Ganz schön ausgefuxt

Augsburger Studentenverbindungen suchen Nachwuchs und setzen auf Traditionen

Ein ausgestopfter Fuchs steht einsam auf einem Tisch an der Wand. Wände und Möbel sind aus hellem Naturholz. Die Wände zieren Wappen, Geweihe und Fotos von Männern, die mit Schärpen, Mützen und Orden reich dekoriert sind. Der Kneipsaal, der Versammlungsraum der katholischen Studentenverbindung Ludovicia, lässt bereits Tradition erahnen. Das Verbindungshaus selbst ist von außen eher unscheinbar und liegt ganz zentral in der Augsburger Altstadt: Am Mittleren Lech.

Von Katrin Strehle, Fotos: Natalie Stanczak und Jan Koenen

Die drei Jungs, die schließlich an der großen runden Tafel Platz nehmen, wirken freundlich, aber ein wenig misstrauisch. Das Trio bittet, nicht namentlich genannt zu werden. Leben die Jungs etwa „inkognito”? Müssen sich die Mitglieder von Verbindungen verstecken? „Man wird oft mit misstrauischen Blicken bedacht, wenn man sich als Bursche outed”, erklären die Studenten. „Die Vorurteile sind leider allgegenwärtig.”

Pauken – mit dem Degen

Auch bei der ältesten Verbindung in Augsburg, der Rheno Palatia, gibt es zunächst misstrauische Blicke. Treffpunkt ist ein langer dunkler Holztisch im Verbindungskeller. Große bunte Wappen und Fotos bedecken auch hier die Steinwände und gleich zwei ausgestopfte Rotfüchse leisten den Burschenschaftern Gesellschaft. Über der Brust tragen die Rhenos das typische Erkennungszeichen jeder Verbindung: das so genannte Band. Eine schmale Schärpe, die von rechts oben nach links unten getragen wird. Sie zeigt die Verbindungsfarben: weiß, karmesin und schwarz. Kritische Fragen werden mitgeschrieben. „Burschenschaften werden oft in einem falschen Licht dargestellt”, erklärt Senior Aurel zögernd. Ein Grund dafür ist wohl, dass die Rheno Palatia eine der zwei aktiv schlagenden Verbindungen in Augsburg ist. „Bei uns ist es Pflicht, dass die Anwärter, die so genannten Füxe, das Pauken (Fechten) lernen.” Dafür werden bei den Rhenos allerdings stumpfe Klingen verwendet. Scharfe Mensuren, also Wettkämpfe im Fechten, sind freiwillig.

Anders ist es bei den pflichtschlagenden Verbindungen. Dort ist eine bestimmte Anzahl scharfer Mensuren vorgeschrieben. Bei diesen werden in der Regel gleichstarke Gegner einander gegenübergestellt.  Außer den Augen ist dabei nichts vor den scharfen Klingen geschützt. Daher scheint es nicht verwunderlich, dass die letzte Mensur bei Rheno Palatia vor drei Jahren geschlagen wurde. „Traditionell geht es beim Pauken sowieso nicht darum, jemanden zu verletzen. Wenn man eine Verletzung – einen so genannten Schmiss – kassiert, hat man etwas falsch gemacht”, entkräftet Aurel das Vorurteil. „Es geht eher um Mut und darum sich für die Verbindung einzusetzen.”

Jobportal Studentenverbindung

Den meisten Verbindungen in Augsburg mangelt es an Nachwuchs. Füxe zu rekrutieren werde immer schwieriger. „Mit ein bis zwei Füxen pro Semester haben wir zwar einen guten Zulauf, kämpfen müssen wir trotzdem”, meint Aurel leicht resigniert. Hinzu kommt, dass Augsburg eine relativ neue Uni-Stadt ist und daher das Verbindungsleben nicht etabliert ist. Ein Beispiel für den Nachwuchsmangel ist die Landsmannschaft Suevia. Dort gibt es momentan nur drei Aktive. „Füxe zu werben ist nicht einfach, wenn man nur eine so geringe Mitgliederzahl vorweisen kann. Wenn es erst mal so weit ist, wird es schwierig wieder auf die Beine zu kommen”, seufzt Arion, der Fuxmajor der Suevia. Über Mitgliedermangel kann sich die zweite katholische Verbindung in Augsburg, die Algovia, nicht beklagen. „Wir haben zwei bis drei Füxe pro Semester. Die wenigsten von uns sind aber Theologie-Studenten”, erzählt Senior Jens. Das Verbindungshaus der Algoven, direkt an der Hauptstraße, ist nicht zu übersehen. Es wirkt einladend mit seinem weißen Anstrich und den grauen Fensterläden. Ein kleiner Garten animiert zu Grillfesten und der Keller mit Bar, Sofa, Tischfußball und Billardtisch legt gelegentliche Festivitäten nahe.

