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Text: Alexandra Kiefer –Illustration: Lisa Luthardt
Text: Alexandra Kiefer –Illustration: Lisa Luthardt

“Ein kostenloser Online-Artikel, oh wie toll!“ Könnte das dein erster Gedanke gewesen sein? Oder dachtest du eher, dieser Text müsste doch sowieso umsonst sein? Nicht nur weil presstige ein Studentenmagazin ist, sondern weil für Artikel im Internet bisher nur Wenige bezahlen. Ähnlich ist es bei Musik, Filmen und Büchern. Doch bedeutet „online irgendwie zugänglich“ auch gleichzeitig legal oder gar fair? Bald spielt diese Frage aber sowieso keine Rolle mehr – folgt man zumindest der These von Autor Chris Anderson.

Vor ein paar Wochen nahm ein Freund von mir mein Notebook in Beschlag. Er hatte eine lange Autofahrt vor sich und wollte dafür noch einen USB-Stick mit Musik bestücken. Zum Einsatz kam dabei ein Programm zum Download von Songs auf Youtube und meine eigene digitale Musiksammlung. Wir diskutierten ein wenig über die Herkunft meiner Auswahl und dabei überraschte er mich mit dieser Aussage: „Ich habe noch nie in meinem Leben eine CD gekauft.“ Ich war verwirrt. Mein letzter Kauf lag zwar schon ein paar Jahre zurück, aber ich kam nach kurzer Überlegung auf mindestens 15 CDs, die ich mein Eigentum nennen konnte. Wie konnte mein Gegenüber, ein Jahr älter als ich, dagegen kein einziges gekauftes Album besitzen? „Früher als Filesharing noch legal war, versorgte mein Vater die ganze Familie mit Musik und Filmen. Danach blieb immer noch Youtube“, erklärte er mir. Sein „früher legal“ bezog sich wohl auf die Zeit, in der es bereits diverse Plattformen zum öffentlichen Kopieren von Dateien gab, die Musikindustrie aber noch keine Urheberrechtsklagen anstrebte. Anders ausgedrückt hätte er auch sagen können: Obwohl er morgens neben Kaffee laute Musik zum Aufstehen brauche, gebe er kein Geld dafür aus. Seit ein paar Jahren bezahle auch ich meinen Lieblingskünstlern fast keinen Cent mehr. Ist das überhaupt legal? Und ist es fair?

Schwerpunkt: Geld

Das Studentenleben dreht sich häufiger darum, als uns manchmal lieb ist: Geld. Ganz egal, ob wir es brauchen, um es in Bier zu investieren, den Kühlschrank zu füllen oder es für unsere kleinen Träume zurückzulegen. Darum widmet die presstige-Redaktion dem Geld einen Schwerpunkt. Alle bisher erschienenen Beiträge sind hier gesammelt.

Ein kurzer Blick ins Gesetzbuch

Ja, alles beschriebene war legal. Musikvideos auf Youtube werden meist von den Interpreten selbst hochgeladen und von gesehenen Videos darf man sich eine private (Audio-)Kopie machen. Musik, Filme oder Bücher mit der Familie oder Freunden zu teilen ist ebenfalls legal. Bei CDs, DVDs und Taschenbücher ist das jedem klar. Ich könnte aber auch einige Alben, Serienfolgen oder E-Books in meinen DropboxAccount hochladen und meinen Lieben zur Verfügung stellen. Vorausgesetzt ich habe dazu nicht den Kopierschutz der Dateien umgangen. Der soll – genauso wie Schadensersatzforderungen gegenüber Betreibern und Nutzern von FilesharingPlattformen – dabei helfen den illegalen Datenaustausch mit Fremden zu verhindern, damit Produzenten und Künstler keine potentiellen Käufer aufgrund kostenloser Kopien ihrer Werke verlieren. Dabei könnten sie damit doch viel mehr verdienen! Das behauptet zumindest der Journalist und Autor Chris Anderson in seinem 2009 erschienen Buch „Free – Kostenlos: Geschäftsmodelle für die Herausforderungen des Internets“. Unter dem Motto: „Gib etwas kostenlos her und du wirst reich damit!“ listet er Varianten und Beispiele auf, bei denen etwas zuerst „Gratis zu haben“ ist und danach trotzdem kräftig Gewinn einbringt.

