Mitten im Zentrum Augsburgs, zwischen Königsplatz und Hauptbahnhof, befindet sich ein beeindruckendes Bauwerk – die Augsburger Synagoge mit dem dazugehörigen Jüdischen Kulturmuseum. Dieser außergewöhnliche Gebäudekomplex, die überwältigende Atmosphäre und die faszinierende Geschichte lassen uns in eine andere Welt eintauchen.
Von Desirée Löbel & Nadine Weckerle – Fotos: David Studniberg, Desirée Löbel & Nadine Weckerle
Durch die Gitterstäbe eines eisernen Tores erhalten wir einen ersten Blick auf den efeubewachsenen Innenhof des Bauwerkes. David Studniberg lässt uns eintreten. Er ist 26 Jahre alt, studiert Medien und Kommunikation an der Universität Augsburg und ist heute unser Museumsguide. Mitten in der Augsburger Innenstadt eröffnet sich uns eine eigene Welt. Wir gehen durch den Innenhof, wo sogleich ein steinerner Brunnen inmitten der Rundbögen unsere Blicke auf sich zieht.
David führt uns in die Eingangshalle des Museums. Verzierte, dunkelbraune Säulen und ein Boden aus Steinfließen empfangen uns. Eine breite Treppe mit rot ausgelegtem Teppich führt zu einer grünen Wandprojektion, die sich im Uhrzeigersinn dreht. „neu anfangen – Flucht“, „aufbauen – Exodus“ und andere Schlagworte in Deutsch und Hebräisch erscheinen immer wieder. David erklärt uns, dass die Begriffspaare den Kreislauf des Lebens der Juden beschreiben. Doch dies ist noch lange nicht die letzte interessante Information. Neben der Projektion befindet sich eine Vitrine, in der die Tora, die Heilige Schrift der Juden, ausgestellt ist. Sie wird durch einen Mantel, eine Krone und ein Schild geschmückt – den sogenannten Toraschmuck. Jede Tora ist einzigartig, da sie von Hand geschrieben wird, was etwa ein Jahr benötigt.
Jüdische Lebenspassagen
Durch eine Glastüre betreten wir das eigentliche Museum. Es wurde 1985 eröffnet und ist somit das älteste Jüdische Museum in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Der Raum ist in weiß gehalten. Er beinhaltet grün beleuchtete Infotafeln und bronzene Stationsschilder. Mehrere Stationen stellen die drei wichtigen Lebensabschnitte eines Juden dar: die Beschneidung, die Bar Mitzwa und die Hochzeit.
Ein paar Stufen weiter oben befinden wir uns in einem kleinen Raum. Eine große, schwere Tür ist zu sehen – der Eingang zur Synagoge. Doch diese muss noch warten. David erzählt uns zunächst mehr über die interessante Geschichte der Augsburger Synagoge.
Ein geschichtsträchtiger Ort
Ein schauriges Gefühl überkommt uns: Vor genau 73 Jahren wurde in der Augsburger Synagoge ein Feuer gelegt. Es war die Reichspogromnacht. Doch die Synagoge hat ihrem Standort zu verdanken, dass sie heute eine der letzten erhaltenen Synagogen aus dieser Zeit ist. 1938 befand sich gegenüber eine Tankstelle. Aus Angst vor einem Stadtbrand und zum Schutz der Christen wurde das Feuer gelöscht. Allerdings wurde der Hauptraum der Synagoge vollkommen zerstört. So hielten die Juden in Augsburg 40 Jahre lang bis zur Wiedereröffnung 1985 in einer kleinen Nebensynagoge ihre Gottesdienste.
David erzählt uns, dass die Baukunst der Synagoge bei der Fertigstellung 1917 als revolutionär galt. Als Vorbild diente den Architekten der ehemalige jüdische Tempel in Jerusalem. Der Augsburger Gemeinde war es wichtig, sowohl weltliche als auch religiöse Belange zu vereinen. Gemeindearbeit und Gottesdienst ließen sich so innerhalb eines Hauskomplexes verwirklichen.
Das verborgene Kunstwerk
Endlich öffnet sich uns die schwere, braune Tür. Wir betreten den Raum und spüren die Kälte auf unserer Haut. Der Raum ist erfüllt von Davids Stimme und wirft sie hallend zurück. Faszination überkommt uns. Diese überwältigende Weite und Höhe der Synagoge lässt ein Gefühl von Freiheit aufkommen.
Der Raum ist quadratisch und dunkelgrün mit goldschimmerndem Mosaik gestaltet. Durch die Buntglasfenster dringt nur wenig Tageslicht, welches von der Größe des Raumes verschluckt wird. Das Innere der Synagoge teilt sich in zwei Ebenen auf.
Wir befinden uns auf der oberen Ebene – der Frauenempore. Sie verläuft am Rand entlang, so dass man durch eine große, quadratische Öffnung in der Mitte auf die untere Ebene blicken kann. Die untere Ebene bietet ebenfalls Sitzplätze. Früher war sie den Männern vorbehalten, heute sitzen diese rechts und die Frauen links. Außerdem befindet sich am Ende des Raumes ein mit Geländern abgegrenztes Vorlesepult – die Bima – aus weißem Marmor. Dahinter steht der Toraschrank, der in Richtung Jerusalem ausgerichtet ist.
Wir schauen nach oben, wo eine prächtige Kuppel unsere Blicke auf sich zieht. Es ist ein Gefühl, als würde man in den Sternenhimmel blicken. Goldene und farbige Mosaiksteinchen zieren die kreisförmige Kuppel, von der Kugellampen mit vielen kleinen Lichtern herunterhängen. Der untere Rand wird von Rundbogenfenstern gesäumt. Das Gewölbe läuft in 29 Metern Höhe zu einem runden Fenster mit Mosaikmuster zusammen. Die enorme Größe der Kuppel vollendet das Kunstwerk.