Mit Zeitung und einer Tasse Schwarzen Tees sitze ich, wie fast jeden Morgen, im Bett und lese das Feuilleton. Während ich die Überschriften durchschaue und bei manchen Artikeln hängen bleibe, lege ich mir dazu meistens noch ruhige Musik auf. Diesen Morgen dreht sich Bob Dylans Album „The Freewheelin‘“ auf dem Plattenteller und meine Ohren werden von akustischen Gitarrenklängen in Kombination mit der herzhaft rauen Stimme Dylans massiert. Kristallklarer Sound kommt aus den Boxen und so erweckt der scharfe Klang der Mundharmonika an diesem Morgen meine Lebensgeister. Dazu lese ich ein Interview mit einem Zeitgenossen Dylans, dem kanadischen Altrocker Neil Young, in dem er von seinem neuen Album, seinen Tätigkeiten als politischer Aktivist und seinem Verhältnis zu Donald Trump erzählt. Eine Aussage bleibt mir dabei aber im Gedächtnis:
„Wenn man sich allerdings Musik auf dem Computer anhört, dann lauscht man nur noch Schrott.“
Diese Aussage ist hart und doch muss ich ihr zustimmen. Auf dem Weg zur Uni denke ich weiter darüber nach. Währenddessen läuft die „This is Neil Young“-Playlist auf meinen Bluetooth-Kopfhörern. Sofort begeistern mich seine Songs mit ihrer Aura des klassischen Rocks und ich fange an in der überfüllten Tram zu den minutenlangen E-Gitarrenriffs zu wippen. Meine Kopfhörer sind nicht die Besten und so werden die vielen musikalischen Ebenen der Songs zu einem Sound-Salat gemixt. Plötzlich kommt mir wieder die Aussage aus dem Interview in den Kopf, was würde Neil Young dazu sagen? Vielleicht sowas wie: „Ach ja, bin ich dir weniger Wert als Dylan? Hör auf mein künstlerisches Schaffen mit Füßen zu treten, sonst schmier ich dir eine!“? Sofort wechsle ich die Musik. Dies gehört geändert!
Es ist Anfang des Semesters und so geht es nach ein paar Stunden am Campus statt in die Bib sofort mit dem 41er Richtung Göggingen. Auf der 15-Minütigen Bummelfahrt durch die Wohnviertel informiere ich mich über Youngs Biographie, steige beim Schwabenweg aus und stehe nach fünf Minuten des Fußmarsches vor demVinyl-Cafe Augsburg (Gögginger Straße 153). Soweit das Auge reicht nur Schallplatten und vereinzelt auch CDs. Hier sollte ich doch meinen Hunger nach Vinyl stillen können. Ich blättere mich durch die Musikgeschichte, die Zeit verfliegt. Währenddessen wird der Laden mit der Pop-Stimme Freddie Mercurys erfüllt, welche aus den Boxen schallt.
„I want to break free“ Mit dem Hören von Schallplatten ist man ein Ausreißer in der heutigen Zeit. Seit ein paar Jahren wieder im Trend sind in den letzten Jahren vor allem junge Menschen weg von den digitalen Plattformen hin zum „schwarzen Gold“. Damit tauchen sie ein in die Zeiten vor dem Internet in denen die Musik noch einen anderen sozialen Stellenwert hatte und in denen die Schallplatte neben der Kassette noch der einzige Musikträger war. Außerdem sagen die Verkaufsstatistiken das in diesem Jahr bisher sogar schon mehr LPs (Langspielplatten) als CDs verkauft wurden. Mit dem Wissen über die Intentionen und Absichten der Künstler hören wir die Musik mit anderen Ohren. Hinter vielen Alben stecken spannende Geschichten mit welchen uns die Künstler an ihrem Leben teilhaben lassen wollen. Manchmal geben sie uns in ihren Texten auch einen tiefen Einblick in ihre Seelenwelt.
Bevor das ganze hier aber zu esoterisch wird, fahre ich nun mit der 1er zur Barfüßerbrücke zu einem kleinen, charmanten Plattenladen namens Cover(Barfüßerstraße 10). Ich frage nach Neil Young und Ladenbesitzer Manni erzählt mir, dass Neil Young eine Affinität zum Mond hätte und seine Musik oft bei Vollmond aufnimmt, weil er denGlauben pflegt, dass seine Musik dann eine gute Chance auf Erfolg hätte. Vor allem die Alben mit der Crazy Horse Band seien die Besten von ihm. Klein und gemütlich finden sich hier auf zwei Ebenen in den Holzkisten alle Genres von Blues über Soul bis hin zu Rock. Ein bisschen Zeit habe ich noch und so geht es weiter ins zwei Straßen entfernte Musicland(Obstmarkt 9), welches neben LPs auch eine große Auswahl an CDs, DVDs und gebrauchten Büchern bereithält. Aber auch in Pit‘s Record Store (Weiße Gasse 6), mit dem mein Feldzug durch die Plattenläden Augsburgs schließt, lassen sich immer wieder sehr exklusive Schmuckstücke aus den goldenen Schallplattenzeiten finden. Außerdem gibt es hier die Hardware für den angemessenen Musikgenuss. Dort werdet ihr auch kompetent beraten, wenn ihr die alte Anlage von den Eltern reaktivieren wollt.
Meine Sammlung ist jetzt um eine Neil Young Platte reicher und wenn ihr nun Blut geleckt habt, dann kann ich euch nur empfehlen an diesem Sonntag von 11 bis 18 Uhr bei der Schallplattenbörse in der Ballonfabrik(Austraße 27) vorbeizukommen.
Also liebe Leserinnen und Leser es würde zynisch klingen, wenn ich euch jetzt mit diesem Artikel von Spotify abbringen wollen würde, und ich möchte euch deswegen auch gar nicht an den Pranger stellen. Die großen amerikanischen Konzerne haben uns schon fest in der Hand und wir alle oder ein Großteil von uns sind mit CDs und iTunes aufgewachsen. Der digitale Musikgenuss wurde uns praktisch in die Wiege gelegt und auch ich erntete verwunderte Blicke von meinen Eltern als ich ihre alte verstaubte Sammlung aus dem Keller hervorkramte, aber einen Rat wollte ich euch noch mitgeben. Hört bewusster Musik, beschäftigt euch mehr mit der Musik die ihr hört. Es wird euch gefallen.