, Illustration: Alexander Stelz
presstige: Halten Sie die neuen, Modul basierten Studiengänge für zeitintensiver als die alten Diplom- und Magisterabschlüsse?
Reinmann: Das kann man pauschal nicht sagen: Wer genau das macht, was in der Studien- (StO) und Prüfungsordnung (PO) steht, der hat im BA/MA-System sicher mehr zu tun. Magisterstudiengänge aber waren vom Prinzip her so aufgebaut, dass man sehr viel Freiraum für eigene Entscheidungen hatte. Es gibt Magister-Studierende, die mindestens genauso viel an Veranstaltungen besuchen wie BA-/MA-Studenten – aber eben unter anderen Voraussetzungen. Nämlich unter der Voraussetzung einer viel größeren freien Wahl und, ganz wichtig, weitgehend freiwillig.
Eilders: Das kann ich gar nicht so recht beurteilen, da ich nicht weiß, wie viel Zeit in den Nebenfächern investiert werden muss. Insgesamt kommt mir der Aufwand aber recht stabil vor. Natürlich kann man die Veranstaltungen nicht mehr über so viele Semester verteilen, so dass es sich schon teilweise ziemlich häuft. Vor allem im Masterstudiengang, in dem in nur drei Semestern sehr viele Credit Points anstehen sowie die Arbeit geschrieben werden muss.
Buhl: Die Augsburger WiWi-Fakultät hat bereits im Jahre 1999 innerhalb der Diplomstudiengänge auf Module umgestellt und ist bundesweit die einzige Fakultät, die einen BA-Abschluss schon damals integriert hatte. Eine Mehrbelastung aufgrund der Umstellung war für die Studierenden nicht gegeben. Da durch den zum 01.10.2008 geplanten Wechsel von Diplom auf dann nur noch BA/MA keine Veränderung hinsichtlich der Leistungspunkte erfolgt, ergibt sich auch kein Belastungsunterschied auf Seiten der Studenten.
presstige: Erkennen Sie einen Unterschied hinsichtlich des Engagements bzw. bestimmter Kompetenzen zwischen BA/MA-Studenten und ihren Magister-/Diplomkommilitonen?
Reinmann: Tendenziell kann man schon eine höhere Leistungsorientierung bei den BA-/MA-Studierenden erkennen, was auch logisch ist, weil jede Bewertung in die Endnote einfließt: Das erhöht die Leistungsmotivation, was man aber nicht mit besserer Leistung gleichsetzen darf. Vor allem sind es die individuellen Unterschiede in Interessen, Vorwissen und sicher auch Begabungen, die Leistung bestimmen und nicht primär die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Studentengruppe. Die durchaus zu begrüßende höhere Leistungsmotivation geht aber in einigen Fällen einher mit einem Absinken an Experimentierfreude beim Lernen und Arbeiten in Projekten, was sich negativ auf Kreativität und das Sammeln von vielfältigen Erfahrungen auswirken kann. Hier haben aufgrund der anderen Bedingungen Magister- und Diplom-Studierende wieder einen Vorteil. Aber auch das ist natürlich „nur” eine Tendenz.
Eilders: Die BA- und MA-Studierenden sind – auch weil sie in der Regel jünger sind – deutlich stärker im Präsentieren. Hinsichtlich der sonstigen Leistungen variieren die verschiedenen Diplom- und Magisterstudiengänge so stark, dass man gar nicht verallgemeinern kann. Die Politikwissenschaftler haben etwa eine stärker ausgeprägte „sozialwissenschaftliche Denke” und Vorbildung als etwa die Diplom-Geografen.
Buhl: Einen derartigen Unterschied können wir in unseren Seminaren nicht feststellen – er wäre auch nicht zu erwarten.
presstige: Worin sehen Sie die Chancen bezüglich der neuen Studiengänge? Schließlich sind die Studiengänge aufgrund der starken Modularisierung sehr verschult. Widerspricht dies nicht dem Humboldt‘schen Ideal?