Aber warum sollte man denn nun einer Verbindung beitreten? „Weil  das Leben in einer Verbindung einiges zu bieten hat”, meint derFuxmajor der Ludovicia überzeugt. Tatsächlich unterstützen die „Alten Herren”, die Gesamtheit aller Inaktiven, die bereits einen Beruf ausüben, die Studenten in jeder Lebenslage: Das Repertoire reicht von Praktikums- und Jobvermittlung bis hin zu Ratschlägen bei persönlichen Problemen. Hinzu kommt, dass die Verbindung von den Alten Herren finanziert wird. Zu bemerken ist das etwa an den Mieten. Die sind in den Verbindungshäusern um einiges günstiger als auf dem freien Wohnungsmarkt. „Außerdem ist man in einer Verbindung unter Gleichgesinnten, auf die man sich verlassen kann. In einer Zeit in der soziale Bindungen nachlassen, gibt die Verbindung Halt”.

In der Subkultur der Studentenverbindungen herrsche zudem ein freundschaftlicher Ton. „Wir stehen untereinander in gutem Kontakt. Man ist bei allen willkommen”, erklärt Arion von der Suevia nicht ohne Stolz. Anscheinend mit einer Ausnahme. Das Corps Rhaetia, die einzige pflichtschlagende Verbindung, mache sich immer wieder durch Pöbeleien und Beleidigungen unbeliebt, wie andere Verbindungen berichten. Das sonst angenehme „Klima” im Augsburger Verbindungsleben ist nicht selbstverständlich. In anderen Städten herrscht oft große Konkurrenz. Vor allem natürlich um neue Mitglieder.

Beziehungskisten? Unerwünscht!

Vielleicht stellte sich das Mitgliederproblem nicht, wenn auch Frauen eintreten könnten. Doch abgesehen von einigen wenigen, die Frauen aufnehmen, sind Verbindungen immer noch Männerdomänen. Aber warum eigentlich? „Zum einen weil die Tradition es gebietet. Und zum anderen wegen der unvermeidbaren Beziehungskisten! Die werden dann zum Problem, wenn eine Liaison schief geht. In dem Fall kann man die Verbindung schließlich nicht wie einen Sportverein wechseln. In einer Verbindung bist du dein Leben lang. Das nennen wir das Lebensbundprinzip!” Doch bevor man(n) die Privilegien einer Verbindung genießen kann, muss erst die berüchtigte Fuxenzeit überstanden werden. Während dieser zwei Semester werden die Anwärter einmal wöchentlich vom Fuxmajor, dem Ausbilder und Tutor für den Nachwuchs, in den „Comment” eingewiesen – ein in Verbindungen gepflegtes Brauchtum, das gewisse Rituale und Umgangsformen vorgibt. Um als vollberechtigte Burschen zu gelten, muss schließlich die Burschenprüfung abgelegt werden, in der auch die Geschichte Augsburgs und die Verbindungsgeschichte abgefragt wird. Außerdem sind in der Fuxenzeit spezielle Tätigkeiten zu verrichten, die darin bestehen, andere zu bedienen. Darunter fällt beispielsweise den Saal für Festlichkeiten zu schmücken oder die Getränkeversorgung auf Veranstaltungen. „Man muss bereit sein, etwas für andere zu tun. Das ist keine Unterordnung. Außerdem war jeder einmal Fux”, stellt der Senior der Algovia klar.

Bei offiziellen Anlässen, an denen sämtliche aktive und nicht aktive Mitglieder teilnehmen, ist übrigens nur Bier erlaubt. Und betrunken zu sein ist unerwünscht. „Es gibt Regeln beim Trinken. Es gilt als Schande, wenn man außerstande ist den Comment zu befolgen”, erläutert das Trio der Ludovicia. Nach dem offiziellen Teil sind dann aber theoretisch auch andere Sachen erlaubt. Neben dem Gebot sich nicht hemmungslos zu betrinken, sollte man – laut Comment – nicht rauchen oder tanzen, ohne vorher das Band und die Mütze abzulegen. Außerdem sollte sich ein Fux nicht allein in andere Verbindungen wagen. In einem solchen Fall müssen ihn seine Verbindungsbrüder auslösen. Gewöhnlich mit einer Runde Bier.

2 thoughts on “Ganz schön ausgefuxt”

  1. Die älteste Verbindung in Augsburg ist das Corps Rhaetia, das 1859 gestiftet wurde. Hätte man in zwei Minuten recherchieren können.

  2. Die Burschenschaft Rheno Palatia ist pflichtpeinlich und es ist eine Frechheit diesen Münzsammlerclub Studentenverbindung zu nennen.

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