Leichenschmaus

Früher war alles besser!

Jetzt wird’s aber wirklich mal langsam Zeit für unsere Glosse!, spricht er und macht auf dem Absatz kehrt. Knallgrüne Schuhe! Bad Taste Party, murmelt er noch entschuldigend.
Wir können so nicht arbeiten. Das ist wie mit dem Winchester Pub im modernen britischen Splatter-Klassiker Shaun of the Dead. Wir können nur schreiben, wo wir uns heimisch fühlen, wo wir wissen, wo der Notausgang ist, und wo wir rauchen dürfen.

Von Christopher Große & Michael Sentef

Im Hepcat Club beispielsweise, da war das so. Vor sieben Jahren – gefühlt sind es mindestens 70 Jahre – war dieser Club das beste Argument, nach Augsburg zu ziehen. Eigentlich auch das einzige. Tiefe braune Ledersessel, Live-Jazz, phantastische Drinks, kubanische Zigarren, spannende Menschen, man konnte sich wenigstens einen Abend lang fühlen wie im New York der 1920er Jahre. Oder wie in der Hotelbar des Waldorf Astoria (bis heute).

Wenig später war der Hepcat Club dann dicht. Und so ging es all die sieben Jahre weiter. Alles, was nur den Anschein erweckte, sich dem Wahnsinn der Aichacher Bauernmassen entziehen zu wollen, machte mit fürchterlicher wie absolut verlässlicher Regelmäßigkeit dicht. Beispiele gefällig? Nichts leichter als das.

Das Kaiman mit der mutigsten Küche der Stadt: dicht. Die Brennbar mit den besten Burgern und dem düstersten Partyverließ der Stadt: dicht. Die alte Mahagonibar mit dem rauchigsten Keller und dem zweitdüstersten Partyverließ der Stadt: dicht. Das alte Pow Wow mit dem besten Frühstück und dem einzigen Kreuzberger Publikum der Stadt: dicht. Das Kerosin, DAS KEROSIN (ohne Worte): dicht. Das legendäre Sputnik: dicht. Die Auster, Searchs Auster neben der Rio Bar: dicht. Der Pavian, das Wohnzimmer für Studenten mit dem schönsten Public Viewing bei der WM 2006 und den schönsten Plastiksesseln der Stadt: dicht. Das Café Noir, das Pokerzimmer für Studenten: dicht. Das alte Café Max (vor gefühlten 14 Insolvenzen) mit den schönsten Polohemden der Stadt: dicht. Das Eli-T mit der besten (weil einzigen) Currywurst der Stadt: dicht. Die Helsinki-Bar mit den besten (weil einzigen) finnischen Piroggen der Stadt: dicht. Das Café Bohème mit den schönsten Markisen und dem kinderfreundlichsten Service der Stadt: leider nicht dicht. Dafür das alte Tartufo mit Enzo: dicht. Das Juleps, die beste (weil einzige) New York Bar der Stadt: dicht. Das Striese, mit den wundervollen Live Acts und dem hier-fühlte-sich-sogar-Bert-Brecht-heimisch-Charme: dicht. Zuletzt auch noch das La Pampa dicht, das so trashig war, dass es auf morbide Weise auch schon wieder entzückte – und so schier endlosen Stoff für beißende Gastrokritiken lieferte (vgl. presstige Ausgabe 9, „Wo der Koch noch König ist“).

Er macht Druck: Glosse endlich fertig? Wir: Ja fast, aber ist eigentlich keine Glosse – eher ein Nekrolog. Er: Egal. Die Bad Taste Party war übrigens scheiße. Selber schuld, denken wir: Wer auf Bad Taste steht, kommt in Augsburg eigentlich nie zu kurz.

P.S.: Jaja, es gibt sie noch, die Bastionen des guten Geschmacks, des Weltstädtischen, des just a cut above the rest (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, ohne Gewähr und nicht beschränkt auf Gastronomie): Al Teatro, Il Porcino, Annacafé, Bismarck, Café Viktor, Arkadas, Lamm, Pantheon, Emelka, Thing, Schroeder, Annapam, Café Rufus, Drei Königinnen, Mohrenkönig, Sakura Japan Point, Nektar & Ambrosia und dann auch noch American Heritage, Il Vicolo, Alte Silberschmiede, Steingasse No. 7, Isle of Skye, Bittersüß, Pi-Videothek. Mögen sie lange und in Frieden leben.

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