Auf einen Espresso mit Pfarrer Schwartz

Studentenpfarrer, presstige-Herausgeber und Honorarprofessor für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der FH Augsburg: Prof. Dr. Thomas Schwartz bezieht im Interview Stellung. Heute: Was fängt ein Wirtschaftsstudent mit Ethik an?

Lieber Herr Schwartz, was fängt ein Wirtschaftsstudent mit Ethik an?

Die Frage lautet vielmehr: Was fängt er ohne Ethik an?

Aber besteht nicht ein gewisser Widerspruch zwischen Wirtschaft und Ethik?

Nein. Im Gegenteil: Wirtschaftliches Handeln ist immer ethisch relevantes Handeln. Ethisch relevant heißt: Vernunftgeleitet, frei, willentlich und mit klarem Ziel. Genau dieselben Bedingungen gelten auch für wirtschaftliches Handeln.

Von Michael Sentef; Foto: Jan Bürgermeister

Aber wirtschaftlich richtiges und ethisch richtiges Handeln sind nicht immer vereinbar.

Diese Aussage ist intelligenter. Hier kann es zu Konflikten kommen. Doch die wirtschaftliche Sachlogik ist immer eingebettet in eine gesellschaftliche Vernunft. Wenn ein Unternehmen dieser Vernunft zuwider agiert, kommt es zu Reputationsverlusten.

Es ist in Mode gekommen, dass Unternehmen Ethik-Leitlinien formulieren, an denen sich die Mitarbeiter orientieren sollen. Wird hier das Thema Ethik womöglich zu PR-Zwecken missbraucht?

Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn solche Leitlinien als PR genutzt werden. Gutes tun und darüber reden – das hat auch Vorbildcharakter für Konkurrenten. Ferner sind ethische Richtlinien, als offizielles Dokument herausgegeben, sowohl angreifbar als auch hinterfragbar. Und das wiederum ist ethisch richtig und wichtig.

Und wie kommen diese Richtlinien zustande? Wird da nicht gern von der Führungsetage etwas vorgesetzt, was die Mitarbeiter dann schlucken sollen?

Diese Gefahr der autoritären Entscheidung besteht natürlich. Da wird etwas von oben herab aufgesetzt und nicht in die Unternehmenskultur implementiert. Dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter eingebunden werden, das will Unternehmensethik als Dienst anbieten, genau dort, wo es hapert, den Finger in die offene Wunde legen. Aber generell gilt: Ein bisschen ist immer mehr als nichts – auch bei den Leitlinien. Ethisches Verhalten ändert sich auch beim Menschen nicht auf einmal, sondern durch Einübung. Die Zeit, die man jedem einzelnen Menschen gibt, muss man einem ganzen Unternehmen erst recht zubilligen. Übrigens, mein Espresso wird kalt!

Eine letzte Frage: Sie sind Moraltheologe, die Ethik ist Moralphilosophie und immer vernunftbasiert. Kommen Sie da nicht manchmal in Konflikte?

Die Vernunft des Menschen ist das, was ihn zu Gottes Ebenbild macht. Rechtgeleitete Vernunft steht nie im Widerspruch zu göttlicher Vernunft. Und die Frage lautet doch: Welche Kriterien lege ich da an? Menschenrechte, Menschenwürde, Gerechtigkeit, Subsidiarität, Solidarität – diese Prinzipien finden ihre Wurzeln im christlichen Glauben und sind zugleich Basis unserer gesellschaftlichen Vernunft. Richtige Probleme entstehen ja eher im Produktbereich. Bei ethisch fragwürdigen Produkten werde ich ethisch nicht beraten, denn das Problem der ethischen Bewertung stellt sich einem Moraltheologen hier natürlich schon. Ich kann etwa die Pille nicht ethisch besser machen, also werde ich das auch nicht versuchen.|

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