Glosse: Christopher Große und Michael Sentef finden Freundschaften blöd
Von Christopher Große & Michael Sentef – Illustration: Madeleine Schuster
Im Anfang erklang SEIN Wort: Schreibt mir diesmal eine Freundschaftsglosse. Über echte Freundschaft. Wir: Was soll das sein? In der heutigen Zeit? Kein Plan. Ellenbogen allenthalben!
[Händchenhaltend ab.]
Voilà, die freundschaftlichste Glosse der Welt, in der es um nichts als echte Freundschaft geht.
Der eine von uns (MS) war neulich mal auf Facebook. Man geht da ja immer wieder drauf, damit man sieht, was die „Freunde“ machen. Und dann stellt man doch nur enttäuscht fest, wie langweilig das Leben ist. Manche „Freunde“ sind immer nur unterwegs und haben Fun (Sydney, Tokio, New York, Aichach-Friedberg). Andere „Freunde“ setzen immer nur neue Kinder in die Welt (Justin, Wilhelm Theodor, Nachum, Jacqueline). Und wieder andere „Freunde“ sind seltsamerweise stolz darauf, dass sie Montag morgens um 5 aus dem Bett kriechen müssen, um dann um 7 an einem Bahnhof oder Flughafen zu sitzen, nur damit sie um 10 in einem Kabuff („Büro“) sind, wo sie dann uniformierten grauen Herren mit Mundgeruch und Minderwertigkeitskomplex („Chefs“) mit Zahlenkolonnen überfrachtete bunte Pahpointfolien („Slides“) zeigen dürfen. Toll!
Der andere von uns (CG) war neulich auch mal auf Facebook – und findet es absolut overrated (neues Lieblingswort) und overestimated (anderes neues Lieblingswort) – auch noch (neue Lieblingsfloskel aus ORF-Tatort). Im Gegensatz zum einen von uns (Unterstellung: in Wirklichkeit großer Nonsense-Liebhaber) fragt er sich schon seit geraumer Zeit, wie es möglich ist, einerseits tagtäglich unendlich viel unendlich Spannendes zu erleben und andererseits offenbar tagtäglich unendlich viel Zeit für unendlich sinnbefreite Posts, Likes und Wall Comments zu haben. Wenn man sonst kein Leben und ergo sonst nichts zu erzählen hat … Früher, als alles besser war, waren Gespräche mit Freunden irgendwie aufregender, weil man sich noch etwas zu berichten hatte, was nicht bereits die halbe Gesellschaft brühwarm aus dem gesellschaftlichen Netzwerk erfahren hat. Geheimnisse und so. Privater Kram. Freundschaft, da ist sich der eine von uns ziemlich sicher, ist irgendwie mehr: Nach Kalifornien kommen, zum einen von uns, sich über ein Jahr nicht gesehen zu haben und bei einem Stiegl (neues Lieblingsbier) auf der Terrasse im Abendrot festzustellen, dass alles eigentlich genauso ist wie immer, dass sich nichts verändert hat, dass echte Freunde einfach echte Freunde bleiben – ohne Klick, einfach so.
Wir riefen IHN an: Oh Herr, lass uns Freunde sein!
— ER: Negative. Ihr spinnt wohl. Eure Freundschaftsanfrage nehme ich natürlich trotzdem an. Ihr postet immer so lustige Strandbilder.
— Wir: Aber das ist doch die ganze Crux.
— ER: Schnauze. Like, like, like, like, hahaha, like, like, like, like, like.
— Wir: Gruscheln?
[Alle unter unglaublichem, die Grundfesten der Welt erschütterndem Getöse ab.]