Ein kurzer Blick in Chris Andersons Buch

Im ersten Schritt bedeutet „Gewinn“ einen Zuwachs an Popularität, schließlich verbreitet sich sehr schnell die Nachricht: „Da gibt es etwas umsonst!“. Nun heißt es: ein passendes Nebenprodukt dazu verkaufen. Das können passende Ersatzteile wie Wegwerfklingen für den kostenlosen Rasierer sein, das Upgrade der Gratisversion auf eine Vollversion, Fan-Artikel und Konzertkarten einer Band mit frei downloadbaren Alben, oder auf die Suchergebnisse der Kunden abgestimmte Werbung, wie Google es macht. Das Internet bedingt nun für Anderson eine Art „Gratis-Zwang“. Schließlich entstehen für digitale Versionen von Musik, Buch und Film keine Kosten für den Druck oder die Pressung, die Lieferung und den Verkauf. Laut Anderson sollen deshalb die Firmen dem gänzlichen Sinken der Materialkosten auf null zuvorkommen und den digitalen Teil ihrer Produkte lieber als eine Art Marketingstrategie verschenken. Genauso macht er es mit der Hörbuchversion seines Buchs, während er an den gedruckten Exemplaren trotzdem gut verdient. Das klingt auch für den Künstler fair, zumindest für den Künstler Anderson.

 

Ein kurzer Blick in die Parteibücher

Am Ende der von Anderson beschriebenen Entwicklung steht vielleicht ein Internet mit einem völlig freien Zugang zu Medien aller Art. Das ist ein Traum vieler Internet- und Bildungsenthusiasten, wie zum Beispiel auch der Betreiber der Plattform openculture.com, die Verweise auf kostenlose Bücher, Filme und Online-Lernkurse sammelt und bereitstellt. Auch in der Politik gibt es Anhänger der Idee, Wissen über das Internet für alle zugänglich zu machen. So fordert die Piratenpartei, dass wissenschaftliche Publikationen unter dem Schlagwort „open access“ online frei verfügbar gemacht werden. Die Grünen und die SPD befürworteten zeitweise das Konzept einer „Kulturflatrate“. Denn während die Materialkosten bei digitalen Versionen von Medien verschwinden, bleiben die Herstellungskosten für das Original der Künstler bestehen. Mit der „Kulturflatrate“ soll deshalb für jeden Internetanschluss eine zusätzliche Abgabe entrichtet werden, die dann gemessen an ihrem Marktanteil an die Künstler als Bezahlung zurückgegeben wird. Wahrscheinlich müssten die Internetnutzer nach diesem Konzept zwischen 6 und 22 Euro bezahlen. Inzwischen hat sich auch der legale Markt für Musik- und Filmstreaming dank Portalen wie Spotify oder Netflix stark weiterentwickelt. Ob damit Nutzer, trotz bisher begrenzter Auswahl, und Künstler, trotz öffentlicher Austritte wie jüngst von Taylor Swift, zufrieden sein werden, ist unklar. Am Ende geht es letztlich auch um die Frage, wie viel uns Kultur wert ist und wie viel Geld Künstler für ihr Werk bekommen sollten. Und wie steht es mit euch? Wie viel seid ihr bereit für den Zugang zu Musik, Filmen und Büchern zu zahlen?

1 thought on “Dieser Artikel ist gratis!”

  1. Massentierhaltung, Kinderarbeit, Foxconn, Outsourcing, Billiglöhne, Zeitarbeit, Multiresistente Keime, Umweltzerstörung und geplante Obsoleszenz. Welches Produkt kann man denn heutzutage im Laden kaufen wo man nicht etwas unterstützt was anderen oder sich selbst auf die Füße tritt? Man weiß ja nicht einmal was genau mit dem Geld passiert wenn es erst in der Kasse des Supermarkts, Fachgeschäfts oder Franchise-Unternehmens gelandet ist. Dass tatsächlich noch ein gerechter Teil des bei McDonalds ausgegebenen Geldes bei dem glücklichen Bauern aus der Werbung landet wage ich zu bezweifeln.
    Das selbe gilt für Klamotten, Elektrogeräte, Nahrungsmittel, Genußmittel und eben alles wogegen man die bunten bedruckten Papierfetzen tauschen kann. Wen oder was unterstütze ich denn mit meinem Geld? Es liegt irgendwo im undurchschaubaren Dunkel.
    Das ist der große Unterschied zur Kunst.
    Natürlich unterstützt man bei einem CD-Kauf, durch das Plastik, Erdölförderungen und somit traurige Bilder ölverschmierter Pelikane aber man weiß auch, dass ein Bruchteil dieses Geldes an den Menschen geht der hinter dieser Musik steht. Man bezahlt jemanden dafür, dass er, durch Kreativität und jahrelanger Übung etwas geschaffen hat, was so vorher noch nie existierte.
    Und ist das nicht ein wundervolle Art Geld auszugeben? Ist es nicht wundervoll mit unter zwanzig Euro, weil man von der Musik in einer emotionalen Ebene angeregt und berührt wurde, einen Künstler zu würdigen den man in seinem Leben nie persönlich begegnen wird?