Reinmann: Zu Modulen könnte ich auch Themengebiete sagen – und die gab es schon immer. Gute Hochschullehrer haben sich auch schon immer Gedanken darüber gemacht, auf welchen Wegen sich Studierende durch Auseinandersetzung mit welchen Themen wissenschaftliches Wissen und Können aneignen können. Die Grundidee von Bologna wird in Deutschland viel zu rigide ausgelegt. Ich fühle mich durch den Bolognaprozess und die damit eingehende Modularisierung und das ETCS-Prinzip in meiner Lehre nicht eingeschränkt. Im Gegenteil: Man kann das auch sinnvoll nutzen. Einschränkungen ergeben sich vielmehr dadurch, dass externe Instanzen, die so genannten Akkreditierungsinstitute, mit teilweise fragwürdigen Kriterien und Verfahren nun im ganzen Land ermächtigt sind, Qualitätsurteile abzugeben, die den einzelnen Hochschulen und Hochschullehrern damit die Verantwortung und Kompetenz absprechen, selbst zu entscheiden, wie ein vernünftiger Studiengang aussieht. Ob er was taugt, sollte erstens intern, zweitens durch Kooperationen zwischen Hochschulen und einer Art „Peer-Review” sowie drittens durch die Studierenden und ihre späteren Arbeitgeber entschieden werden, ohne dass sich dabei einzelne Agenturen eine goldene Nase verdienen.
Eilders: Das entspricht dem Ideal weder in Bezug auf die inhaltliche Freiheit noch in Bezug auf die zur Verfügung stehende Zeit, seinen besonderen Interessen nachzugehen. Die Vorteile liegen tatsächlich einfach darin, dass mehr Studierende in kürzerer Zeit zu einem Abschluss gebracht werden können und damit die Uni verlassen könnten. Was sie allerdings nach meinen Erfahrungen nicht tun. Vielmehr hängen sie den Master dran und bleiben.
Buhl: Modularisierung führt nicht zwangsweise zur Verschulung. So versuchen wir das Lehrprogramm nach der Devise „Wenig Pflichtfächer, viel Wahlfreiheit” zu gestalten und mit einem hohen Gewicht auf Projektseminaren studentisches Engagement zu fördern. Daher sind unsere Studenten sehr flexibel bezüglich des Profils, das sie sich fachlich aneignen wollen und können auch Soft Skills und interdisziplinäre Kenntnisse entwickeln.
presstige: Was würden Sie wählen, könnten Sie sich nochmals für ein Studium entscheiden: einen BA-/MA-Studiengang oder doch lieber die alten?
Reinmann: Man kann Uhren nicht wieder zurückdrehen. Ich würde mich für das neue System entscheiden – und auch als Studierende mithelfen, dieses neue System sinnvoll zu gestalten. Bologna ist ja kein Schicksal, sondern eine Gestaltungsaufgabe.
Eilders: Ohne Frage die alten Studiengänge. Wissenschaftliche Interessen können in den kurzen und stark verschulten BA- und MA-Studiengängen nicht bedient werden. Für Personen, die schnell in einen Beruf wollen, bietet sich das kurze Studium sicher an.
Buhl: Ich selbst habe mich 1976 in Karlsruhe für einen Diplom-Wirtschaftsingenieur-Studiengang und 1979 in Berkeley für einen Master of Science entschieden. Wenn man nicht beides machen kann, gilt: Man muss auf die neuen Standards setzen. Übrigens haben wir gerade auch unseren Elite-Studiengang „Finance & Information Management” auf einen „Master of Science with honors”-Abschluss umgestellt.
Prof. Gabi Reinmann, Professur für Medienpädagogik am Institut für Medien und Bildungstechnologie, ist zuständig für den BA/MA-Studiengang „Medien und Kommunikation”.
Prof. Christiane Eilders, Professur für Kommunikationswissenschaft, ist zuständig für den BA/MA-Studiengang „Medien und Kommunikation”. Die KW steuert auch Inhalte für den neuen BA-Studiengang „Sozialwissenschaften” bei.
Prof. Hans-Ulrich Buhl ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik & Financial Engineering und zuständig für den Elite-Studiengang „Finance & Information Management” (MSc).