t.f.f. – tempus fucking fugit

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Zu den Dingen, vor denen wir nicht gewarnt wurden (oder zumindest ich nicht), gehört vor allem die Abstumpfung. Geburtstage. Jahrestage. Todestage. Weihnachten, Silvester. Who gives a shit.

Es ist der letzte Tag des Jahres und ich bin auf dem Weg in die Hauptstadt, weil sich Silvester in Berlin nach ein bisschen mehr anfühlt als Silvester in der Provinzstadt im Süden. Vielleicht auch deshalb ausgerechnet Berlin, weil dort alle so gelangweilt von allem sind, und es dann nicht so weh tut, wenn man selbst nichts empfindet.

Vielleicht kommt daher auch das Ding mit den Drogen. Künstliche Gefühle für alle oder zumindest Erlebnisse, sorgsam nachcoloriert im Gedächtnis, in der Erzählung. Wilde Jugend.

Andere ernähren in deinem Alter schon eine Familie.

Und im Sommer vielleicht wieder ein Festival, vielleicht wieder eine neue Liebe, und jetzt schon Angst vor der mangelnden Immersion, dem Gefühl, dass die besten Jahre leise weggeschlichen sind, ohne sich zu verabschieden. Die ersten Falten im Spiegel, der Verlust von Naivität, und das dumpfe Gefühl, dass der nächste Mensch, dem man sagt, dass man ihn liebt, auch wieder nur ein paar Jahre bleiben wird, und nicht für immer.

Wenn es dann irgendwann unweigerlich den Gang aller Dinge gegangen ist, das Beziehungskistchen: Das eiternde Herz, auf dem man herumdrücken kann und sich fragen, ob das jetzt echter Schmerz ist oder eher verletzter Stolz, und ob es einen Unterschied macht.

Der nächste Sommer, die nächste Liebe oder Freundschaft oder Affäre.

Das nächste Scheitern, und die nächste Abstumpfung, bis man irgendwann durch eine Katastrophe aus dem alten Trott gerissen wird. Ein Todesfall vielleicht, und da, endlich: Das ist also echter Schmerz. Wie ungewohnt.

Und selbst dann! Diese verfluchte Abgeklärtheit, das Beobachten des eigenen Leids, die pseudoreflektierte Art, in der man darüber spricht, vor Freunden oder vor dem Therapeuten, den man sich irgendwann dann doch gesucht hat.

Wieder sitze ich im Zug, diesmal nach Budapest, um das Grab meiner Großmutter zu besuchen. Jahrestage und Todestage, Schuldgefühle und Einsamkeit.

Um mich herum heiraten in letzter Zeit die Bekannten, oder bekommen Kinder, und ich frage mich, was ich falsch mache. Haben die eine Fähigkeit zur großen Liebe, die mir fehlt, oder haben sie sich wenigstens die Naivität bewahrt, die ich so schmerzlich vermisse?

Wer wird mich lieben, wenn ich alt bin? Wer wird mich lieben, desillusioniert und allein und kinderlos, wenn niemand es muss? Wer wird Narzissen auf mein Grab legen, weil ich Narzissen geliebt habe? Ich weiß es nicht.

Ich weiß es wirklich nicht.