    Aber leider hat der Mensch sich in seinem Geiz wieder selbst übertroffen und hat die schöne Idee der weltweiten Kommunikation zum Schwarzmarkt florieren lassen. Dieses Internet existiert jetzt nunmal und wird auch so schnell nichtmehr weggehen, also muss man einen Weg finden damit umzugehen. Die Idee der Kulturflatrade ist an sich nicht schlecht da wenigstens Geld fließt und nicht alles geklaut wird. Aber da kommt wieder die Frage auf: wer bekommt das Geld? Das Geld bekommen nämlich erstmal diejenigen die die Musik anbieten, und diese geben es dann weiter an die Labels die die Künstler vertreten. Doch wie entscheiden die Labels welchen Künstlern das Geld zu geben ist? Durch deren Internetpräsenz, und damit auch denen die von den meisten Menschen beachtet werden.

    Hier sieht man dann das langsame Sterben der Individualität und Qualität.
    Dass Musikvideos die halb aus ARSCH bestehen (siehe Nicki Minaj – Anaconda) von dem Durschnittsinternetter natürlich mehr beachtet werden als garkein Musikvideo (obwohl die Qualität der Musik höher ist) ist leider offensichtlich. Dadurch, dass die Entscheidung welche Musik gefördert wird immer mehr in den Händen der Industrie und immer weniger in den Händen der Hörer liegt, stirbt die Individualität.

    Warum sich um mich rum dann aufgeregt wird, dass so eine akustische Umweltverschmutzung wie Justin Bieber, Miley Cyrus, David Guetta und Helene Fischer existiert und diese “Künstler” damit sogar großen Erfolg haben, verstehe ich nicht. Ihr seid doch selber Schuld. Gebt doch mal n Scheinchen für das aus was ihr mögt und zeigt der Industrie was gute Musik ist.

    Sowieso ist das ganze gedownloade ein Wahnsinn. Was bringen einem Terrabytes an Musik und Filmen wenn man sie sowieso niemals genießen kann? Durch diese Kulturinflation ist alles Schöpferische wertlos geworden. Diese unglaubliche Masse an kostenloser Musik ist doch der Grund weswegen heute keiner mehr Lieder von vorne bis hinten anhören kann. Irgendwo seid doch ihr selbst ein bisschen dafür verantwortlich, dass auf eurer Homeparty Lieder verschiedenster Genres nach der Hälfte immer weiter geskippt werden – Musik ist wertloser geworden.
    Wer kann auch noch von sich sagen, dass er in letzter Zeit ein Album von vorne bis hinten durchgehört hat?

    Mit meinen 91 CD’s und 55 Schallplatten bin ich noch nicht zufriedengestellt und werde es mein Leben lang auch nicht sein. Ich will mehr!
    Schon alleine die Möglichkeit meine Musik-(und Bücher-)sammlung anfassen zu können und sie nicht durch einen unvorsichtigen Besuch einer virenbespickten Webseite zu verlieren ist für mich ein wundervolles Gefühl, welches den zukünftigen Generationen, durch die fortschreitende Digitalisierung, wohl leider vorenthalten bleibt.

    Meiner Meinung nach sollte einem Kultur mehr wert sein als ein Abend in der Stadt. Denn mit ein paar Bierchen und dem Clubeintritt hat man locker schon ein Buch oder eine CD drin.
    Außerdem gilt, gerade beim Lesestoff, im Vergleich zum Feiern eine etwas sinnvollere Maxime: je mehr man ausgibt, desto mehr weiß man und nicht: je mehr man ausgibt, desto weniger weiß man.

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