Statistikspielchen: 50%

Ist das Glas halb voll oder halb leer? Im Studium lernt man eines ganz genau: Diese Frage zu beantworten und zwischen 50% und 50% genau zu unterscheiden.

Von Tanja Thomsen

Eine Durchfallquote von 50% beispielsweise ist schlecht. Selbst die Durchfallquote von 44,0% im Wirtschaftsexamen an unserer Uni ist ja schon kein Anlass zu Freudensprüngen – vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass Augsburg dabei nach Bielefeld unter 53 Universitäten den zweithöchsten Wert hat (Quelle: uni-protokolle.de, Nachrichten vom 28.5.2006). Mag sein, dass diese pessimistische Einstellung daher rührt, dass sich die meisten Studenten im Leistungsniveau unterhalb der 50%-Marke ansiedeln. Vermutlich ist es aber der Unsicherheitsfaktor an sich – „Man kann also tatsächlich durchfallen?“ – kombiniert mit dem gewissen Leistungsdruck und selbst auferlegtem Ehrgeiz. Zumal manche Veranstaltungen ja zunächst eher den Eindruck vermitteln, auch mit 10%igem Einsatz noch 100%ig durchzukommen.

50% ist übrigens viel, wenn es um die Chance geht, in einem begehrten Seminar einen Platz zu erhalten: Da lässt sich immer noch was machen! Bei einer maximalen Teilnehmer-Anzahl von 30 Personen melden sich etwa 15 Interessenten rechtzeitig vorher an. Die anderen 15 passen den Dozenten oder die Dozentin kurz vor der ersten Seminarsitzung an der Türe ab und ergattern sich so einen Platz auf der Teilnehmerliste. 15 weitere sind schlau gewesen und haben sich statt dessen einen Platz im Seminarraum ergattert. Der Dozent fühlt sich ob des regen Interesses an seinem Thema geehrt und schmeißt natürlich niemanden raus. In den ersten drei Semesterwochen quetschen sich also 45 Personen in einen winzigen Seminarraum. Dann beginnen sich etwa 50% der Anwesenden zu langweilen und sich zu fragen, ob sie vielleicht im Café den Tag spannender und weniger beengt verbringen können. Das ist die Chance für die 15 restlichen Studenten, die die Anmeldefrist und den Kampf um Listen- und Sitzplätze verpasst haben, als Späteinsteiger noch dazu zustoßen. Und da sitzen sie dann mit dem guten Gewissen, beim Leistungsniveau von 50% locker mithalten zu können – im zu 100% besetzten Seminar mit Durchfallquote von geschätzten 0% – und nippen konzentriert an ihren halb vollen Tassen Kaffee.

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