Lesen – für viele eine der schönsten Freizeitbeschäftigungen. Wir entkommen so unserem Alltag und reisen in eine andere Welt. Damit ihr mehr Zeit fürs Lesen habt, möchte ich euch heute eines meiner Lieblingsbücher vorstellen und euch so die Suche nach eurer nächsten Sommer-Lektüre erleichtern.
Tausend strahlende Sonnen von Khaled Hosseini (2007)
„Nicht zu zählen sind die Monde, die auf ihren Dächern schimmern,
noch die tausend strahlenden Sonnen, die verborgen hinter Mauern stecken.“
Mit diesem Gedicht über Kabul schickt uns Khaled Hosseini auf eine Reise durch das Afghanistan der letzten Jahrzehnte. Nach seinem Beststeller Drachenläufer brachte der Schriftsteller tadschikischer
und paschtunischer Abstammung 2007 sein zweites Buch „Tausend strahlende Sonnen“ heraus. Für mich zählt es zu den Klassikern, die in jedem Bücherregal zu finden sein sollten und auch jetzt, mehr als 10 Jahre später, in seiner Thematik nicht an Aktualität verloren hat.
Zwei Frauen, ein gemeinsames Schicksal
Doch zunächst einmal zur Handlung des Romans. Hosseini schildert das Leben zweier Frauen aus Kabul, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Mariam, ein uneheliches Kind, welches in einfachen Verhältnissen in der Nähe von Herat aufwächst, wird nach dem Selbstmord ihrer Mutter an den 30 Jahre älteren Schuster Raschid verheiratet. Jahre später kommt Laila, eine selbstbewusste und umsorgte Lehrerstochter und Mariams Nachbarin, auf die Welt. Schule und Bildung nehmen in ihrem Leben großen Raum ein, bis sie eines Nachts durch einen Anschlag der Mudschahedin zur Waise wird und gezwungen ist, die zweite Frau von Raschid zu werden. Die Unterdrückung durch die Taliban sowie die Gewalt, die sie von ihrem gemeinsamen Ehemann erfahren, schweißt die beiden ungleichen Frauen letztlich eng zusammen und aus anfänglicher Feindschaft wird eine tiefe und enge Freundschaft. Beide Frauen müssen jeden Tag aufs Neue Mut, Geduld sowie innere Stärke beweisen.
Ein Leben zwischen Krieg und Hoffnung
Das traurige Schicksal eines Mädchens mit hochstrebenden Plänen, das alles hatte und dem im Krieg alles genommen wurde. Die tragische Geschichte einer Mutter, die bereit ist, für ihr Kind alles zu opfern. Hosseini lässt den Leser miterleben, wie es sich anfühlt, unfreiwillig eine Burka zu tragen oder der Willkür des eigenen Mannes zu unterliegen. Die Angst ist allgegenwärtig im kriegserschütterten Kabul der letzten Jahre. Aber Hosseini zeichnet auch Szenen der Hoffnung, wie beispielsweise die unerschütterlichen Bemühungen eines Waisenhausleiters, Jungen wie Mädchen verbotenerweise zu unterrichten, um ihnen eines Tages ein besseres Leben zu ermöglichen.
Licht und Schatten in der Heimat des Autors
Hosseinis einfühlsame und bewegende Erzählweise entführt den Leser in ein fremdes Land mit anderen Sitten und ermöglicht es, Afghanistan mit offenem Herzen kennenzulernen. Er beschreibt einerseits die schönen kleinen Eigenheiten des Landes und des Volkes, zeichnet jedoch auch ein Bild der Trostlosigkeit, zumal die Unterdrückung der Frauen und auch die Folgen des Krieges stets die Stimmung prägen.
Das Schicksal der beiden Frauen ist keine Ausnahme im traditionell muslimisch geprägten Afghanistan. Ohne einen Mann an ihrer Seite haben Frauen hier keine Rechte, nicht einmal die Möglichkeit, zu fliehen. Politische Unruhen und Terrorismus erschüttern das Land von Tag zu Tag. Jede Woche erreichen uns neue Meldungen über Anschläge, die zahlreiche Todesopfer fordern. Das jahrzehntelange Elend zwang Millionen afghanischer Menschen, ihre Heimat Hals über Kopf zu verlassen. Hosseini zeigt in Tausend strahlende Sonnen die Missstände im Land auf und macht diese für den Leser greifbar. Man bekommt ein Gefühl dafür, was dieses Land und seine Bewohner tagtäglich an Leid erleben mussten und immer noch müssen.
Die Hoffnung stirbt immer zuletzt
So tragisch die Geschichte auch sein mag. Khaled Hosseini möchte uns Lesern auch die Augen für die einstige Pracht und die folgenschwere Geschichte seines Heimatlandes zu öffnen. Er rückt die Stadt Kabul in ein anderes Licht, als man es aus Fernsehen und Nachrichten gewohnt ist. Das Gedicht des persischen Dichters Saib-e-Tabrizi am Anfang erinnert an die Schönheit der Stadt und dem innigen Wunsch, diese wiederherzustellen. „Tausend strahlende Sonnen“, die es wieder hinter den Mauern hervorzuholen gilt. Aus diesem Grund hat der Autor die Khaled Hosseini Foundation gegründet, um Frauen, Kindern und Geflüchteten der Zugang zu Bildung, wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten und Gesundheitsvorsorge zu bieten.
Eine wichtige Botschaft für die Gegenwart
Für mich hat diese bewegende Geschichte meinen Blick auf das Land und seine Menschen verändert. Ich denke nicht mehr nur an Krieg und Gewalt, wenn ich an Afghanistan denke. Stattdessen versuche ich die Menschen zu verstehen, die ihr Heimaltland auf der Suche nach Frieden und Sicherheit verlassen. Jeder Flüchtling hat seine eigene Geschichte, die es zu hören gilt. Dieser Roman ist wie ein Tor in eine andere Welt, ein Art Blick durch das Wohnzimmerfenster in ein fremdes Land, in dem seit
etlichen Jahren Krieg und Gewalt den Alltag beherrschen. Doch nicht nur im fiktiven Roman von Hosseini gibt es einen Lichtblick für die Menschen. Wie heißt es so schön: „Die Nacht ist am dunkelsten, bevor die Sonne aufgeht.“