Unterirdisch?!

Am 21. November stimmt Augsburg ab: Soll am Königsplatz ein Autotunnel gegraben werden oder nicht? Eine Gegenüberstellung.

Von Tassilo Holz, Moritz Köppendörfer

Da fläzt er, der widerliche Lindwurm aus Beton. Unter der Straße, die erst nach Fugger benannt schließlich zur Allee des großen Kanzlers wird. Vorn und hinten schwarze Schlünde, die weit aufgerissen nach Allem in ihrer Nähe lechzen. Und die Autos – sind endlich weg! Verschluckt. Und oben ungestört das städtische Treiben.

Der Tunnel als mythisches Schlangentier – ein Bild, das beide Sichtweisen auf das Vorhaben vereint: Für die Initiatoren des Bürgerbegehrens „Tunnel statt Chaos“ die Vision eines Überwesens, das den Königsplatz endgültig vom stinkenden Verkehr befreit; für die Stadtväter ein unterirdisches Monster, nicht realisierbar, das die städtebauliche Entwicklung um Jahre zurückwirft. Aber worum geht es genau? Und was sind die Argumente von Tunnelbefürwortern und Gegnern?

Augsburg soll umgestaltet werden. Die Pläne für die „Mobilitätsdrehscheibe“ sind fertig, der Umbau von Hauptbahnhof, Fuggerstraße und Kö könnte beginnen. Gäbe es nicht das Bürgerbegehren „Tunnel statt Chaos“.

Die Bürgerinitiative befürwortet das Gesamtprojekt, nicht aber die Pläne für den Umbau des Kö. Dabei haben beide Parteien das gleiche Ziel – der Königsplatz soll autofrei werden. Das Konzept der Stadt sieht dafür die Unterbrechung von Konrad-Adenauer-Allee und Fuggerstraße vor; es entstünden zwei Sackgassen. Der Verkehr soll durch die Schaezlerstraße geführt werden. Das wiederum, so die Bürgerinitiative, führe zu „Staus ohne Ende“. Ihre Lösung: ein Tunnel unter der oberflächlich gekappten Magistrale. Nur dieser sorge für „einen reibungslosen Verkehr“ am Königsplatz.

Das sieht die Stadt anders: Verkehrssimulationen würden auch für ihren Entwurf einen ungehinderten Verkehrsfluss prognostizieren. Dennoch lässt sie sich ein Hintertürchen offen: Dem Bürgerbegehren stellen CSU, SPD und ProAugsburg ein Ratsbegehren entgegen – ein Gegenvorschlag, über den am 21. November ebenfalls abgestimmt wird. Darin wird gefragt, ob der Königsplatz „jetzt ohne Tunnel und mit einer vorsorglichen Entlastungsstraße“ umgebaut werden soll. Der sogenannte „Bypass“ würde im Ausnahmefall geöffnet, zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall auf der Kaiserhofkreuzung. Er verbindet Konrad-Adenauer-Allee und Fuggerstraße, die beiden neu geschaffenen Sackgassen. Deshalb, so die Tunnelbefürworter, garantiere nur ein Tunnel einen wirklich autofreien Kö.

Außerdem spare ein Tunnel als Einzelmaßnahme Steuergelder in Millionenhöhe: Immerhin müsse nicht „die halbe Innenstadt“ umgebaut werden.

Das widerspricht allerdings dem Ergebnis eines Ideenwettbewerbs, der 2007 in einem Bürgerentscheid erzwungen wurde. Dieses beinhaltet ein Konzept, das die gesamte Innenstadt einschließt.

Die Tunnelgegner bezweifeln außerdem, dass tatsächlich Kosten eingespart würden. Im Gegenteil: Bei einer Neuplanung seien Fördermittel in höchstem Maße gefährdet. Mit der aktuellen Planung würde das Gesamtprojekt sicher mit 160 Millionen Euro gefördert.

„Die Zuschüsse sind nicht gefährdet!“, widersprechen die Tunnelbefürworter. Zugleich räumen sie jedoch ein, dass sich der Baubeginn bei der Tunnel-Variante um „circa 16 bis 19 Monate“ (Stadt: „etwa 2,5 Jahre“) verzögert. Auch das Teilprojekt Hauptbahnhof sei im Falle eines Tunnelbaus nicht gefährdet.

Dem setzt die Stadt entgegen, dass eine Neuplanung am Kö sehr wohl „das Aus für den Umbau am Bahnhof“ bedeute: Für den Hauptbahnhof gäbe es erst dann grünes Licht, wenn am Kö gebaut würde. Zudem gäbe es sichere Fördermittel nur für bis 2019 abgeschlossene Baumaßnahmen. Nach den bisherigen Plänen soll der Bahnhof 2018 fertiggestellt sein.

Dass dies im Fall eines Tunnelbaus zu schaffen wäre, bezweifelt die Stadtführung: Im Bereich des Tunnels seien archäologische Grabungen vorgeschrieben. Sie würden den Baubeginn um „nicht absehbare Zeit“ verzögern. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens stützen sich auf Statements von Archäologen, wonach man „vermutlich nichts finden“ werde. An dieser Stelle sei immer ein Graben gewesen, der mit Schutt aufgefüllt wurde. Dazu ein Vertreter der Stadt: „Das war früher Bauschutt, heute ist es archäologisch.“

Egal für welche Lösung die Augsburger am 21. November stimmen – es bleibt zu hoffen, dass nicht ein anderes Fabelwesen sie verschluckt: Der innere Schweinehund. Nicht einmal ein Viertel der Wahlberechtigten hat beim Bürgerentscheid 2007 seine Stimme abgegeben. Dabei ging es damals wie heute um die Zukunft des Kö – und die der Stadt.

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