Weltreisen durch Bayern

Viele Studenten und Dozenten begeben sich täglich auf weite Fahrten, weil sie teils gezwungen, teils ungezwungen pendeln

Matthias Krautschneider will mit seinem Audi A3 die Welt umrunden. Dazu pendelt er vier Jahre lang viermal in der Woche 100 km: von Dettenschwang am Ammersee nach Augsburg und zurück.

Von Philipp Zanklmaier, Illustration: Sebastian Fischer

Im Monat fährt der 23jährige iBWL-Student somit rund 1.600 km, summiert auf ein Jahr sind das 11.200 km (bei sieben Monaten Studienzeit pro Jahr). Studiert Matthias noch vier Jahre, ist er einmal um die Erde gefahren – und könnte noch locker bis Kairo düsen. Alternativ könnte er mit dem Geld auf der Queen Mary II nach Hawaii reisen. „Sicher, es ist anstrengend und es kostet Geld“, sagt Matthias, dessen kleine Augen etwas müde durch die Brille blicken. „Aber mit dem Auto ist es viel einfacher. Wenn ich um viertel nach acht Uni habe, stehe ich um sieben auf, fahre um dreiviertel acht los und bin pünktlich im Hörsaal. Wenn ich da an das Pendeln mit der Bahn denke.“ Matthias verdreht die Augen und schüttelt den Kopf.

Schlaflos mit der Bahn

Die ersten beiden Semester ließ sich der 23jährige mit dem Zug kutschieren. Die Konsequenz: Er war dreimal so lange unterwegs wie mit dem Auto, nämlich anderthalb Stunden, und litt zudem unter chronischem Schlafmangel. „Ich denke, dieses ständige Aufstehen um fünf Uhr morgens wirkte sich auch auf meine Leistungen aus. Nach dem langen Pendeln war ich jedenfalls zu müde zum Lernen.“ Sabrina Bader (21) teilt bis heute das gleiche Schicksal. Die iBWL-Studentin fährt täglich eine Stunde mit der Bahn zur Uni und hat dabei einiges erlebt. „Einmal war ein Selbstmörder auf den Schienen und wegen dem Notarzteinsatz wurden Busse eingesetzt. Im Sommer kommt es schon mal vor, dass sich die Gleise verbiegen. Dann kommt der Zug auch nicht mehr weiter“, erzählt Sabrina mit einer gewissen Gleichgültigkeit. Ihrer Meinung nach kann man sich an das Pendeln gewöhnen, weil es eben immer etwas länger dauert. „Natürlich habe ich das Problem, dass ich oft viel zu früh an der Uni bin und andererseits die Züge viel zu spät fahren. Am Bahnhof eine Stunde warten ist keine Seltenheit.“

Auch Dozenten wie Prof. Michael Krapp sind auf die Bahn angewiesen. Der Fachmann für Statistik besitzt kein Auto. Jeden Dienstag Morgen düst er nach Bamberg, hält dort Vorlesungen, „haust“ in einem spartanisch eingerichtetem Ein-Zimmer-Appartement und hetzt jeden Freitag wieder zurück zum Hauptwohnsitz nach Augsburg. „Ich plane immer einen Puffer mit ein. Wenn ich zurückblicke, stelle ich fest, dass etwa jede dritte Fahrt nicht planmäßig war“, so Krapp. „Ausflippen bringt aber gar nichts. Natürlich habe ich mich schon das eine oder andere Mal an der Info beschwert, aber irgendwann resigniert man und entwickelt eine stoische Gelassenheit.“

Beine hoch und kochen lassen

Was bewegt einen Menschen sich diesen Pendlerstress anzutun? Die Antwort lässt sich bei vielen in einem Wort zusammenfassen: Bindungen. Matthias hatte eine Freundin im gleichen Wohnort und wollte sich nicht von ihr trennen. Nun sind beide zwar auseinander, trotzdem ist Hotel Mama immer noch ein guter Grund in Dettenschwang zu bleiben. Sabrina hängt an ihrem Basketballverein und arbeitet regelmäßig an der Tankstelle. „Wenn ich außerdem 117 € pro Monat für die Bahn zahle, finde ich das nicht übermäßig teuer“, argumentiert sie. Für Steffen Baumhauer dagegen waren Bindungen weniger ausschlaggebend. „Ich wäre sofort nach Augsburg gezogen, wenn meine Wohnung im Prinz-Karl-Wohnheim schon fertig gewesen wäre“, sagt der 24jährige Politikstudent. Im Gegensatz zu Sabrina hätte er sich nie an das ständige Pendeln gewöhnen wollen. „Auf Dauer ist es einfach zu nervig, wenn man sich nach der Uni noch über eine Stunde ins Auto setzen muss.“

Fremdkörper Uni

Trotz so mancher rationaler Argumente, ein gewisser Neid auf die Nicht-Pendler bleibt. „Das spätere Aufstehen ist schon so eine Sache, die mich neidisch macht“, gibt Matthias zu. „Mit anderen abends in Augsburg weggehen ist auch schlecht drin.“ Dem stimmt Sabrina zu. „Vom eigentliche Studentenleben kriege ich sehr wenig mit“, stutzt sie. Die Pendler-Studenten managen meist keinen eigenen Haushalt, erleben die Stadt Augsburg nicht so wie andere Kommilitonen. An der Uni bleibt ihnen vieles fremder. Sie beteiligen sich zum Beispiel kaum in den Fachschaften. Bei den WiWis geht die Pendlerquote nach eigenen Aussagen gegen Null, bei den Medien- und Kommunikationswissenschaftlern liegt sie bei Null und bei den Historikern ist unter 15 Aktiven nur eine Pendlerin. Am besten schneiden noch die Informatiker ab: von elf Mitgliedern sind drei Pendler. Für Matthias ein Grund, doch noch einmal über seine Weltumrundung nachzudenken. „Mittelfristig plane ich schon nach Augsburg umzuziehen. Einen Haushalt führen kann doch nicht so schwer sein“, grinst er.

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