Heute singt für Sie: Das Niveau

Eine Befragung von Professoren zur Studierfähigkeit ihrer Studenten der Geistes- Kultur- und Sozialwissenschaften hat ergeben, dass wir, die aktuell Studierenden, nicht mehr in der Lage wären, uns verständlich mitzuteilen. Im Rahmen dieses öffentlichen Briefes möchte ich versuchen, zwischen Skeptikern und Studenten zu vermitteln. Ich bin mir nicht sicher, ob es funktioniert. Auch ich bin nur Studentin. Meine sprachlichen Mittel sind begrenzt.

Von Ann-Christin Fürbaß

Liebe Zweifler, liebe Kritiker,

nachdem Professor Wolf der Universität Bayreuth Ende 2011 einen Fragebogen an seine Kollegen aus ganz Deutschland verschickt hatte, erhielt er einige vernichtende Urteile zurück. Demnach beschränke sich unser aktiver Wortschatz „auf wenige hundert Ausdrücke“, wenn unsere einfältigen Gedankengänge überhaupt den Weg an die Frischluft fänden. Für Sie mögen neue Medien, die Verlagerung kultureller Werte oder die Rechtschreibreformen nur Ausreden sein. Doch sind es wir, die mit MfG von Fanta 4 aufgewachsen sind und denen noch während der ersten, grammatikalischen Gehversuche der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Wenn man in der Kindheit solch grundlegende Verunsicherung erfährt, dann ist man sein Leben lang verkorkst. Lese-Rechtschreibschwäche ist quasi ein Teil unserer Identität.

Es mag sein, dass unsere orthografischen Kenntnisse nicht perfekt sind. Kritiker wie Sie sprechen dann vom Imperfekt. Allerdings haben wir es nicht verdient, dass uns Studierenden die Dummheit so sehr anhaftet, wie Bettina Wulff ein gewisses Gewerbe. Speist man in Google Studenten werden ein, so präsentiert die Suchmaschine immer dümmer als häufigste Eingabe. Hallo?! Für die Uni gibt es noch kein Hirn-Spar-Abo und aus der Medienflut wurde noch kein Tsunami. Uns ist bewusst, dass Berlin. Tag & Nacht nicht zum Germanistik-Studium qualifiziert. Zur Erinnerung: Das Traumschiff wurde schon vor unserer Zeit Publikumsliebling.

In einem Auszug aus den Ergebnissen der Umfrage heißt es: „Das Wagnis, ein komplexeres Satzbaugefüge zu bilden, endet regelmäßig in peinlichen Niederlagen.“ Ich weiß, dass da die Stimme der Frustration spricht und es das Privileg der Älteren ist, sich klüger als die Jungen zu fühlen. Doch das Prädikat „nicht studierfähig“ bringt uns nicht weiter. Das Pfund Deutsch, das ich mir pro Semester kaufe, kostet 450 Euro. Da will ich für mein Geld wenigstens konstruktive Kritik. Als kleine Hilfestellung etwas Positives über uns zu finden: I like impliziert, dass wir eine Meinung haben. Da haben wir der Generation Golf etwas voraus. Und für die Wissenschaft soll Meinungsbildung nicht nachteilig sein.

Nach meinen Zugeständnissen hoffe ich auf ein Entgegenkommen Ihrerseits. Und bitte sparen Sie sich das Pseudo-Lob, wir wären dafür souverän im Umgang mit den neuen Medien. Wir wissen, dass es bedeutet, wir hätten nur Facebook im Kopf.

Viel Freude bei der Korrektur dieses Briefes wünscht Ihnen

Ihre Ann-Christin

 

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